Süddeutsche Zeitung

Insolvente Fluggesellschaft:Um Air Berlin entwickelt sich ein Bieterrennen

  • Wegen der Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin hat sich zum ersten Mal der fünfköpfige Gläubigerausschuss getroffen.
  • Ryanair und der Unternehmer Wöhrl zeigen sich an einer Komplettübernahme interessiert - nach SZ-Informationen möchte neben Lufthansa und Easyjet auch Condor einen Teil der Air-Berlin-Flotte übernehmen.
  • Lufthansa legt ein konkretes Angebot für die Air-Berlin-Tochtergesellschaft Niki - inklusive Kaufpreis - vor.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Um Teile der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin entwickelt sich ein Bieterrennen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will neben Lufthansa und Easyjet auch die Ferienfluggesellschaft Condor einen Teil der Air-Berlin-Flotte übernehmen. Ryanair sowie der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl haben ihr Interesse, Air Berlin komplett zu übernehmen, bereits öffentlich gemacht.

Am Mittwoch traf sich zum ersten Mal der fünfköpfige Gläubigerausschuss. Lufthansa teilte am Abend mit, sie habe eine Absichtserklärung abgeben, des Weiteren sei Stillschweigen vereinbart. Nach SZ-Informationen präsentierte Lufthansa ein Angebot für die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki und nannte einen konkreten Kaufpreis. Äußerungen von Ryanair-Chef Michael O'Leary, man wolle den Kauf von Air Berlin als Ganzes verhandeln, sowie Condors Interesse haben das Verfahren kompliziert. Daher verschob das Gremium die Entscheidung über den Verkauf von Niki bis mindestens in die nächste Woche.

Niki betreibt eine Flotte von 17 Airbus-Maschinen im Europaverkehr und mietet derzeit 18 weitere Jets. Damit stellt Niki rund ein Viertel der Air-Berlin-Gruppe dar, die zuletzt rund 140 Flugzeuge eingesetzt hat. Niki ist für Lufthansa attraktiv, weil sie niedrige Kosten hat, über viele Start- und Landezeiten am Flughafen Düsseldorf verfügt und als Plattform dienen könnte, um die eigene Billigmarke Eurowings schneller wachsen zu lassen. Lufthansa hofft, bis zu 90 frühere Air-Berlin-Jets zu übernehmen, 38 fliegen im Rahmen eines langjährigen Mietvertrages bereits für Eurowings.

Diese Pläne sind aber eine Bedrohung für Condor, denn Eurowings würde eine dominierende Stellung im Ferienfluggeschäft erhalten. Nach einer Übersicht von Bank of America Merrill Lynch kontrollieren Lufthansa, Eurowings und Air Berlin jetzt 64 Prozent der Flugkapazität von Deutschland ins europäische Ausland. Condor kommt auf zwei Prozent, sie muss also versuchen, wenigstens einen Teil des Air-Berlin-Kuchens abzubekommen, und will für eine deutlich zweistellige Zahl von Flugzeugen bieten. Auch Niki wäre für Condor attraktiv. In Branchenkreisen heißt es, Condor gehe es vor allem um Europastrecken, ihr wird aber auch Interesse an einem Teil der Air-Berlin-Langstrecken nachgesagt, die in Düsseldorf starten.

Ryanair könnte den Preis für die Konkurrenz in die Höhe treiben

Lufthansa muss aber darauf hoffen, dass mit Easyjet ein weiterer Bieter zum Zug kommt, der anders als Condor auch innerdeutsche Strecken bedienen will. Denn laut der Analystenstudie kommen Lufthansa, Eurowings und Air Berlin auf 98 Prozent Marktanteil im innerdeutschen Verkehr, Ryanair auf nur ein Prozent. Easyjet könnte das Problem mit dem Einstieg auf diesen Strecken indirekt lösen.

Ryanair hat selbst offiziell Interesse bekundet, doch halten es mehrere Quellen für unwahrscheinlich, dass die irische Billigfluggesellschaft tatsächlich ernsthaft erwägt, Air Berlin zu übernehmen. Aber schon ihre Teilnahme an dem Verfahren könnte den Preis für die Konkurrenz hoch treiben.

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SZ vom 24.08.2017/mane
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