Energie:"Europa braucht Antworten auf die USA"

Energie: BP-Managerin Anja-Isabel Dotzenrath: Der Konzern investiere in erneuerbare Energien, will der Welt aber weiter das Öl geben, das diese noch brauche.

BP-Managerin Anja-Isabel Dotzenrath: Der Konzern investiere in erneuerbare Energien, will der Welt aber weiter das Öl geben, das diese noch brauche.

(Foto: Johannes Simon)

Woher kommt die Energie der Zukunft? Die Amerikaner investieren viel Geld, um neue Technologien zu entwickeln. Für Europa könnte das zum Problem werden.

Von Nakissa Salavati, Berlin

Die "Salat-Eiscreme-Diät" nennt Anja-Isabel Dotzenrath diesen inneren Widerspruch. Was die Vorständin des Energie- und Öl-Konzerns BP damit meint: Einige Staaten werden auf die erneuerbaren Energien, also Salat, setzen, andere weiter nutzen, was sie haben. Eiscreme gleich fossile Energieträger. "China oder Indonesien etwa werden weiter Kohle verstromen." Für den Planeten eher eine schlechte Nachricht: "Eiscreme setzt am Bauch ordentlich an", sagt Dotzenrath beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung in Berlin.

Ganz von der Eiscreme lassen kann auch BP nicht: "Wir geben der Welt das Öl, das die Welt noch braucht und gleichzeitig investieren wir massiv in die neuen Energien", sagt Dotzenrath.

Geht das, Eiscreme essen und gleichzeitig schlank werden? BP gehört zu den Unternehmen, die wegen der hohen Nachfrage nach fossiler Energie stark profitieren. Der Energiekonzern hat etwa im zweiten Quartal 2022 seinen Gewinn verdreifacht, wegen der hohen Ölpreise und der sehr guten Margen im Raffineriegeschäft. Solche besonderen Gewinne sollen in der EU künftig besteuert werden. Das Geld könnten Staaten dann nutzen, um Strompreisbremsen zu finanzieren und Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.

Wie kommt das Land durch den Winter?

Solche Übergewinnsteuern sieht die Ökonomin Veronika Grimm aber kritisch. Für Unternehmen bedeute das eine Unsicherheit, weil diese das Geld dann nicht investieren können, etwa in erneuerbare Energien. "Und genau da fehlt es ja in Deutschland", sagt Grimm, die per Video zugeschaltet ist.

Klimaschutz ist längst auch im Wettbewerb ein Vorteil oder Nachteil, je nachdem. Die USA etwa stellen große Summen für die Entwicklung neuer Technologien bereit und halten ausländische Firmen fern. "Da muss man schauen, was Europa macht." Grimm glaubt, es brauche massive Investitionen, auch ein Handelsabkommen mit den USA hält sie für richtig, für das Bundeskanzler Olaf Scholz gerade erst warb. BP-Vorständin Dotzenrath wird noch etwas deutlicher: "Europa braucht Antworten auf die USA."

Akut ist in Deutschland freilich eine weitere Frage: Wie kommt das Land durch den Winter? Die Gefahr, dass es zu Versorgungsengpässen komme, sei nicht gebannt, glaubt Ökonomin Grimm und sie ist auch überzeugt: "Gas wird teuer bleiben. Wir werden in Europa mit höheren Gaspreisen zu tun haben als wir das gewohnt waren. Sparen bleibt wichtig." Grimm hat in der Expertenkommission für die Bundesregierung die Gaspreisbremse mitentwickelt. Bürgerinnen und Bürger zahlen im nächsten Jahr für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs nur zwölf Cent pro Kilowattstunde für Gas. Wer mehr nutzt, zahlt den vollen Preis - ein Anreiz zum Sparen, sagt Grimm.

Energie: Ökonomin Veronika Grimm, sie nahm am SZ-Gipfel per Videoschalte teil, glaubt, dass Gas teuer bleibt. Sparen müssen alle, sagt auch Christian Feuerherd, Vorstandschef von Vattenfall Wärme Berlin.

Ökonomin Veronika Grimm, sie nahm am SZ-Gipfel per Videoschalte teil, glaubt, dass Gas teuer bleibt. Sparen müssen alle, sagt auch Christian Feuerherd, Vorstandschef von Vattenfall Wärme Berlin.

(Foto: Johannes Simon)

Und sparen müssen alle, ist auch Christian Feuerherd überzeugt, Chef der Vattenfall Wärme Berlin. Das Unternehmen versorgt die Hauptstadt mit Fernwärme. "Wenn wir es schaffen, in Berlin 20 Prozent einzusparen, werden wir gut durch den Winter kommen", sagt er. Die Entlastungen für Kunden findet er gut, fürchtet aber, dass sie jetzt kommt, wenn die meisten Menschen - auch Mieter - die Belastungen noch gar nicht spüren. Seine Priorität sei tagtäglich die Versorgungssicherheit. "Aber natürlich machen wir uns auch Gedanken, woher die Energie von morgen kommt."

Energie: Moritz von der Linden will mit seiner Firma Marvel Fusion eine CO₂-freie Lösung für die Energiegewinnung entwickeln.

Moritz von der Linden will mit seiner Firma Marvel Fusion eine CO₂-freie Lösung für die Energiegewinnung entwickeln.

(Foto: Johannes Simon)

Eine Technologie für die Energiegewinnung der Zukunft will Moritz von der Linden gefunden haben. Der Gründer von Marvel Fusion will eine CO₂-freie Energielösung entwickeln. Bei dieser Technik wird die Verschmelzung zweier Atomkerne, die zum Beispiel in der Sonne geschieht, nachgebildet, ohne dass langlebige radioaktive Rückstände zurückbleiben. 350 Millionen Euro und drei Jahre bräuchte von der Linden, um einen ersten Vorläufer für ein Versuchskraftwerk zu entwickeln, bis zu zehn für eines, das wirklich als Prototyp gilt.

Wären solche Technologien die Lösung aller Probleme? Ökonomin Grimm glaubt das nicht: "Wir brauchen Technologie-Offenheit und müssen unsere Abhängigkeiten diversifizieren." Von der Linden hält dagegen: Technologie-Offenheit bedeute eben auch, breit zu investieren "und auch diversifizierte Abhängigkeit ist Abhängigkeit." Jetzt zähle im Ausbau und der Entwicklung neuer Energiegewinnung Geschwindigkeit. Die USA jedenfalls haben sie schon mal gesetzt.

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