Süddeutsche Zeitung

Insiderhandel bei DaimlerChrysler vermutet:Zwei Topmanager unter Verdacht

Die Börsenaufsicht ermittelt gegen zwei hochrangige DaimlerChrysler-Manager wegen des Verdachts des illegalen Insiderhandels. Nach offiziell nicht bestätigten Berichten handelt es sich um Vorstandsmitglied Rüdiger Grube und Konzernsprecher Hartmut Schick.

Dagmar Deckstein

Der deutsch-amerikanische Autokonzern kommt nicht zur Ruhe. Zahlreiche Behörden - darunter auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC und die US-Justiz - ermitteln gegen DaimlerChrysler wegen Schwarzkonten, Bestechung, Insiderhandel und Unregelmäßigkeiten im Vertriebssystem.

Jetzt hat auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen zwei Manager des Konzerns und zwei Vertreter der "Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler" aufgenommen.

Schon seit einigen Wochen geht die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (Bafin) dem Verdacht nach, dass sich Konzernangehörige, die vor dem 28. Juli, dem Tag der offiziellen Rücktrittsverkündung von DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp, von diesem Schritt wussten, durch ihr Insiderwissen bereichert haben könnten.

Freudensprung der Aktie

Auf die überraschende Nachricht vom bevorstehenden Schrempp-Rückzug hatte der Kurs der DaimlerChrysler-Aktie an jenem Donnerstag mit einem Freudensprung reaggiert und im Tagesverlauf um mehr als zehn Prozent zugelegt.

Das Ausnutzen von Informationen im Vorfeld, um an solchen Kurssteigerungen zu verdienen, ist als Insiderhandel strafbar. In diesem Zusammenhang ist jetzt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft aktiv geworden und hat am Donnerstag Büros und Privaträume von vier Beschuldigten durchsucht.

Sowohl ein Konzernsprecher als auch die Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigten, dass es sich bei zwei der Durchsuchten um Konzernmitarbeiter handele. Die Namen Rüdiger Grube und Hartmut Schick wurden jedoch nicht offiziell genannt.

Engste Vertraute Schrempps

Rüdiger Grube, 54, ist im Vorstand für die Konzernentwicklung und das Chinageschäft verantwortlich und gehört zum Kreis der engsten Vertrauten Schrempps. Dasselbe gilt für Hartmut Schick, 44, den sich Schrempp 2002 als Kommunikationschef an die Seite holte.

Die Namen der beiden waren schon vor einigen Wochen im Zusammenhang mit den Insiderermittlungen in der Presse kursiert, wogegen sich Grube und Schick mit eidesstattlichen Erklärungen wehrten, denen zufolge der Insiderverdacht völlig haltlos sei.

Durchsucht wurden auch die Büros und die Privatwohnungen von Jürgen Grässlin und Paul Russmann, beide Sprecher der "Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler". Grässlin, zugleich Schrempp-Biograph, hatte schon am 29. Juli erklärt, er habe konkrete Hinweise darauf erhalten, dass hochrangige DaimlerChrysler-Manager Insidergeschäfte getätigt hätten.

Namen genannt

Auf Nachfrage der Bafin hatte Grässlin nach eigenen Angaben in einem mehrseitigen Brief die Zusammenhänge erläutert und auch Namen genannt. Ferner hatte Grässlin gesagt, ihm sei schon am 16. Juli aus Konzernkreisen mitgeteilt worden, dass Schrempp noch in diesem Jahr seinen Rücktritt erklären wolle.

Der Kritische Aktionär Russmann bestätigte auf Nachfrage der SZ, dass Vertreter der Stuttgarter Staatsanwaltschaft und ein Beamter der Bafin bei ihm und Grässlin in Stuttgart und Freiburg vorstellig geworden seien und sich vor allem für die Computer und Notebooks interessiert hätten.

Russmann vermutet, dass die Ermittlungsbehörden vor allem nach jener "Primärquelle" fahndeten, die Grässlin im Juli von den bevorstehenden Ereignissen und über den Verdacht des Insiderhandels hochrangiger Konzernmanager informiert hatte.

"Unverschämt"

Zugleich verurteilte Russmann die Durchsuchungen bei den Kritischen Daimler-Aktionären als "völlig überzogen" und "rechtswidrig." Zudem bezeichnete er es als "unverschämt", dass im laufenden Verfahren gegen Jürgen Grässlin als Beschuldigten ermittelt werde: "Hier wird ein Aufklärer zum Täter gemacht".

Gegen sämtliche Durchsuchungsbeschlüsse bei den Kritischen Aktionären hat deren Rechtsanwalt Holger Rothbauer Rechtsmittel eingelegt.

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SZ vom 03.09.05
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