Innovation:Auf Putz verklebt

Enocean

Alter Schalter: Beim Drücken fällt eigentlich nichts auf, aber im Hintergrund funktioniert alles anders.

(Foto: Pietro Sutera)

Und trotzdem geht das Licht an: Ein Unternehmen hat einen Schalter entwickelt, der ohne Kabel und ohne Batterie funktioniert.

Von Helmut Martin-Jung

Häuslebauern geht es nicht selten so: Der Lichtschalter hätte eigentlich ganz woanders hingehört, doch die Wand ist schon verputzt und gestrichen - was also tun? Eigentlich kein großes Problem mehr im Zeitalter vernetzter Lampen. Einen Funkschalter kann man überall hinkleben. Doch was bleibt, ist das lästige Wechseln der Batterien, die natürlich gerne dann leer werden, wenn man es gar nicht brauchen kann. Aber auch das ist inzwischen nicht mehr nötig - dank einer Firma aus Oberhaching bei München.

Der Schalter sieht aus wie ein gewöhnlicher, und er passt auch - wenn gewünscht - in eine herkömmliche Dose für Wandschalter. Es gibt ihn von vielen Herstellern, die man aus der klassischen verkabelten Technik kennt, wie etwa Busch+Jaeger. Auch beim Drücken fällt eigentlich kaum etwas auf, das Licht geht an wie sonst auch. Dabei funktioniert im Hintergrund alles anders als sonst.

Enocean, eine Ausgründung aus dem Siemens-Konzern, hat eine Technik entwickelt, die ohne Batterie auskommt. Die zum Senden der Steuersignale nötige Energie gewinnen die Schalter aus der kinetischen Energie, die beim Drücken des Schalters anfällt. Enocean entwickelte in jahrelanger Arbeit Systeme aus Spulen und Magneten, die mit einer kleinen Platine verbunden sind. Auf der sitzt ein Funkchip. Mittlerweile beherrschen die Enocean-Schalter alle gebräuchlichen Standards wie etwa Bluetooth oder Zigbee. Die gab es anfangs noch nicht, weshalb die Münchner notgedrungen einen eigenen Standard entwickelt haben, genannt wie das Unternehmen Enocean.

Nicht nur An und Aus: Die Technik übertragt Rohdaten an das Internet der Dinge

Anfangs setzte Enocean noch auf eine andere Technik, auf die sogenannte Piezoelektrizität, dann entwickelten die Ingenieure die Systeme mit Spule und Magnet. Sieht man sich die kleinen Schalter an, scheinen sie nicht besonders kompliziert zu sein. Doch die Entwickler hatten eine ganze Menge an Hürden zu meistern, zum Beispiel mussten sie verhindern, dass es eine Rolle spielt, wie fest oder schnell man auf einen Schalter drückt. Denn das kennt man vom Fahrrad-Dynamo: Je schneller der sich dreht, umso heller leuchtet das Licht, weil mehr Elektrizität erzeugt wird. Auch die Stärke des Impulses, mit dem ein Schalter gedrückt wird, würde sich auswirken, wenn die Entwickler das nicht berücksichtigen würden.

Mit der zunehmenden Vernetzung von Alltagsgegenständen - dem Internet of Things (IoT) - gewinnt auch die Technik von Enocean mehr und mehr an Bedeutung, es geht weit über bloße Schalter hinaus. "Wir erzeugen Rohdaten für das Internet of Things und stellen sie über Funk bereit", sagt Andreas Schneider, der das Unternehmen mit gegründet hat. Jeder Fenstergriff kann damit zum Datensender werden oder jede Maschine in einer Fabrik. Enocean arbeitet längst mit vielen Partnern zusammen, so etwa dem Watson IoT Center von IBM in München. Ein Schwerpunkt ist die Gebäudeautomatisierungstechnik, aber auch in vielen anderen Produkten wie etwa in Straßenbahnen stecken die kabel- und batterielosen Sensoren von Enocean.

Knapp 50 Menschen beschäftigt Enocean zurzeit. Die kümmern sich um die Entwicklung und das Marketing. Die Produktion findet zwar in Deutschland auf einer selbst entwickelten Produktionslinie statt, ist aber an ein anderes Unternehmen aus dem Schwarzwald ausgelagert.

Momentan konzentriert sich Enocean auf drei Regionen: Europa, Nordamerika und Japan. In mehr und mehr Produkten stecken ihre Schalter und Sensoren, das Unternehmen aus Oberhaching wächst mit jährlich mehr als 20 Prozent und verdient Geld. "Die Anwendungen treiben das Wachstum", sagt Geschäftsführer Schneider. Sowohl Anbieter aus dem industriellen Sektor fragten die Produkte nach, als auch Händler, die an Heimanwender verkaufen.

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