Gastronomie:Wer online shoppt, fehlt im Café

Nachtleben Aussengastronomie auf dem Dresdner Neumarkt an der Frauenkirche, Dank der aktuellen Corona Lockerungen, kehrt

Außengastronomie in Dresden: Restaurants in Innenstädten sind deutlich mehr auf Passanten und Reisende angewiesen als Lokale in Wohnvierteln.

(Foto: Sylvio Dittrich/imago images)

Die City-Gastronomie leidet: Viele Fußgängerzonen sind noch immer leerer als vor der Pandemie. Die Menschen halten eher Lokalen in ihren Wohnviertel die Treue.

Von Benedikt Müller-Arnold, Köln

Es war einmal eine Symbiose: Wer ohnehin in die Stadt fährt, der gönnt sich nach dem Shoppen einen Kaffee oder Snack. Der Handel und die Innenstadt-Lokale, sie brauchen sich nicht nur wirtschaftlich. Ihr Nebeneinander macht vielerorts ein lebendiges Zentrum aus. Doch die Corona-Krise rüttelt kräftig daran. Das zeigt eine Befragung des Instituts für Handelsforschung (IFH) und des Großhändlers Metro unter 250 Gastronomiebetrieben in deutschen Großstädten. Demnach beurteilen 60 Prozent der Befragten ihre Lage als mittelmäßig bis sehr schlecht - obwohl Cafés und Restaurants seit Frühjahr öffnen durften: erst außen, dann innen.

Offensichtlich fällt es vor allem Innenstadt-Lokalen schwer, sich von monatelangen Schließungen zu erholen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) verweist darauf, dass die Gastronomie in Stadtzentren tendenziell weniger Stammkunden aus der Nachbarschaft habe als Betriebe in Wohnvierteln. "Abholservice hat super funktioniert in den Kiezen", sagt Geschäftsführerin Ingrid Hartges. In der City hingegen seien Lokale eher auf Passanten und Reisende angewiesen.

Doch die Passanten-Zahlen bereiten dem Handel Sorgen. Schon 2020 sei im Durchschnitt ein Drittel weniger Menschen durch hiesige Einkaufsstraßen flaniert als vor der Pandemie, meldet die Firma Hystreet, die regelmäßig Passanten in Innenstädten zählt. In der ersten Hälfte dieses Jahres seien dann nochmal 36 Prozent weniger Menschen unterwegs gewesen als im Vorjahreszeitraum. Kein Wunder: 2021 begann ja schon mit wochenlang geschlossenen Geschäften. "Corona hat diesen Effekt ausgelöst", sagt IFH-Chef Boris Hedde. Angesichts von Infektionsgefahr und Maskenpflichten bleiben die Menschen auch tendenziell kürzer in Zentren. Allerdings sei die Attraktivität von Innenstädten schon länger eine Herausforderung. "Wir haben sie nicht nur seit Corona", so der Handelsforscher.

Wenn Gastronomieflächen frei werden, erhalten oft große Ketten den Zuschlag

Das IFH verweist etwa auf Befragungen im Internet. Dort gebe eine Mehrheit der Menschen an, dass das Zentrum ihres Wohnorts an Anziehungskraft verloren habe - und dass sie immer weniger Gründe sähen, dort hinzufahren. Die Studie moniert das vielerorts monotone Angebot mit Filialen der immer gleichen Ketten - oder auch leerstehende Ladenlokale, die Städten zunehmend Sorge bereiten. Stattdessen haben sich viele Menschen in den vergangenen Monaten an mehr Onlinehandel gewöhnt: als kontaktfreie Alternative zum Einkaufsbummel.

Doch selbst wenn in Zukunft wieder mehr Menschen in Zentren strömen sollten, hat die Gastronomie noch ganz andere Sorgen. So haben viele ehemalige Beschäftigte die Branche verlassen - nach Monaten der Kurzarbeit und Unsicherheit. Und obwohl mehr und mehr Ladenlokale leer stehen, lässt sich längst nicht jede Handelsimmobilie in ein Café oder Restaurant umwidmen. Dem können beispielsweise Lärmschutzregeln entgegenstehen oder auch komplexe Genehmigungsverfahren. Zudem könnten Gastronomiebetriebe meistens nicht dieselben Pachten zahlen, wie sogenannte Signature-Läden in besten Lagen, sagt Dehoga-Chefin Hartges. Und wenn Gastronomieflächen freiwerden, erhielten oft große Ketten den Zuschlag, konstatiert Metro-Manager Sven Liebert, "und meistens nicht die Kleinen mit Herz".

NRW-Gastgewerbes mit heftigem Minus

Geschlossene Lokale während des Lockdowns in Köln: So sah es wochenlang in Innenstädten aus.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Die Fachleute fordern daher, dass Kommunen die Gastronomie als "Besuchermagnet" stärker in der Stadtentwicklung berücksichtigen sollten. Sie sprechen sich für städtische Vergabeplattformen für Gastronomieflächen aus, da solche Portale den Immobilienmarkt vor Ort transparenter machen könnten. "Das oberste Thema ist, das Ambiente zu verbessern", sagt IFH-Chef Hedde und verweist auf saubere Fußgängerzonen und Fassaden, Grünflächen und - zumindest zeitweise - Verkehrsberuhigung. "Wir brauchen aber vielleicht auch in einer Stadt mal einen Gastro-Beauftragten", regt Hedde an: also einen Vermittler zwischen Branche und Verwaltung. Mut macht Dehoga-Chefin Hartges in dem Zusammenhang, wie viele Städte in den vergangenen Monaten unkompliziert mehr Platz für die Außengastronomie genehmigt haben.

Dass sich ausgerechnet der Metro-Konzern so sehr um Cafés und Restaurants sorgt, ist übrigens kein Zufall. Die Düsseldorfer haben sich in den vergangenen Jahren von mehreren Tochterfirmen wie Galeria Kaufhof, Mediamarkt oder Saturn getrennt - und konzentrieren sich ganz auf ihre Großmärkte. "Unsere Kunden, das sind zu einem maßgeblichen Teil Gastronomen", sagt Managerin Ivonne Julitta Bollow. "Die anwachsende Krise der Innenstädte beeinflusst das Geschäft unserer Kunden natürlich." Jede Spezialisierung, zeigt auch das Beispiel Metro, geht mit Risiken einher.

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