Ingwer:Eine Wurzel, die boomt

Ingwer: Hauptproduzent von Ingwer ist Indien, gefolgt von Nigeria, China und Indonesien.

Hauptproduzent von Ingwer ist Indien, gefolgt von Nigeria, China und Indonesien.

(Foto: Jürgen Ritter/Imago)

Deutschland importiert immer mehr Ingwer. Doch seriöse Beweise für einen gesundheitlichen Nutzen der Pflanze sind ähnlich dünn wie ein Ingwer-Tee, der nicht lange genug gezogen hat.

Von Werner Bartens

Der Ingwer-Boom ist ungebrochen. Nicht nur als Knolle, auch als Konzentrat, Saft und Kapseln werden die Pflanzenpräparate angeboten, gerne mit dem Zusatz "Bio". Seit 2012 hat sich die Menge an Ingwer, die nach Deutschland importiert wurde, nahezu vervierfacht. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes waren es im Jahr 2021 immerhin 31 600 Tonnen Ingwerwurzeln im Wert von 74,6 Millionen Euro, die nach Deutschland eingeführt wurden - und damit 31 Prozent mehr als im Jahr 2020. Im Jahr 2012 hatte die importierte Menge erst bei 8200 Tonnen gelegen. Hauptproduzent ist Indien, gefolgt von Nigeria, China und Indonesien.

Die Wurzel wird als Tee, Gewürzpflanze und Heilmittel immer beliebter, doch schon in der antiken römischen, griechischen sowie bis heute in der chinesischen Medizin werden die lindernden Wirkungen der Knolle beschrieben. Im Mittelalter lobte die in Pflanzendingen unvermeidliche Hildegard von Bingen die anregende Wirkung von Ingwer auf die Verdauung.

Aber wie das so ist mit traditionellen Heilmitteln: Seriöse Beweise für einen gesundheitlichen Nutzen sind ähnlich dünn wie ein Ingwer-Tee, der nicht lange genug gezogen hat. Zwar wird immer wieder auf die beruhigende Wirkung von Ingwer auf Magen und Darm hingewiesen, so sollen Zubereitungen der Pflanze vor Übelkeit und Erbrechen schützen; Segler schwören auf Ingwer gegen die Seekrankheit. Antientzündlich, antibakteriell und antioxidativ soll Ingwer ebenfalls sein, die Schweißbildung verringern, und sogar schmerzlindernde und potenzsteigernde Wirkungen werden der Pflanze nachgesagt.

Immerhin gut verträglich ist Ingwer allemal

"Ingwer enthält vor allem Polyphenole und Antioxidanzien", sagt Ernährungsmediziner Hans Hauner von der TU München. "Gewisse antientzündliche Effekte sind belegbar, ebenso wie gewisse positive Effekte auf den Glukose- und Fettstoffwechsel. Die publizierten Humanstudien haben aber fast immer eine sehr niedrige Qualität, und die Ergebnisse sind sehr heterogen. Wirklich gute und belastbare Studien fehlen." Ein klinischer Nutzen ist nicht zweifelsfrei belegt.

"Nach meiner Einschätzung werden die gesundheitlichen Wirkungen deutlich überschätzt - vor allem aus geschäftlichem Interesse", sagt Hauner. Der Arzt und Ernährungsexperte hält es für vertretbar, "bei nicht zu starken Beschwerden" solche Produkte auszuprobieren. Eventuell würden damit ja Gelenkbeschwerden gebessert und Schmerzmedikamente eingespart, zumal keine substanziellen Nebenwirkungen zu befürchten seien. Nur bei Sodbrennen, Gallensteinen und der Einnahme von Blutverdünnern sollte der Konsum eingeschränkt bleiben, da Wechselwirkungen vermutet werden. "Der derzeitige Hype lässt sich wissenschaftlich aber nicht begründen und ist eher auf PR und Zeitgeist zurückzuführen", vermutet Hauner. "Für mich gibt es keinen Grund, Ingwer über eine gesunde Ernährung hinaus zu empfehlen."

Doch wen stört der fehlende Nutzenbeweis, wenn der Geschmack als Gewürz, Getränk oder das Wohlgefühl durch den heißen Tee nun mal gefallen? Der Glaube an die heilsame Kraft aus der Pflanze kann schließlich selbst wieder therapeutische Wirkung entfalten.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusImmobilien
:Wie es jetzt noch schnell mit der Grundsteuer klappt

Bis zum 31. Januar müssen knapp 36 Millionen Erklärungen bei den Finanzämtern sein. Doch viele drücken sich vor den komplizierten Formularen, noch immer fehlt die Hälfte. Was jetzt zu tun ist.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: