Inflation:Die Preise steigen weiter

Inflation: Markt in Frankfurt/Main: Auch die Kosten für Lebensmittel sind in den vergangenen Monaten teils stark gestiegen.

Markt in Frankfurt/Main: Auch die Kosten für Lebensmittel sind in den vergangenen Monaten teils stark gestiegen.

(Foto: Lu Yang/imago images/Xinhua)

Die Inflationsrate liegt im Januar bei 4,9 Prozent und damit etwas niedriger als zuletzt. Dennoch benötigen die Deutschen deutlich mehr Geld, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Dynamik des Preisanstiegs in Deutschland hat sich zwar etwas abgeschwächt, doch noch immer müssen Menschen für ihren Lebensunterhalt tiefer in die Tasche greifen. Die Inflationsrate im Januar beträgt voraussichtlich 4,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Montag in seiner ersten Schätzung mitteilte. Experten hatten mit weniger gerechnet. Im Dezember lag die Geldentwertung bei 5,3 Prozent- das war der höchste Stand seit fast 30 Jahren. "Die Serie an negativen Inflationsüberraschungen reißt nicht ab. Erst wurde der Anstieg der Inflation unterschätzt, jetzt wird der Rückgang überschätzt", sagt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die Inflationsraten in Deutschland würden wohl das ganze Jahr oberhalb von zwei Prozent bleiben, so der Experte.

Vor allem die Preise für Energie (plus 20,5 Prozent) und Lebensmittel (plus fünf Prozent) haben erneut deutlich angezogen. Darunter leiden hauptsächlich die einkommensschwachen Haushalte. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) möchte deshalb wegen der stark gestiegenen Stromkosten die sogenannte EEG-Umlage schneller abschaffen als ursprünglich geplant. Die Menschen, so Lindner, spürten die Inflation, die auf die teure Energie zurückgehe. Die EEG-Umlage ist der Strompreis-Aufschlag für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Die Bundesregierung plant zudem, den Anstieg der Energiekosten mit einem Klimageld zu kompensieren. Die Mittel sollen aus den staatlichen Milliardeneinnahmen der CO₂-Bepreisung kommen. Ökonomen der spanischen Zentralbank haben allerdings festgestellt, dass ein Klimageld, das direkt an die Menschen ausgeschüttet wird, die Inflation zumindest in einer Übergangsphase noch stärker antreiben werde.

Die Debatte über die Preiseffekte der staatlichen Maßnahmen zum Erreichen der Klimaziele ist in vollem Gange. Die politisch gewollte Verteuerung des CO₂-Ausstoßes wirkt potenziell auf alle Sektoren der Wirtschaft. Der Umbau könne daher zu höherer Inflation führen, warnt EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Es ist ein Dilemma: Wenn steigende CO₂-Preise und Milliardeninvestitionen in grüne Technik die Inflation zu sehr anziehen lassen, müsste die Zentralbank wohl den Leitzins erhöhen. Das wiederum könnte Investitionen in die Klimawende ausbremsen und damit den Umbau hin zur CO₂-Neutralität verzögern.

Derweil hält die EZB an ihrer Nullzinspolitik fest. Dabei rechnen die Währungshüter für die Eurozone in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von 3,2 Prozent - was weit über dem angestrebten Ziel von zwei Prozent liegt. Doch Notenbankchefin Christine Lagarde geht davon aus, dass die Preisdynamik in diesem Jahr an Schwung verlieren werde.

Die EZB hat im Dezember beschlossen, das 1,85 Billionen Euro schwere Pandemie-Notprogramm wie geplant Ende März auslaufen zu lassen. Dennoch gehen die Anleihekäufe der Notenbank in doppelter Hinsicht weiter: Wenn fällige Staatsanleihen aus dem Pandemie-Notprogramm getilgt werden, steckt die EZB den Rückzahlungsbetrag erneut in den Bond-Markt. Darüber hinaus verdoppelt die Notenbank das immer noch existierende Anleihekaufprogramm aus der Draghi-Ära auf zeitweise 40 Milliarden Euro pro Monat.

Experten erwarten für den Herbst einen höheren EZB-Leitzins

Mit der Fortsetzung ihrer lockeren Geldpolitik steht die EZB unter den führenden Notenbanken ziemlich alleine da. Die Bank of England erhöhte angesichts der hohen Inflation von knapp fünf Prozent kurz vor Jahreswechsel als erste große Notenbank den Leitzins. Auch die amerikanische Federal Reserve wird in diesem Jahr die Zinsen erhöhen - dort lag die Inflationsrate zuletzt bei knapp sieben Prozent.

Die EU-Statistikbehörde Eurostat wird am Mittwoch die Januar-Inflationsrate für die Eurozone veröffentlichen. Im Dezember waren die Preise dort durchschnittlich um fünf Prozent geklettert - das war der höchste Wert seit Beginn der Inflationsmessungen für die Währungsunion im Jahr 1997. Am Donnerstag trifft sich der EZB-Rat, um auf Basis der aktuellen Zahlen über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Einige Mitglieder bezweifeln, dass der Inflationsdruck alsbald sinken könnte.

An den Finanzmärkten rechnen Experten angesichts der Preisentwicklung bereits für den Herbst mit einer Leitzinserhöhung der EZB, Notenbankchefin Lagarde hält offiziell aber weiter daran fest, dass dies frühestens 2023 geschehe. Der Chef des norwegischen Staatsfonds (Vermögen: 1,3 Billionen Dollar), Nicolai Tangen, warnte am Montag in der Financial Times, dass das Inflationsproblem nicht so schnell verschwinden würde. "Wir sehen in der ganzen Welt Preisanstiege, bei Lebensmitteln, bei Frachtraten, Metallen, Rohstoffen und auch bei Löhnen."

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