Inkassobriefe:Abzocke mit falschen Abmahnungen

Lesezeit: 3 Min.

Viele Verbraucher fallen auf dubiose Zahlungsaufforderungen herein. Dabei sind fingierte Inkassobriefe leicht zu durchschauen. Berechtigte Forderungen sollten aber nicht ignoriert werden.

Von Berrit Gräber, München

Die Betrugsattacken kommen in immer neuen Wellen: Kaum ein Monat vergeht, ohne dass Bürger völlig unerwartet dubiose Geldforderungen von Anwaltskanzleien im Briefkasten haben oder auch zweifelhafte Zahlungsbefehle von Inkassofirmen. Mit Überschriften wie "Letzte Mahnung!" versuchen die Absender Druck auszuüben. Mal sollen die Empfänger 174,55 Euro zahlen, mal 244,90. In der aktuellen Massenaussendung der vermeintlichen Berliner Anwaltskanzlei Wohlfeil & Partner werden gar 300 Euro verlangt. Sollte nicht gezahlt werden, drohten Pfändung und der Gerichtsvollzieher, gerichtliche Mahn- und Vollstreckungsverfahren. "Das schüchtert viele Menschen so stark ein, dass sie letztlich überweisen - auch wenn sie nicht einmal wissen, an wen und wofür", mahnt Anne-Katrin Wiesemann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen, zur Vorsicht.

Gefälschte Abmahnungen vermeintlicher Geldeintreiber seien zu einer Massenplage geworden, heißt es auch bei anderen Verbraucherzentralen. Die Masche boomt, Millionen Verbraucher gezielt zu verunsichern, um an ihr Geld zu kommen. Frechheit siegt ganz offensichtlich. "Nicht jeder schafft es, die Abkassierversuche zu ignorieren", sagt Wiesemann. Ziel der Betrüger sind häufig Senioren, die bei Gewinnspielen, Kreuzworträtseln oder beim Surfen im Internet arglos ihre Adresse angeben - und dann vor den dreisten Zahlungsaufforderungen kapitulieren und zahlen, nur um ihre Ruhe zu haben. Dabei existieren die angeblichen Anwälte und Firmen wie "Europa Inkasso" oder "Global Network Inkasso" gar nicht. Die Drahtzieher der Betrugsmasche sitzen in der Regel im Ausland. Wer ihnen Geld überweist, sieht keinen Cent davon wieder. "Manchmal nutzen Betrüger sogar die Adresse eines echten Inkassounternehmens, fälschen nur den Briefkopf oder das Logo und legen gleich noch den ausgefüllten Überweisungsträger bei", sagt ein Sprecher des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) in Berlin.

Was dagegen dringend ernst genommen werden muss, sind die Forderungen seriöser Geldeintreiber - auch deren Anschreiben kommen per Post. Zwischen fünf und zehn Milliarden Euro an Außenständen treiben allein die BDIU-Verbandsmitglieder pro Jahr ein und verschicken dafür gut 18,3 Millionen Zahlungsaufforderungen. Mal geht es um Schulden beim Energieversorger, beim Versandhandel, Zahnarzt oder Vermieter, mal um Miese bei der Bank. Wer Rechnungen und Raten nicht zahlt, muss mit konsequentem Vorgehen seiner Gläubiger rechnen. Haben diese mit Mahnungen keinen Erfolg bei säumigen Kunden, engagieren sie meist Profis. Oft werden Anwälte mit dem Schuldeneintreiben beauftragt, noch häufiger Inkassofirmen. Doch wie lassen sich Betrüger herausfiltern, wenn Post kommt?

Grundsätzlich sollten Zahlungsaufforderungen niemals ungeprüft überwiesen werden, rät Verbraucherschützerin Wiesemann. Wichtigstes Indiz für gefälschte Mahnschreiben: Meist bleibt völlig im Dunkeln, wofür der Gemahnte überhaupt Geld zahlen soll. Manchmal geht es auch um Waren, die man nie bestellt hat, um Verträge, die gar nicht existieren. Selbst der Gläubiger wird oft nicht benannt. Dafür sind die Anschreiben manchmal voller Rechtschreib- und Grammatikfehler.

Seriöse Firmen nennen beim ersten Kontakt Forderung und Auftraggeber - das ist ihre Pflicht

Verbraucher sollten alles kritisch hinterfragen, in aller Ruhe ihre Unterlagen sondieren und überprüfen, ob die Forderung berechtigt sein könnte, empfiehlt der BDIU. Seriöse Inkassofirmen sind dazu verpflichtet, beim ersten Kontakt den Grund für die Forderung und den Auftraggeber klar zu benennen und um schnelle Zahlung zu bitten. Wer nicht weiter weiß, sollte das Inkassobüro anrufen. Spätestens dann dürfte klar werden, ob die Forderungen rechtens sind.

Möglich ist auch, auf der amtlichen Internetseite www.rechtsdienstleistungsregister.de zu checken, ob ein Inkassounternehmen in Deutschland überhaupt zugelassen ist, erläutert Wiesemann. Verstecken sich Betrüger hinter einer seriösen, wirklich existierenden Firma, hilft noch folgender Hinweis: Ist auf dem beigelegten Überweisungsträger eine Kontoverbindung in Rumänien oder Bulgarien angegeben, sollten Empfänger in jedem Fall die Finger davon lassen. "Wir raten dazu, merkwürdige Schreiben schlicht in den Papierkorb zu werfen und keinen Cent zu zahlen", sagt Wiesemann.

Ganz anders sieht es aus, sollten die Geldforderungen grundsätzlich berechtigt sein - sie zu ignorieren, wäre dann der falsche Weg. Denn es kommt garantiert wieder Post. Beigelegt ist dann schon oft eine vorformulierte Vereinbarung darüber, wie die Schulden in Raten abgestottert werden können. Allerspätestens jetzt sollten die Betroffenen reagieren, die Forderung prüfen und gegebenenfalls über das Abzahlen verhandeln, empfiehlt die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung.

Wer auch dann noch versucht sich zu verstecken, muss tatsächlich mit Gerichtsvollzieher, Lohnpfändung und weiteren Schritten rechnen. Dann wird alles nur noch schlimmer und teurer. Auch wenn es bitter ist: Die Kosten fürs Inkasso muss der Schuldner auch noch selbst übernehmen, das Gesetz lässt den Inkassofirmen dabei viel Spielraum.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: