Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Stärkster Inflationsschub seit 1993

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In Deutschland steigen die Verbraucherpreise um 3,9 Prozent. Die Teuerungsrate könnte noch weiter anziehen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Inflation in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit fast 28 Jahren. Waren und Dienstleistungen waren im August durchschnittlich 3,9 Prozent teurer als im Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag zu seiner vorläufigen Schätzung mitteilte. Damit setzte sich der Preisschub der vergangenen Monate unvermindert fort. Zum Vergleich: Im Juni 2021 hatte die Inflationsrate noch bei 2,3 Prozent gelegen, im Dezember 2020 waren die Preise im Durchschnitt sogar gefallen. Die Bundesbank erwartet, dass die Inflationsrate hierzulande in diesem Jahr noch bis auf fünf Prozent klettern könnte.

Noch eklatanter ist der Preisschub schon jetzt in den USA: Dort haben die Verbraucherpreise zuletzt um 5,4 Prozent zugelegt. In der Euro-Zone sind die Verbraucherpreise im Juli mit 2,2 Prozent um den höchsten Wert seit 2018 gestiegen. Die aktuelle Inflationsrate für den August meldet die EU-Statistikbehörde Eurostat am Dienstag.

Ist die Entwicklung vorübergehend?

Die entscheidende Frage ist, ob es sich bei dem Preisauftrieb um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Die Bundesbank geht davon aus, dass die Inflation im nächsten Jahr niedriger ausfallen werde. Doch diese Prognose ist unsicher. Durch die Corona-Pandemie kam es zu Produktionsausfällen. Das knappe Angebot für bestimmte Güter, etwa Holz, wirkt preistreibend. "Wenn die Lieferengpässe lange vorherrschen, kann sich die Inflation verfestigen", sagte der Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier der Süddeutschen Zeitung. Falls sich dieser Inflationsschub fortsetze und sich die Teuerungsraten bei mehr als zwei Prozent einpendelten, müssten die Zentralbanken Farbe bekennen, so Brunnermeier. "Die amerikanische Federal Reserve ist bereit, höhere Inflationsraten zu akzeptieren. Die Frage ist, ob die EZB dabei mitzieht oder dem Beispiel der Bundesbank aus den 1970er-Jahren folgt, die damals hart blieb."

Die anziehenden Preise setzen die amerikanische Federal Reserve und die EZB unter Druck. Beide streben mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Doch die Zentralbanken haben in diesem Jahr beschlossen, zeitweise auch höhere Teuerungsraten zu akzeptieren. Dadurch haben die Währungshüter mehr Spielraum, die lockere Geldpolitik länger fortzusetzen. Einige Mitgliedsstaaten der Euro-Zone können ihre Haushaltsdefizite nur finanzieren, wenn die Zinsen nahe null Prozent bleiben.

Noch rechnen viele Experten damit, dass der Preisanstieg zeitlich begrenzt ist. Sie verweisen auf Sonderfaktoren: Weil Inflationsraten auf Jahresbasis verglichen werden, schlägt der massive Preisverfall des Vorjahres, ausgelöst durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, rechnerisch jetzt stark durch. Einfluss hatte zudem die Steuerpolitik: In Deutschland sind die Mehrwertsteuersätze zum Jahreswechsel wieder auf das übliche Vor-Corona-Niveau angehoben worden. Auch die Energiepreise zogen stark an, weil seit Anfang 2021 eine CO₂-Abgabe von 25 Euro je Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid fällig wird.

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