Löhne:Arbeitgeber fordern Nullrunde für Millionen Metaller

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Bald wird über Lohnerhöhungen für Metall-Beschäftigte wie hier bei Porsche verhandelt. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Ärger in der größten Tarifrunde des Jahres: Aus dem Auto-Herzland Baden-Württemberg kommt die Ansage, höhere Löhne seien nicht drin. Die Beschäftigten sehen das wegen der Inflation ganz anders.

Von Alexander Hagelüken

Wenn bald über die Bezahlung für deutschlandweit vier Millionen Metall-Beschäftigte verhandelt wird, ist das ein großes Ringen. Schließlich geht es darum, wie nach dem Inflationsschock in zentralen Industrien wie Auto und Elektro verdient wird. Harald Marquardt, Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Baden-Württemberg, setzt gleich zu Beginn eine Duftmarke. „Auch wenn das einen Aufschrei gibt: Die richtige Zahl in der Lohnentwicklung wäre eine Null“, sagte Marquardt am Montag.

Eine Nullrunde bei den Löhnen trotz der hohen Teuerung der vergangenen Jahre? Marquardt begründet dies vor allem mit der schlechten wirtschaftlichen Lage vieler Firmen und der Gefahr, dass zentrale Industriebranchen künftig vor allem im Ausland investieren. 91 Prozent der Verbandsfirmen nennen demnach „hohe Arbeitskosten“ als besonders belastend für ihr Geschäft, noch vor Steuerlast, Energiepreisen und Bürokratie: „Wir haben ein Kostenthema, vor dem wir nicht die Augen verschließen können“, sagt Marquardt.

Die Arbeitnehmer wollen deutlich mehr Geld

Sein Vorstoß macht klar, dass es in der Tarifrunde zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft kommen wird. Die IG Metall verkündet kommenden Montag, wie viel Lohn sie fordern will. Sie hat gerade eine Umfrage unter mehr als 300 000 Beschäftigten veröffentlicht: Demnach erwarten die Arbeitnehmer deutlich mehr Geld, um die Folgen der Inflation auszugleichen. Drei Viertel der Befragten spüren die dauerhaft gestiegenen Kosten und wollen die Kaufkraft stärken.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland allein 2022 und 2023 um zusammen 13 Prozent. Die jüngste Tariferhöhung in der Metallbranche von 8,5 Prozent plus Inflationsprämie gleicht das laut der Gewerkschaft bei Weitem nicht aus.

80 Prozent der Beschäftigten halten die wirtschaftliche Lage ihres Betriebs für in Ordnung

Arbeitgeber Marquardt argumentiert dagegen, die Arbeitskosten in der deutschen Metallbranche seien mit 50 Euro pro Stunde europa- und weltweit „ganz oben“. In vielen Industrien verdienten die Arbeitnehmer bereits sehr gut. Trotz der jüngsten Teuerungswelle für die Bürger seien die Kosten in der Branche seit 2012 stärker gestiegen als die Verbraucherpreise. Außerdem gehe die Inflation zurück und befinde sich wieder in der Nähe der Zielmarke der Europäischen Zentralbank: „Wenn die IG Metall Lohnsteigerungen mit Einbußen der Beschäftigten begründet, hat sie keine Argumente“, sagt Marquardt.

IG-Metall-Chefin Christiane Benner hält dagegen: „Die Inflation mag sich abschwächen, die Preise bleiben aber hoch.“ Die Beschäftigten erwarteten von den Arbeitgebern spürbar sowie dauerhaft mehr Geld gegen den Preisdruck.

Und die konjunkturelle Lage in einer stagnierenden Gesamtwirtschaft? „Die Beschäftigten nehmen die Situation der Betriebe insgesamt deutlich positiver wahr, als es das aktuelle Wehklagen der Arbeitgeberverbände vermuten lässt“, sagt IG-Metall-Tarifvorständin Nadine Boguslawski. 80 Prozent der Beschäftigten halten die wirtschaftliche Lage ihres Betriebs für in Ordnung, die Hälfte davon sogar für gut oder sehr gut. 

Arbeitgeber Marquardt kontert mit einer Umfrage, der zufolge 38 Prozent der Unternehmen mit einer Umsatzrendite von unter zwei Prozent rechnen. Der Verhandlungsführer ist im Hauptberuf Chef des traditionsreichen Autozulieferers gleichen Namens – und will mit seinen Aussagen offenbar den Boden für harte Verhandlungen bereiten. Er räumt ein, dass die IG Metall sich nicht auf eine Nullrunde bei den Löhnen einlassen wird, wählt aber gleichzeitig kräftige Worte: „Die Forderung der IG Metall wird ohnehin zu hoch ausfallen“.

In Baden-Württemberg, wo Konzerne wie Daimler, Porsche oder Bosch beheimatet sind, wird – wie 2022 – oft der Pilotabschluss ausgehandelt, der dann für die Metallbranche in ganz Deutschland gilt. Deshalb sind Aussagen des dortigen Verhandlungsführers bedeutsam. Marquardt betont, es gehe in der kommenden Tarifrunde um den Standort Deutschland. 40 Prozent der Firmen erklärten in der Umfrage des Verbands, in den kommenden fünf Jahren werde sich der Anteil der Neuinvestitionen im Ausland erhöhen. Von den Firmen, die zunehmend im Ausland investierten, nannten 86 Prozent die Arbeitskosten als Grund – deutlich mehr als Steuern oder Fachkräftemangel.

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