Insolvente Fluglinie:So geht es nach der Insolvenz von Air Berlin weiter

8500 Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. Viele werden anderswo Arbeit finden, aber unter welchen Bedingungen? Das Geld der Airline wird immer knapper.

Von Jens Flottau, Frankfurt, und Julian Freitag, Berlin

Flughafen Berlin-Tegel, Terminal C, morgens. Über fast jedem Check-In-Schalter leuchtet das rot-weiße Logo von Air Berlin. Gleich starten Maschinen nach Düsseldorf, Abu Dhabi und Helsinki. Geschäftsleute hetzen an Touristen mit ihren Rollkoffern vorbei, Schlangen haben sich vor den Schaltern gebildet. Mehrere Flugzeuge sind verspätet, doch kein Flug ist ausgefallen. Insolvenz? Davon ist hier auf den ersten Blick nichts zu spüren.

Doch das ändert sich, wenn man versucht, mit Mitarbeitern über das Thema zu sprechen. Es herrscht, so wird schnell klar, Angst. Und zwar nicht nur die um den Arbeitsplatz, sondern auch die, etwas Falsches zu sagen. Zwei Angestellte von Air Berlin sind auf dem Weg zum Ausgang für die angekommenen Passagiere. Sie sollen Weiterreisende zur Maschine nach Tel Aviv bringen. Mit Journalisten reden wollen sie auf keinen Fall. "Und bitte versuchen Sie auch nicht, Kollegen von uns anzusprechen", sagen sie und eilen weiter.

Mitarbeiter in der Verwaltung oder der Technik werden wohl gar nicht übernommen

Vor ziemlich genau zwei Wochen hat Air Berlin Insolvenz angemeldet. Die Befürchtungen, dass es so wie bisher nicht mehr weitergeht, sind zur Gewissheit geworden. Es geht um etwa 8500 Arbeitsplätze bei Deutschlands einst zweitgrößter Fluggesellschaft, die schon längst ein Schatten ihrer selbst war. Zwar wird ein großer Teil der Piloten und Flugbegleiter voraussichtlich anderswo neue Jobs bekommen, dennoch ist die Verunsicherung greifbar, denn aller Voraussicht nach werden die neuen Arbeitsplätze schlechter bezahlt sein als die bisherigen. Und die Mitarbeiter in der Verwaltung oder der Technik werden wahrscheinlich gar nicht übernommen.

Nach dem derzeitigen Stand der Dinge wird sich innerhalb der nächsten beiden Wochen grundsätzlich klären, wie es weitergeht. Interessenten können Angebote offenbar bis zum 15. September abgeben. Nachdem die Lufthansa schon in der vergangenen Woche ein nahezu unterschriftsreifes Angebot abgegeben hat, laufen in dieser Woche die Gespräche mit den anderen möglichen Käufern, unter anderem mit dem Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl und Niki-Gründer Niki Lauda sowie Easyjet und Condor.

Ryanair-Chef Michael O'Leary ist am Mittwoch auch in der Stadt, gibt aber dem Vernehmen nach nur eine Pressekonferenz, auf der er über die Lufthansa-freundliche Haltung der Regierung schimpfen will. Gespräche mit dem Air-Berlin-Sachwalter gibt es nicht; dass Ryanair noch in den Bieterprozess einsteigt, gilt als unwahrscheinlich.

Der Überbrückungskredit der Bundesregierung ist noch nicht ausgezahlt

Am Dienstag wurde zudem bekannt, dass die Fluggesellschaft Germania juristisch gegen die geplante Staatshilfe vorgehen will. Germania will dies per Eilverfahren verhindern, solange die EU-Kommission die Hilfe nicht genehmigt. Über den Antrag von Germania soll am 15. September verhandelt werden. Es muss bald eine Entscheidung fallen. Denn das Geld wird bei Air Berlin immer knapper. Die Airline streicht Ende September sämtliche Langstrecken von Berlin aus - bis auf die nach Miami und New York. Gestrichen wird auch die Strecke nach Abu Dhabi. Sie ist nach SZ-Informationen mit Verlusten von einer Million Euro pro Monat die defizitärste Route. Auch die Flüge nach Los Angeles, San Francisco und Chicago werden eingestellt, zudem die Strecke Düsseldorf-Boston.

Der Überbrückungskredit von 150 Millionen Euro, den die Bundesregierung angekündigt hat, ist noch nicht ausgezahlt. Dies soll, so hieß es, noch vor der Entscheidung über die Investoren geschehen. Allerdings müsse das Übereinkommen für die Kreditanstalt für Wiederaufbau und den Sachwalter noch absolut wasserdicht gemacht werden.

Etwa fünf Minuten Fahrt vom Flughafen Tegel entfernt liegt der Hauptsitz von Air Berlin in einem tristen Bürokomplex zwischen Lagerhallen, Schrebergärten und einer Tankstelle am Saatwinkler Damm. Zwei Mitarbeiter sitzen vor der Kantine an einem Tisch und trinken Kaffee. Auch hier: "Wir dürfen nicht mit Ihnen sprechen, alle nicht", sagt der eine.

Viele Mitarbeiter hoffen auf Hans Rudolf Wöhrl

Ein Air-Berlin-Mitarbeiter möchte dann doch reden. Allerdings will er weder seinen Namen noch seine Abteilung in der Zeitung lesen. Enttäuscht ist er vor allem vom Mehrheitseigner Etihad: "Die hatten versprochen, uns bis zum nächsten Sommer Zeit zu geben", sagt er. Zwar habe es immer wieder Warnzeichen gegeben, die Insolvenz sei dennoch unerwartet gekommen. Wie es nun weitergehe, wisse er nicht. "Ich warte einfach ab", sagt er.

Die offenen Sympathien der Bundesregierung für Lufthansa ärgern den Mann. "Die ist weder gut für uns noch für die Konkurrenz", sagt er. Sein Favorit unter den potenziellen Käufern sei der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl. Viele seiner Kollegen sähen das genau wie er. "Eine Regierung, die einen Flughafen nicht bauen kann, mischt sich nun bei Air Berlin ein. Schon lustig, oder?", sagt er und macht sich auf den Weg in die Mittagspause.

Ganz offen gibt sich indes Pascal Volz, der bei Air Berlin im Onlinehandel arbeitet. Für sich und sein Team sucht er auf einer eigens angelegten Website einen neuen Arbeitgeber. Die vergangenen Wochen seien eine harte Zeit für alle gewesen, schreibt er. Jedoch gelte für ihn und seine Kollegen: "Die Show muss weitergehen!" Wenigstens diese Aktion könnte Erfolg haben: Sowohl ein Versandhändler als auch eine Kommunikationsagentur meldeten Interesse an.

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