Inflation:Die Preise steigen - die EZB muss jetzt handeln

Europäische Zentralbank

Die Preise steigen: der EZB-Turm in Frankfurt

(Foto: dpa)

In der Euro-Zone springt die Inflation auf 1,8 Prozent, das ist so hoch wie seit drei Jahren nicht. Die EZB muss ihre Geldpolitik anpassen.

Kommentar von Markus Zydra

Die Preise in der Euro-Zone steigen so stark wie seit drei Jahren nicht mehr. Die Verbraucherpreise erhöhen sich um 1,8 Prozent, so hoch war die Inflation zuletzt im Frühjahr 2013 (PDF). In Deutschland sind die Preise im Januar sogar um 1,9 Prozent gestiegen. Die Verbraucher mögen das nicht, denn sie erhalten in den Geschäften weniger für ihr Geld. Die Sparer sind sogar doppelt gekniffen. Die Null- und Niedrigzinsen auf Einlagen belasten mehr als genug, jetzt kommt die Inflation als Wertvernichter noch oben drauf. Viele Deutsche haben genug davon.

Das sorgt für Streit. Deutsche Politiker und Wirtschaftswissenschaftler fordern, die Europäische Zentralbank (EZB) solle ihre lockere Geldpolitik endlich beenden. Doch die Notenbank pumpt unbeeindruckt Monat für Monat ihre Milliarden ins Finanzsystem. Die aktuellen Inflationsdaten geben den Kritikern der EZB nun noch bessere Argumente. Steigende Inflationsraten gelten als Ausdruck der wirtschaftlichen Normalisierung. Tatsächlich wächst die Euro-Zone ökonomisch endlich wieder. Die letzten stürmischen Ausläufer der globalen Finanzkrise, die vor einer Dekade begonnen hat, scheinen abzuziehen. Die Kritiker fordern von der EZB deshalb: Aufhören!

Die EZB aber ist Gefangene ihres Korsetts. Sie hat sich das Ziel gesetzt, im Euro-Raum eine Inflationsrate von zwei Prozent zu erreichen. Hat sie das jetzt fast geschafft, wenn im Januar die Preise um 1,8 Prozent gestiegen sind? Nein, ein einzelner Monatswert spielt für die EZB keine Rolle. Für sie zählt, dass die Inflation über einen längeren Zeitraum hinweg im Schnitt bei zwei Prozent liegt. Schätzungen zufolge wird die Euro-Zone dieses Ziel erst 2020 erreichen - wenn überhaupt. Und zu welchem Preis? Die Immobilienmärkte und die Aktienbörsen drohen angesichts des billigen Geldes schon jetzt zu überhitzen.

Es gäbe gute Argumente, von diesem Zwei-Prozent-Ziel abzurücken. Man sieht in allen Industriestaaten, dass die Inflationsraten in diesen Wirtschaftsräumen weit unter den früheren Werten liegen. Womöglich verfolgt die EZB ein Ziel, das sich gar nicht mehr erreichen lässt. Doch diese Diskussion wird im EZB-Entscheidungsgremium nicht einmal geführt. Die EZB ist ein Tanker, der unter allen Umständen den Kurs hält, den man sich vorgegeben hat. Auch wenn am Horizont die Silhouette eines Eisbergs sichtbar wird. Zwei Prozent, basta!

Diese Basta-Attitüde wurde im Dezember 2016 besonders deutlich. Damals hat der EZB-Rat das eigentlich im März auslaufende Ankaufprogramm für Anleihen bis Ende dieses Jahres verlängert. Insgesamt 2,2 Billionen Euro wird die Notenbank bis dahin in den Markt gepumpt haben. Doch Draghi und die Kollegen wussten da schon, dass die Inflation im Januar stark ansteigen würde.

Die EZB hat Angst vor der eigenen Courage

Der Hauptgrund für den Preisruck sind die Entwicklungen an den Rohstoffmärkten. Vor exakt einem Jahr notierten die Ölpreise auf einem Rekordtief. Nun liegen sie deutlich höher. Die Inflation musste also rein mathematisch im Jahresvergleich deutlich klettern. Dennoch verlängerte die EZB ihr Programm. Warum nur?

Die EZB hat Angst vor der eigenen Courage. Sie traut es den finanzschwachen Euro-Staaten nicht zu, mit steigenden Zinsen umzugehen. Der Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik könnte zudem an den Börsen für Turbulenzen sorgen. Dieses Risiko möchte man auch nicht eingehen, obwohl Europas Finanzwirtschaft irgendwann sowieso ohne weitere EZB-Hilfen auskommen muss. Außerdem: Je länger diese Hilfen gewährt werden, desto größer wird der Gewöhnungseffekt.

Die EZB hat in den vergangenen Jahren viel getan, um die Euro-Zone zu stabilisieren. Im Sommer 2012 hat EZB-Präsident Draghi die Währungsunion durch seine berühmte Londoner Rede sogar gerettet. Das haben mittlerweile auch die meisten Deutschen verstanden. Doch jetzt ist die EZB dabei, ihren ordentlichen Ruf durch Halsstarrigkeit zu riskieren.

Die Inflationsraten in Deutschland und Europa steigen. Die EZB muss deshalb eine Debatte über den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik beginnen. Doch Draghi weigert sich und bezeichnet eine solche Debatte zum gegenwärtigen Zeitpunkt sogar als "Luxusproblem", weil die Preissteigerungen in der Euro-Zone noch nicht nachhaltig seien.

Auch die EZB ist nicht unfehlbar

Es drängt sich ein anderer Verdacht auf. Die EZB möchte kaschieren, dass sie im Dezember eine übereilte und damit falsche Entscheidung getroffen hat. Denn jetzt, so kurz nach dem Beschluss, eine Debatte über den Ausstieg zu führen, würde genau das deutlich machen: Die EZB hat mit der Verlängerung des Ankaufprogramms einen Fehler gemacht.

Doch was wäre an diesem Eingeständnis so schlimm? Niemand ist unfehlbar. Man würde sich wünschen, dass die EZB hier mehr Souveränität zeigte. Das könnte sie sich wirklich erlauben. In der Sache ist diese Kehrtwendung sowieso geboten. Nur Mut, also!

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