Gastronomie:Larve statt Lende

Insects: Our Food Of The Future?

Insekten auf dem Teller erregen bei vielen Europäern Ekel. In Asien oder Afrika hingegen hat man weniger Berührungsängste.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)
  • Seit einigen Wochen ist bei der Restaurantkette Hans im Glück ein Insektenburger im Angebot.
  • Wird er genügend nachgefragt, könnte der Buffalo-Wurm im Brötchen langfristig angeboten werden.

Von Thomas Fromm

Der Alphitobius diaperinus ist ein Insekt aus der Familie der Schwarzkäfer, wird bis zu sechs Millimeter lang und hätte unter seinem landläufigen Namen "Getreideschimmelkäfer" wahrscheinlich kein besonders gutes Standing in der Gastronomie.

Wie auch, unter Geflügelzüchtern gilt das Tier als Schädling, und auch sonst sieht dieser Käfer nicht gerade aus wie eine Delikatesse. Ein "Getreideschimmelkäfer"-Burger wäre auf der Speisekarte jedenfalls, nun ja, kein Selbstläufer.

Unter dem Namen "Buffalo-Wurm" aber machen die Larven jenes Käfers nun doch eine kleine kulinarische Karriere. Zuerst waren es Rewe-Filialen, die den Alphitobius-diaperinus-Burger ins Sortiment nahmen. Seit einigen Wochen ist der Insektenburger auch bei der Restaurantkette Hans im Glück zu haben - zumindest für eine Weile.

Wie so etwas schmeckt? Er habe selbst verschiedene Würmer- und Insektenbratlinge getestet, sagt Jens Hallbauer, einer der Geschäftsführer bei Hans im Glück. Man habe sich am Ende für den Buffalo-Wurm entschieden. "Er ist eher trocken und hat eine nussige Note." Nun ist das mit der "nussigen Note" so eine Sache. Einmal im Burger, mit Soja und Gemüse zum Bratling zermalmt und Salat und Saucen garniert, geht der ursprüngliche Geschmack des Alphitobius diaperinus (Wurmanteil im Bratling: 30 Prozent) wohl eher unter. Was vielleicht aber auch ganz okay ist.

In den Lokalen der Kette, die neben Vegetarischem vor allem Rindfleisch- und Hähnchenburger unter Namen wie "Birkenwald", "Pfeffersack", "Geißbock" oder "Geselle" anbieten, heißt der Larven-Burger "Übermorgen" - und ist mit einem Preis von 9,40 Euro so etwas wie der aktuelle Premium-Burger. "Wir wissen, dass das ein polarisierendes Produkt ist", sagt der für Marketing zuständige Geschäftsführer Peter Prislin. "Das Projekt 'Übermorgen' war schon in der Vorbereitung ein ziemlich langer Ritt mit vielen internen Diskussionen."

Es geht um grundsätzliche Fragen. Welche Grenzen darf man überschreiten, wie anders als die anderen darf man sein? Was geht, was nicht? Und für was soll eine Kette wie Hans im Glück in Zukunft stehen?

Die Konkurrenz unter den sogenannten Systemgastronomen in Deutschland ist groß und sie wird immer größer. Ganz oben stehen seit Jahren die beiden US-Hamburgerketten McDonald's (1500 Filialen) und Burger King (über 700 Standorte). Auch die Hühner-Frittierer von Kentucky Fried Chicken (KFC) mit ihren rund 170 Filialen wollen in den nächsten Jahren hierzulande schwer ausbauen. Allerdings: Hans im Glück will keine Alternative zu den Bratern von Big Macs und Whoppern sein. Auch wenn man vor allem Burger im Angebot hat: Der Insektenburger "Übermorgen" hat mit einem Whopper oder mit frittierten Hühnerflügeln von KFC nicht viel gemein. Eher schon vergleicht sich die Kette, 2010 in München gegründet, mit dem Pasta- und Pizzaanbieter Vapiano, den fränkischen Italo-Systemgastronomen von L'Osteria oder der neuen Generation kleiner Hamburger-Bars in deutschen Großstädten.

Peter Prislin, Geschäftsführer

"Das Projekt 'Übermorgen' war schon in der Vorbereitung ein ziemlich langer Ritt mit vielen internen Diskussionen."

Viel Protein, wenig Fett, Mineralien satt - ungesund sind die Tiere nicht

Es fängt beim Namen dieses neuen Würmer-Burgers an. "Übermorgen" (man hätte das Brötchen natürlich auch "Wurmling" oder so nennen können), das ist schon von der Begrifflichkeit her ein eher politisches Statement. In Asien, aber auch in Afrika, hat man mit Insekten als Hauptspeise weniger Probleme als in der westlichen Hemisphäre. Millionen Menschen essen regelmäßig Insekten.

Viel Protein, wenig Fett, Mineralien satt - ungesund sind die Tiere also nicht. Und auch die Energiebilanz der Buffalo-Würmer ist eine andere als die einer vergleichbaren Portion Rindfleisch. Schon vor Jahren hatte die Welternährungsorganisation FAO die Menschen ermutigt, öfter mal Insekten zu essen. Geröstete Heuschrecken statt Schweinebraten? Grashüpfer mit Reis statt Schinkennudeln? Heimische Raupen statt Prosciutto di Parma DOP? Grillen statt Grillteller?

Der Buffalo-Wurm-Bratling hat also eine versteckte Botschaft: Ihr Hamburger-Esser und Beef-Gourmets da draußen, vielleicht seid ihr heute noch nicht so weit, vielleicht auch noch nicht morgen. Aber die Welt und ihre Essgewohnheiten verändern sich, und übermorgen könnte es dann so weit sein. "Der Burger heißt nicht zufällig 'Übermorgen'", sagt Prislin. "Wenn man sich das Bevölkerungswachstum anschaut, ist klar, dass man rechtzeitig auf neue Ernährungsgewohnheiten setzen muss."

Eine Restaurantkette, die Birkenstämme in die Gasträume stellt, ihre Limonaden mit Kräutern anreichert sowie auf Plastikstrohhalme verzichtet und dafür Halme aus Zuckerrohr reicht, Restaurants, in denen Menschen in märchenhaftem Ambiente erst mal geduzt werden und in denen das Feedback-Forum "Lob und Tadel" heißt - so ein Laden will sich absetzen von den McDonald's, Burger Kings und den KFCs dieser Welt. Aber auch nicht zu sehr, um die oft jungen Kunden nicht zu vergrätzen. "Wir sehen uns selbst nicht als edukative Restaurantkette", sagt Hans-im-Glück-Manager Prislin. Ein bisschen politisches Sendungsbewusstsein im Birkenwäldchen schadet aber wohl auch nicht.

Die Branche der Systemgastronomie wächst seit Jahren um durchschnittlich fast fünf Prozent - die Szene setzt auf Expansion. Das kann aber auch mal schiefgehen, wie der Fall der Hamburger Restaurantkette Vapiano zeigt: zu starkes Wachstum, Lokale an falschen Standorten, genervte Kunden in zu langen Warteschlangen, am Ende zu hohe Erwartungen an die eigenen Umsatz- und Gewinnziele. Die Macher von Hans im Glück sind daher vorsichtig.

An die 60 Filialen in Deutschland, plus einige Geschäfte in Österreich, der Schweiz und Singapur - es geht voran, aber langsam. "Wir prüfen sehr behutsam, wo wir neue Filialen aufmachen", sagt Prislin. "Zurzeit haben wir uns unter anderem auf kleinere Unistädte konzentriert." Rund 20 Filialen werde man in diesem Jahr noch eröffnen - wichtig seien die richtigen Standorte. Und natürlich Experimente, die am Ende funktionieren.

Der Larvenburger ist da so etwas wie ein Testburger. Klappt die Sache mit dem etwas krümeligen Teil, könnte der Buffalo-Wurm langfristig angeboten werden. Noch habe man nicht entschieden, ob er dauerhaft auf die Speisekarte kommt. Was man auf jeden Fall schon gelernt hat: Beim Insektenburger kommt es auf das richtige Timing an. "Wir wollten den nicht zu Halloween anbieten", sagt Prislin. "Aber auch nicht, während bei RTL noch das Dschungelcamp lief, wo Leute zur Strafe Würmer essen müssen. Das wäre kein idealer Zeitpunkt gewesen, um die Ernsthaftigkeit des Themas glaubwürdig zu spielen."

Das Geschäft mit dem nussigen Buffalo-Wurm kann ziemlich kompliziert sein - komplizierter jedenfalls, als ein Whopper-Menü mit großer Cola zu verkaufen.

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