Süddeutsche Zeitung

Infrastruktur:Autobahn-Streit kann Steuerzahler eine halbe Milliarde Euro kosten

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Von Markus Balser, Berlin

Der Rechtsstreit um die drohende Pleite des privaten Autobahnbetreibers A1 Mobil könnte für den Bund teuer werden. Die Regierung geht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung davon aus, dass ein Vergleichsvorschlag des Landgerichts Hannover den Steuerzahler mehr als eine halbe Milliarde Euro kosten würde. Experten des Bundes hatten Regierungskreisen zufolge das vom Gericht vorgeschlagene neue Vergütungsmodell für den Autobahnbetreiber durchgerechnet und waren von den Folgen schockiert. Aus Sicht des Bundes würde das Konzessionsmodell damit "auf den Kopf gestellt", heißt es. Eine außergerichtliche Einigung sei vom Tisch.

Damit dürfte der Streit weiter eskalieren. Der private Autobahnbetreiber hatte den Bund vor einem Jahr auf 778 Millionen Euro verklagt. Das hatte in Deutschland eine Debatte über die Risiken bei der Privatisierung der Infrastruktur ausgelöst, die öffentliche Haushalte eigentlich entlasten sollten.

Das Autobahn-Teilstück zwischen Hamburg und Bremen galt einst als Vorzeigevorhaben öffentlich-privater Partnerschaften. Der private Betreiber baute es von 2008 bis 2012 auf 73 Kilometern auf eigene Kosten sechsspurig aus. Noch nie gelang das bei einem so langen Autobahnstück in so kurzer Zeit. Im Gegenzug sollten der Gesellschaft über drei Jahrzehnte ein Großteil der Lkw-Mauteinnahmen zufließen. Weil jedoch die Finanzkrise Wirtschaft und Güterverkehr einbrechen ließ, brachen auch die Erlöse ein. Der Betreiber fordert vom Bund die hohe Summe, um die eigene Pleite abzuwenden.

Die internen Berechnungen machen nun erstmals klar, welche Belastung auf die Regierung zukommen könnte. Der Vergleichsvorschlag des Gerichts vom Juni dieses Jahres bedeutet zwar keine Vorwegnahme eines Urteils - der Rechtsstreit wird an diesem Freitag mit offenem Ausgang fortgesetzt. Das Gericht machte jedoch mit dem Vorstoß klar, was es die für beide Seiten wirtschaftlich sinnvollste Variante hält. Es geht davon aus, dass auch eine Pleite des Autobahnbetreibers ein Finanzrisiko für den Bund darstellen würde, und legte der Regierung deshalb nahe, über die Laufzeit von 30 Jahren einer höheren Vergütung für den Betreiber zuzustimmen.

Die Bundesregierung bleibt dennoch bei ihrer harten Haltung und lehnt eine höhere Zahlung an den Betreiber strikt ab. "Die von der A1 Mobil vor Gericht erhobenen Ansprüche werden sowohl von der für das Verfahren zuständigen Auftragsverwaltung des Landes Niedersachsen als auch vom BMVI für unbegründet erachtet", teilte das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur am Donnerstag mit, ohne sich zu den Inhalten des Rechtsstreits zu äußern. A1 Mobil signalisiert weiter Gesprächsbereitschaft für einen Vergleich, will sich zum Verfahren aber ebenfalls nicht äußern. Eine gütliche Einigung sei bislang nicht zustande gekommen, sagte ein Gerichtssprecher in Hannover. Denkbar sei nun, dass das Gericht am Freitag einen Beweisbeschluss verkünde. Dies geschehe, wenn das Gericht zur Entscheidungsfindung noch Tatsachen aufklären müsse. Auch ein Urteil sei möglich.

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Quelle:
SZ vom 07.09.2018
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