Insektengift:Tödliche Dosis

Europaeische Honigbiene Westliche Honigbiene Gemeine Honigbiene Apis mellifera mellifera fliegt

Bestimmte Insektizide können Bienen lähmen oder töten.

(Foto: blickwinkel/imago)

Der Streit um ein Verbot von Insektengiften eskaliert. Grüne werfen Union und SPD Hinhaltetaktik vor.

Von Markus Balser, Berlin

Ihre Namen sind fast unaussprechlich, ihre Wirkung bedrohlich: Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. Die Insektizide gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. In der Landwirtschaft werden sie eingesetzt, um Schädlinge zu bekämpfen und Pflanzen zu schützen. Doch ihre Wirkung entfalten sie auch gegen Tiere, deren Bekämpfung nicht gewollt ist, wie Bienen. Das Problem ist lange bekannt. Union und SPD haben deshalb in ihrem Sondierungspapier ein "Aktionsprogramm Insektenschutz" angekündigt.

Doch Antworten der Bundesregierung auf kleine Anfragen der Grünen-Bundestagsfraktion werfen die Frage auf, wie weit eine Einigung zwischen SPD und Union beim Insektenschutz wirklich ist. Die Antworten des CSU-geführten Agrarministeriums und des SPD-geführten Umweltressorts, die noch vor den entscheidenden Sondierungsgesprächen entstanden, klaffen weit auseinander. Während das Umweltministerium die von der EU-Kommission geplanten strengeren Regeln gegen die Stoffe bislang öffentlich unterstützt und sich dabei in der Antwort auf das Umweltbundesamt beruft, lässt das von Christian Schmidt geführte Landwirtschaftsministerium noch keine Zustimmung für ein Verbot erkennen. "Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung" sei "noch nicht abgeschlossen", schreibt der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Bundesregierung treffe ihre Entscheidung auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit lege ihren Risikobericht für die drei Stoffe im Februar vor, heißt es in dem Schreiben weiter.

Den will das Ministerium noch für die eigene Entscheidung abwarten. Der Dissens der Ministerien birgt Brisanz. Ein ähnlicher zwischen den Ministerien über das Abstimmungsverhalten in Brüssel hatte beim Thema Glyphosat einen heftigen Streit innerhalb der großen Koalition provoziert. Im Dezember hatte Umweltministerin Barbara Hendricks ausdrücklich vor einem neuerlichen Streit zwischen den beiden Häusern gewarnt.

Bei den Grünen wächst der Ärger über das Abwarten der großen Koalition. "Christian Schmidt übt sich hier in Hinhaltetaktik", sagt Agrarexperte Harald Ebner. Dabei hätten Hunderte Studien schädliche Effekte der Neonicotinoide auf Insekten, Vögel und viele weitere Tiere längst belegt. Auch die EU-Risikobewertungsbehörde Efsa, das Umweltbundesamt und das Umweltministerium sähen Handlungsbedarf. Wer sich mehr Insektenschutz vornehme, der müsse bei den Neonicotinoiden jetzt wenigstens entschlossen anfangen, fordert Ebner.

Die Kommission hatte bereits ein Freiland-Verbot für die drei Insektizide vorgeschlagen. Neonicotinoide lähmen oder töten Bienen nach Angaben von Forschern bereits bei einer sehr niedrigen Dosierung. Die tödliche Dosis beträgt etwa vier Milliardstel Gramm pro Biene. Studien hatten zuletzt einen massiven Rückgang der Insektenzahl auch in Deutschland festgestellt. Die EU-Staaten hatten die entscheidende Abstimmung über ein weitergehendes Verbot der Stoffe im Dezember dann jedoch unter Verweis auf die noch ausstehende Studie vertagt.

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