Insgesamt verdeutlicht der Aufstieg der Influencer, was Koch eine "Banalisierung der Profession" nennt: Die Digitalisierung ermöglicht Menschen, sich auf Feldern zu betätigen, für die man früher eine fundierte Ausbildung absolviert hat. Das betrifft Unternehmensberater, Produktentwickler, Filmemacher, Werber und den Journalismus. Dass ihnen plötzlich Laien Konkurrenz machten, sei für Profis aller Branchen oft "schwer zu ertragen", sagt Koch. Die Herausforderung für die Wirtschaft sei, damit umzugehen: "Unternehmen müssen lernen das Disruptive zu ertragen, die Konkurrenz von neuer Seite anzunehmen." Dann könne man eigene Schwächen erkennen und seine Marktposition verbessern.
Dennoch bleibt die Frage, wie aus ein paar Teenagern mit Tagesfreizeit ein zentraler Faktor in der Wirtschaft werden konnte. Die Geschichte von Oguz Yilmaz illustriert das ganz gut. Yilmaz war Teil des Comedy-Trios Y-Titty, das von 2006 bis 2015 einen der erfolgreichsten Youtubekanäle in Deutschland betrieb. Das Gesamtwerk von Y-Titty lässt sich so zusammenfassen: 3,1 Millionen Youtube-Abonnenten, eine Milliarde Videoaufrufe, ein Album in den Charts, zwei Bücher in den Bestsellerlisten, ausverkaufte Live-Tour. Und reihenweise Produktplatzierungen, Kooperationen, Werbeverträge.
"Ich stamme noch aus einer Zeit, da hat kaum jemand auf Youtube Geld verdient", sagt er heute. Das klingt ein bisschen wie "Opa erzählt vom Krieg", doch im Internet ist das Entwicklungstempo hoch, da kann auch ein schmaler 26-Jähriger mit Dreitagebart schon ein Veteran sein. Yilmaz heckte von 2008 an mit zwei Freunden lustige Videos aus, bald steckten sie ihre ganze Energie in den Youtube-Kanal.
"Schleichwerbung" lautet ein häufiger Vorwurf gegenüber Influencern
Ihr Antrieb war damals nicht das Geld, sondern die Leidenschaft für Videos und Unterhaltung. Sie brachten sich alles selbst bei: die Konzeption, das Filmen, den Schnitt. Bis heute typisch für Influencer: "Viele durchlaufen eine Art öffentliche Ausbildung. Sie bauen Reichweite auf und lernen Schritt für Schritt", sagt Yilmaz. Auch, wie sie mit Unternehmen Geschäfte machen können. Tatsächlich waren Y-Titty mit die ersten Youtuber, die mit großen Unternehmen kooperierten. Coca-Cola, der Computerspiele-Entwickler EA und Samsung gehörten dazu. Y-Titty zogen aus der Oberpfalz in die Youtuber-Hochburg Köln, sie verdienten beachtliche Summen für drei Jungs, die nach der Schule einfach nur gemacht hatten, worauf sie Lust hatten.
Mit der Professionalisierung der Influencer kamen die Rufe nach Regulierung. Schließlich erreichen Youtuber, Instagram- und Snapchat-Stars oft ein junges Publikum, das besonders empfänglich für Werbebotschaften ist. "Schleichwerbung" lautet der häufige Vorwurf. Die gesetzlichen Regeln sind unklar - kürzlich urteilte das Oberlandesgericht Celle, dass Werbung sofort als solche erkennbar sein muss. Der Hashtag "#ad" als englische Abkürzung für Werbung reiche nicht.
Oguz Yilmaz ist immer noch im Influencer-Geschäft, er betreibt heute die Agentur Whylder und vermittelt zwischen Firmen und Influencern. Die Agentur konzipiert Kampagnen und berät Unternehmen in Sachen Social Media. Yilmaz sagt, Nutzer seien längst sensibilisiert. Wenn ein Influencer ein Produkt in die Kamera halte und sich sonst nicht dafür interessiere, merkten sie das. "Im Influencer-Marketing ist schon viel Geld verbrannt worden." Bei Coral weiß man wohl, was er meint.