Süddeutsche Zeitung

Flugverkehr:Die Insolvenz von Air Berlin ist das nächste Problem für den BER

  • Air Berlin sollte der wichtigste Kunde des Hauptstadtflughafens BER werden. Ein Hangar war bereits an die Airline übergeben worden, eine Lounge für die Passagiere wurde eingerichtet.
  • Doch jetzt ist die Fluggesellschaft pleite. Im schlimmsten Fall werden deshalb weitere Umbauten an dem Flughafen nötig, die eine Eröffnung noch weiter hinauszögern könnten.

Von Jens Schneider

Die Pläne von Air Berlin waren kühn. Das galt besonders für die Hauptstadt Berlin und ihren neuen Flughafen in Schönefeld, den BER. Deshalb könnte die Insolvenz der Fluglinie für den BER zu einem Problem werden, schon vor seiner Eröffnung. Denn dem BER ist mit Air Berlin gerade der wichtigste Partner und Kunde abhandengekommen.

Es war Anfang März 2012, und nach außen sah alles noch gut aus für die Fluglinie und den neuen Berliner Flughafen, da kündigte Air Berlin Großes an. Zur Eröffnung des BER im Juni 2012 wollte Air Berlin mit fünf Langstreckenverbindungen an den Start gehen. Täglich sollte nach Miami, New York sowie Los Angeles, Windhoek und Abu Dhabi geflogen werden. Das erklärte Ziel war es, den neuen Berliner Flughafen zu einem internationalen Drehkreuz aufzubauen. Air Berlin wollte dabei im Zentrum stehen. Ein Hangar war bereits an die Airline übergeben worden, eine Lounge für die Passagiere eingerichtet.

Kurz darauf waren die Pläne erst mal Makulatur. Die Eröffnung des BER wurde abgesagt, danach immer wieder verschoben, bis heute ist die ewige Berliner Baustelle nicht fertig. Die Eröffnung könnte 2018 sein, vielleicht aber auch später. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will sich erst auf ein Datum festlegen, wenn er wirklich sicher sein kann, dass es keine weiteren Verzögerungen mehr geben kann.

Air Berlin klagte seit 2012 oft über den Stillstand am BER, will darin sogar eine Ursache für die eigene Pleite sehen. "Natürlich ist Air Berlin auch ein Opfer der dauernden Verschiebungen um den neuen Flughafen", sagte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann jetzt der Zeit.

Das Unternehmen habe sein gesamtes "Konzept der Umsteigeverkehre auf diesen neuen Flughafen ausgelegt", sagte er. In Tegel sei das nicht möglich gewesen. Air Berlin sei für die Hauptstadt der "Königscarrier". Ob die Verzögerungen am BER tatsächlich die zentrale Ursache für die Air- Berlin-Pleite sind, ist umstritten. Treffend ist der Begriff "Königscarrier" allerdings gerade mit Blick auf den BER: Air Berlin sollte der größte Kunde sein und wollte trotz der Verzögerungen den BER als Drehkreuz entwickeln. Am bereits fertigen Südpier des neuen Flughafens sind fast alle Stellplätze für Air Berlin vorgesehen, also fast ein ganzes Terminal.

Die Folgen der Pleite für den neuen Flughafen lassen sich noch nicht abschätzen, die Geschäftsführung hält sich zurück. Betrachtet man die Prognosen für die kommenden Jahre, so hat die Flughafengesellschaft FBB auf den ersten Blick wenig Anlass zur Sorge. 32,9 Millionen Passagiere waren es im vergangenen Jahr in Berlin an den alten Flughäfen Tegel und Schönefeld, 11,4 Prozent mehr als im Vorjahr, ein enormes Wachstum. So soll es weitergehen, für 2040 werden für die Hauptstadt 55 Millionen prognostiziert. Längst steht fest, dass der BER zu seinem Start zu klein sein wird. Die FBB arbeitet bereits an einem Plan für einen Ausbau mit zusätzlichen Terminals.

Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass andere Fluglinien Berlin zu einem internationalen Drehkreuz ausbauen würden

Dennoch könnte es Probleme geben, wenn keine Fluglinie sich das Ziel von Air Berlin zu eigen macht, den BER als Drehkreuz zu nutzen. Der Südpier ist genau zu diesem Zweck ausgebaut worden, die Anlagen sind entsprechend teuer. Billigflieger dürften an einer solchen Nutzung wenig Interesse haben. Sie leben davon, ihre Kosten minimal zu halten. Auch gilt es als wenig wahrscheinlich, dass andere Fluglinien, etwa die Lufthansa, Berlin zu einem internationalen Drehkreuz ausbauen würden. Die Lufthansa nutzt dafür längst andere Flughäfen. Ein Wegfall dieser Option könnte weitere Umbauten am BER auslösen, vielleicht auch zu geringeren Einnahmen führen. All das dürfte sich erst zeigen, wenn der BER eröffnet wird, irgendwann.

Für die alten Flughäfen rechnet man dagegen kaum mit Problemen. Bisher lag der Marktanteil von Air Berlin (mit der Linie Niki) an den Passagieren in Berlin in der Zeit von Januar bis Juli 2017 bei 28,2 Prozent. Das waren 5,52 Millionen Passagiere. Aber die Airports sind schon stark ausgelastet. Es ist nicht zu erwarten, dass die Pleite mittelfristig Lücken reißt. Flughafen-Geschäftsführer Lütke Daldrup betont, dass "Air Berlin ein sehr wichtiger Partner für den Berliner Flughafenstandort ist". Er sagt: "Wir haben ein großes Interesse daran, dass der Flugbetrieb so stabil wie möglich fortgesetzt und zügig eine langfristige Lösung erreicht wird." Er braucht aber vor allem passenden Ersatz für Air Berlin am BER, oder man muss mal wieder neu planen auf der ewigen Baustelle am Rande der Hauptstadt.

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SZ vom 17.08.2017/vd
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