Deutsche Bahn:Offenburg 21

Stuttgart ist überall: Eine Freiburger Behörde bremst den Güterverkehr durch Europa. Das Entsetzen bei der Bahn ist groß - und die Bundesregierung gerät gegenüber einem Nachbarland in Erklärungsnot.

Michael Bauchmüller und Roman Deininger

So manches dankbare Stoßgebet dürfte dieser Tage von Offenburg aus in Richtung Himmel gehen. Eine katholische Ordensfrau und ein evangelischer Pfarrer im Ruhestand sind die Gesichter des Widerstands gegen den Ausbau der Rheintalbahn. Zwei zusätzliche Gleise sollen eine Schneise quer durch die südbadische Stadt schlagen, für den Güterverkehr. Der Widerstand ist groß: 46.000 Einwendungen liegen allein aus Offenburg vor. Mehrere Bürgerinitiativen fordern, die Gleise durch einen Tunnel zu führen, des Lärms wegen.

Schnee in Niedersachsen

Derzeit beunruhigt nicht nur der Winter die Vertreter des Güterverkehrs - sondern auch der Widerstand gegen den Ausbau der Rheintalbahn.

(Foto: dapd)

Doch jetzt ist das ganze Verfahren erst einmal gestoppt, das zuständige Regierungspräsidium in Freiburg hat den Gegnern einen Etappensieg beschert: Die Pläne der Bahn, teilte Regierungspräsident Julian Würtenberger (CDU) mit, seien unvollständig, fehlerhaft und deshalb nicht genehmigungsfähig. "Das ist ein Paukenschlag", sagt Pfarrer Manfred Wahl von der Bürgerinitiative Bahntrasse am Tag danach. "Unsere sachlichen Argumente wurden gehört. Jetzt muss die Bahn die Chance ergreifen, den Tunnel zu bauen."

Bei der Bahn ist das Entsetzen groß. Schon jetzt ist der Zeitplan für die neue Strecke ziemlich ambitioniert. Ende 2012 könnten die Arbeiten anfangen, bis 2019 könnten sie abgeschlossen sein. Ein Tunnel würde das Projekt um Jahre zurückwerfen - und das hätte Auswirkungen weit über Südbaden hinaus.

Denn das Teilstück durch Offenburg könnte ein winziges Nadelöhr auf der Strecke zwischen Nordsee und Norditalien werden, eine der wichtigsten Güterverkehrsstrecken überhaupt. Die Schweiz will dafür bis 2017 den Gotthard-Basistunnel bauen, den längsten Eisenbahntunnel der Welt. Nur entfaltet der begrenzten Nutzen, wenn auf deutscher Seite die Arbeiten nicht vorankommen. Und der Bahn droht das nächste Abenteuer in Baden-Württemberg nach dem Tiefbahnhof Stuttgart 21. Die Stimmung entlang der Strecke ist aufgeheizt.

Die Lage ist misslich, auch für die Bundesregierung. Denn die Bundesrepublik hat sich im Vertrag von Lugano schon 1996 der Schweiz gegenüber verpflichtet, das eigene Schienensystem für die Güterzüge aus der Schweiz zu ertüchtigen. Das Projekt gilt - trotz seiner Kosten von 5,7 Milliarden Euro allein für das Stück im Rheintal - als extrem wirtschaftlich. Erst vor einem Monat machte sich eine Schweizer Delegation auf nach Berlin, um das Vorhaben zu beschleunigen. Allerdings brachte sie nicht viel zurück: Zwar halte der Bund an dem Projekt fest - wann es aber fertig werde, lasse sich noch nicht genau sagen.

Kompetenzgerangel droht

Wohl wahr. Denn nun zieht zunächst ein Streit über die Kompetenz der Freiburger Behörde auf. Herrin des Verfahrens sei allein das Eisenbahnbundesamt, heißt es im Bundesverkehrsministerium. Aufgabe des Regierungspräsidiums Freiburg sei es lediglich, "als Vermittler einen Interessenausgleich zu erwirken". Nun aber kommt eine Vermittlung erst gar nicht zustande - schließlich ist das Anhörungsverfahren schon abgebrochen, noch ehe es richtig begonnen hat. Es droht ein Kompetenzgerangel, und das kostet weitere Zeit.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) dürfte der Entscheid seines Regierungspräsidenten derweil im Hinblick auf die Landtagswahl am 27. März nicht ungelegen kommen, zumal Offenburg und andere betroffene Kommunen von CDU-Politikern regiert werden, die sich ebenfalls gegen die Bahnpläne ausgesprochen haben. "Stuttgart 21 passiert mir kein zweites Mal im Leben", sagte Mappus erst Montag in Heilbronn. "Die Betroffenen miteinzubeziehen, ist die Lehre aus Stuttgart 21." Der Opposition blieb nichts anderes, als dem Ministerpräsidenten da zuzustimmen.

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