Teuerung:Inflation trifft Familien am stärksten

Eine Familie beim Spaziergang

Durch die Inflation müssen Familien mit mittlerem Einkommen deutlich mehr bezahlen, um den Alltag zu bestreiten.

(Foto: Philipp Schulze/dpa)

Der Preisanstieg in Deutschland beschert Familien 550 Euro Mehrkosten im Jahr - für Benzin, Heizung, Lebensmittel. Singles werden anteilig weniger belastet.

Von Alexander Hagelüken

Unter Forschern gab es kürzlich eine Kontroverse, ob Reiche in Deutschland stärker unter der Inflation leiden als Arme. Ergebnis: Das lässt sich kaum so sagen. Jetzt zeigt sich: Schaut man genauer hin, muss man sich mehr Gedanken um eine andere Gruppe machen. Die aktuell hohe Inflation trifft besonders Familien mit Kindern - auch aus der Mittelschicht.

Für Eltern mit zwei Kindern, die 3600 bis 5000 Euro netto im Monat verdienen, lag die individuelle Teuerungsrate im vergangenen Dezember bei 5,5 Prozent. Das war mehr als der allgemeine Anstieg der Verbraucherpreise von 5,3 Prozent. Auch Familien mit einem niedrigen Einkommen von 2000 bis 2600 Euro zahlten viel. Ganz anders Singles: Ihre Teuerungsrate war niedriger als die allgemeine Inflation, egal wie viel sie verdienten. Das geht aus dem Inflationsmonitor hervor, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) jetzt erstmals berechnet hat.

"In den vergangenen Monaten ist die Inflation hochgeschnellt", sagt IMK-Forscherin Silke Tober. "Die Teuerung trifft die Haushalte in Deutschland". Im Gesamtjahr 2021 stiegen die Verbraucherpreise um 3,1 Prozent - der stärkste Anstieg seit 30 Jahren. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die besondere Belastung der Familien keine Momentaufnahme darstellt", sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. Auch im Gesamtjahr 2021 lag die Teuerungsrate vierköpfiger Familien über der allgemeinen Inflation, egal wie viel sie verdienten. Stellt man sich vor, dass der Verdienst in Haushalten mit Kindern auf mehr Köpfe verteilt werden muss als bei Kinderlosen, sind die Auswirkungen in der Realität womöglich noch gravierender.

Singles treffen die steigenden Verbraucherpreise weniger hart

Die Europäische Zentralbank peilt eine Inflationsrate von zwei Prozent im Jahr an. Dadurch, dass die Verbraucherpreise 2021 stärker stiegen, hatte eine Familie mit mittlerem Einkommen 550 Euro Mehrkosten. Allein 120 Euro entfielen auf den Dezember.

Wofür geben die Familien mehr aus als vorher? Vor allem für Lebensmittel, Benzin, Heizung und Strom. Die Energiepreise standen im Dezember 18 Prozent höher als im Vorjahr. Wer mit Öl statt Gas heizt und einen Verbrenner fährt, hatte laut Studie sogar eine noch höhere individuelle Inflationsrate als der Durchschnitt.

Gut verdienende Singles dagegen geben von ihrem Einkommen weniger für Alltagsgüter wie Lebensmittel aus, aber auch für Haushaltsenergie. Deshalb treffen sie die steigenden Verbraucherpreise nicht so stark. Singles mit geringem Einkommen wiederum können sich oft kein Auto und keinen Urlaub leisten, sodass sie deren Teuerung notgedrungen weniger berührt. Zu dieser Gruppe gehören auch viele Rentner, die kein Auto mehr wollen oder wenig fahren. Der Benzinpreis spielt für sie keine große Rolle.

Anders ist es bei Familien: Auch wer wenig verdient, hat oft ein Auto und fährt viel, um zur Arbeit zu pendeln - und Kinder zur Kita oder zum Fußballtraining zu bringen. Die Verteuerung der Lebensmittel wirkt sich auf Familien mit geringem Einkommen ebenfalls stark aus.

Die IMK-Forscher machen trotz ihrer Ergebnisse Hoffnung. Sie erwarten, dass sich die Inflation dieses Jahr spürbar abschwächt. Auch rechnen sie vor, dass die Bürger finanziell von der besonders niedrigen Inflation im Corona-Jahr 2020 profitierten. Vor allem angesichts der hohen Energiepreise bleibt aber die Frage, ob die Regierung den Bürgern nicht helfen sollte - und wem genau.

Reiche Haushalte sind nach den IMK-Daten jedenfalls nicht überproportional belastet. Besonders auffällig ist die hohe Teuerungsrate der Mittelschicht. Ärmere Bürger trifft die Inflation ähnlich hoch. Sie haben ein zusätzliches Problem: Sie kaufen vor allem unverzichtbare Alltagsgüter und haben weniger Ersparnisse, auf die sie zurückgreifen können.

"Falls die Energiekosten hoch bleiben, sollte die Regierung handeln", fordert IMK-Direktor Dullien. "Viele Bürger leiden unter dem kurzfristigen Hochschießen der Preise." Neben Zuschüssen für Geringverdiener, insbesondere mit Kindern, macht er sich deshalb für ein Instrument stark, von dem breite Schichten etwas hätten: Die Mehrwertsteuer auf Energie vorübergehend zu senken, so wie es der langjährige Wirtschaftsweise Peter Bofinger vorschlägt. Das würde Haushalte allein bei der Gasrechnung um 270 Euro im Jahr entlasten.

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