Die Preise in Deutschland sind zuletzt wieder stärker gestiegen. Die Inflation betrug im Mai 2,4 Prozent, meldete das Statistische Bundesamt in seiner vorläufigen Prognose am Mittwoch. In den Vormonaten April und März betrug die Rate jeweils 2,2 Prozent. Im Februar waren es 2,4, im Januar noch deutlich höhere 2,9 Prozent. Besonders die Preise für Dienstleistungen sind gestiegen, so die Statistiker.
"Dass die Inflationsrate jetzt nicht weiter fällt, hat einerseits statistische Gründe. Die Einführung des Deutschlandtickets liegt jetzt ein Jahr zurück. Der damit verbundene preisdämpfende Effekt fällt somit aus dem Vorjahresvergleich heraus", sagt der ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. "Andererseits wäre es unzutreffend, die Hartnäckigkeit der Preisentwertung allein auf solche Basiseffekte zurückzuführen. Die Inflation der Dienstleistungen war zuletzt mit 3,4 Prozent noch voll im Gang. Beispielsweise steigen die Versicherungsprämien wegen hoher Kostenschübe etwa in der Pkw-Versicherung derzeit mit einer zweistelligen Rate", sagte Heinemann.
Eine weitere Ursache für den anhaltenden Preisdruck ist das Lohnwachstum in Deutschland. "Mit 6,2 Prozent konnten die Tarifverdienste im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahr kräftig zulegen", schreibt die Bundesbank in ihrem Monatsbericht. Unternehmen legen diese Mehrkosten meist auf die Preise ihrer Güter und Dienstleistungen um. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften, so die Bundesbank, würden sich zwischen sieben Prozent und 15 Prozent für zwölf Monate Laufzeit bewegen, was sehr hoch sei. Die Währungshüter rechnen daher in den kommenden Monaten mit schwankender, aber höherer Inflation.
Ähnlich sieht es in der ganzen Währungsunion aus: In der Euro-Zone lag die Inflation im April bei 2,4 Prozent. Die Mai-Zahlen werden am Donnerstag veröffentlicht. Sie könnten ebenfalls etwas höher als im Vormonat ausfallen. Insgesamt ist die Inflationsrate seit 2022 allerdings deutlich abgesunken, damals lag der Preisschub zeitweise bei zehn Prozent. Dennoch liegt die derzeitige Inflation immer noch über dem Zielwert der Europäischen Zentralbank (EZB): Dieser beträgt exakt zwei Prozent. Auch in der Euro-Zone insgesamt sind es die steigenden Löhne, die zu höheren Preise führen. Die Arbeitslosenrate in der Euro-Zone liegt auf dem niedrigsten Stand ihrer Geschichte. Das stärkt die Verhandlungsposition der Gewerkschaften - trotz der schwachen Wirtschaftslage in Europa.
Dennoch dürfte die EZB bei ihrer Sitzung kommende Woche den Leitzins wohl erstmals seit vielen Jahren wieder absenken. Es steht eine Absenkung von 0,25 Prozentpunkten im Raum - allerdings ist noch völlig offen, ob es in diesem Jahr noch zu weiteren Absenkungen kommen wird. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte in dieser Woche, die Notenbank werde den Leitzins das ganze Jahr "in der restriktiven Zone" halten. Weitere große Zinsschritte nach unten wären demnach ausgeschlossen. Der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, liegt seit September 2023 bei 4,5 Prozent. Der Einlagensatz beträgt vier Prozent. Er gilt der Notenbank als wichtigstes Steuerungsinstrument, weil damit die Überschussreserven der Banken verzinst werden.