Süddeutsche Zeitung

Infrastruktur:Vodafone attackiert die Telekom beim schnellen Internet

Lesezeit: 4 min

Von Benedikt Müller, Düsseldorf, und Jan Schmidbauer

Telekom und Vodafone, das sind noch zwei echte Rivalen: Beide Marktführer haben jeweils mehr als 30 Millionen Handy-Kunden in Deutschland. Leidenschaftlich diskutieren die Unternehmen darüber, wie sie endlich mehr Menschen mit schnellem Internet versorgen wollen. Die beiden Chefs der Unternehmen werfen sich dabei in munterer Regelmäßigkeit vor, entweder zu wenig in den Netzausbau zu investieren - oder aber in die falsche Technik. Telekom und Vodafone stehen in einem ähnlich Verhältnis wie Dortmund und Schalke im Fußball: Sie sind erbitterte Rivalen. Und nun wird diese Rivalität noch schärfer.

Mit einer riesigen Übernahme will Vodafone die Telekom beim schnellen Internet übertrumpfen. Für 18,4 Milliarden Euro will sich das Unternehmen das Kabelnetz des US-Konzerns Liberty Global in Deutschland und einigen Staaten Osteuropas sichern. Das haben die Unternehmen am Mittwoch bekannt gegeben. Sollten die Kartellbehörden zustimmen, wäre es die größte Fusion, die der europäische Telekommunikationsmarkt seit Jahren gesehen hat. Vodafone würde sich durch die Übernahme der Liberty-Anteile dessen Tochter Unitymedia einverleiben, die TV-Kabelnetze in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen betreibt. In allen anderen deutschen Bundesländern hat Vodafone bereits Millionen Kabelkunden.

Durch den Zusammenschluss würde ein Gigant im Kabelbereich entstehen. Zusammengerechnet haben Vodafone und Unitymedia etwa 25 Millionen Kabelanschlüsse im Land. Etwa 14 Millionen Kunden nutzen dieses Netz derzeit zum Fernsehen und zahlen dafür etwa 20 Euro pro Monat. Geht die Fusion durch, stiege Vodafone zum mächtigsten Fernsehanbieter in Deutschland auf. Vor allem aber haben die Kabelnetzbetreiber ihre Technik in den vergangenen Jahren derart aufgerüstet, dass Nutzer damit auch telefonieren und surfen können - letzteres deutlich schneller als mit den meisten Anschlüssen der Telekom, die zumindest auf den letzten Metern ins Haus auf älteren Kupferkabeln basieren. Schon heute nutzen etwa sieben Millionen Nutzer diese Internettechnik.

Und der Fortschritt soll weitergehen. Bis zum Jahr 2022 wollen Vodafone und Unitymedia ihr Netz derart aufrüsten, dass Internetkunden bis zu einen Gigabit Daten pro Sekunde herunterladen könnten. "Wir helfen so auch der Bundesregierung, ihre Gigabit-Ziele für 2025 noch schneller zu erreichen", sagte Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland. Laut Koalitionsvertrag soll jeder Haushalt in Deutschland bis zum Jahr 2025 mit dieser Geschwindigkeit surfen können.

Nach der Fusion hätte die Telekom erstmals einen Konkurrenten, der in allen Bundesländern auf eigenen Netzen schnelles Internet anbietet. Entsprechend gereizt fällt die Reaktion des Bonner Konzerns auf den bevorstehenden Deal aus. Telekom-Chef Tim Höttges, der die Pläne schon im Vorfeld kritisierte, sprach am Mittwoch von einer bevorstehenden "Remonopilisierung des Kabelmarkts". Das Vorhaben sei "wettbewerbsverzerrend". Welche Auflagen nach Ansicht der Telekom für die Fusion gelten müssten, wollte Höttges nicht beantworten. Der Konzern wolle seine Einwände bei den zuständigen Wettbewerbsbehörden vorbringen. Er werde "persönlich dafür kämpfen", dass die Telekom "nicht benachteiligt" wird, sagte Höttges.

Schon jetzt machen Vodafone und Unitymedia der Telekom mächtig Konkurrenz. Wie aus den Daten der Bundesnetzagentur hervorgeht, haben die beiden Kabelanbieter in den vergangenen Jahren Hunderttausende Internetkunden hinzugewonnen. Ihre Technik hat aber auch Tücken: Je mehr Geräte gleichzeitig einen Kabelanschluss nutzen, desto langsamer wird die Verbindung für jeden Einzelnen. Zudem ist das Hochladen von Daten per Kabel deutlich langsamer als ein Gigabit pro Sekunde. Viele Experten gehen deshalb davon aus, dass sich langfristig eher bis die Häuser verlegte Glasfaserkabel durchsetzen werden. Diese schnellen Leitungen bundesweit zu verlegen, wird aber noch Jahre dauern und etliche Milliarden Euro kosten. Vodafone setzt stattdessen auf eine - wenn auch beliebte - Brückentechnologie.

Unternehmen, die Glasfaserkabel bis in die Häuser verlegen, kritisieren den geplanten Zusammenschluss deshalb. So forderte der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas) Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dazu auf, die Fusion nicht zu genehmigen. Der Verband befürchtet, dass Vodafone und Unitymedia gemeinsam Größenvorteile hätten und künftig günstigere Preise anbieten könnten. Dies könne den echten Glasfaserausbau bis in die Häuser "erheblich erschweren", warnt der Verband. Die Kabelanbieter seien bereits im Vorteil, weil sie seit Jahren mit großen Wohnungsunternehmen kooperieren. Für viele Mieter gehört der Kabelanschluss zu den Nebenkosten dazu.

Die Bundesnetzagentur prüft, ob einige Anbieter zu viel Macht haben

Wann Vodafone die Übernahme von Unitymedia abschließen will, kann Deutschland-Chef Ametsreiter noch nicht absehen. Zunächst müssen die Wettbewerbshüter der EU die Pläne prüfen. Bislang hat das Bundeskartellamt stets verhindert, dass sich hiesige Kabelanbieter zu einem großen Unternehmen zusammenschließen. Ametsreiter betonte, dass die Fusion für die Kunden von Vorteil sei. "Im Wettbewerb schaffen wir eine echte bundesweite Alternative", sagte er.

Dass das Kabelnetz hierzulande nicht der Telekom gehört, hat historische Gründe: Als Deutschland vor zwei Jahrzehnten seine Bundespost privatisierte, bestand die EU-Kommission darauf, dass die Telekom ihre TV-Kabel verkaufen muss, um den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt zu beleben. Das Netz ging zunächst in neun regionalen Gesellschaften an verschiedene Investoren. Seit dem Jahr 2009 gehört Unitymedia mit seinem TV-Kabeln im Westen und Südwesten zum US-Konzern Liberty. Im Jahr 2014 übernahm Vodafone schließlich Kabel Deutschland, für etwa zehn Milliarden Euro. Mit der geplanten Fusion käme fast das gesamte Kabelnetz wieder unter ein Dach. Letzter verbliebener Konkurrent wäre die Tele Columbus aus Berlin, die neuerdings unter der Marke Pÿur auftritt.

Die Bundesnetzagentur prüft bereits, ob die Kabelnetzbetreiber in einigen Regionen eine marktbeherrschende Stellung auf dem Telekommunikationsmarkt erlangt haben. Die Behörde kann marktmächtige Unternehmen dazu zwingen, dass sie ihre Netze auch für Wettbewerber wie etwa 1&1 öffnen müssen - zu regulierten Anmietungspreisen. Bislang gilt hierzulande nur die Telekom als marktbeherrschend. "Es gibt auch Städte, in denen die Telekom nicht mehr das marktmächtige Unternehmen ist", sagte Behördenpräsident Jochen Homann am Dienstag. "Das kann auch ein TV-Kabelunternehmen sein." Die Netzagentur wird das Ergebnis ihrer Marktanalyse im nächsten Jahr vorstellen.

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