Die Inflation in Deutschland ist im November auf 2,2 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in seiner Prognose bekannt gab. Tiefer in die Taschen greifen mussten die Verbraucher vor allem für Dienstleistungen wie Pauschalreisen und Versicherungen. Diese verteuerten sich erneut um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, so die Statistiker. Nahrungsmittel kosteten 1,8 Prozent mehr, Energie verbilligte sich dagegen um 3,7 Prozent. „Auch im Dezember dürfte die Inflationsrate in Deutschland und im Euro-Raum über zwei Prozent liegen. Weitere Zinssenkungen der EZB dürften damit eher ins nächste Jahr vertagt werden“, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust.
Im Oktober notierte die Teuerungsrate hierzulande noch bei 2,0 Prozent, auch das war ein deutlicher Anstieg gegenüber den beiden Vormonaten September (1,6 Prozent) und August (1,9 Prozent). Deutschland als größte Volkswirtschaft in der Euro-Zone hat einen starken Einfluss auf die Gesamtinflation in der Währungsunion, wo die Inflation im Oktober ebenfalls auf 2,0 Prozent geklettert war. Das Statistikamt Eurostat wird die Inflationszahl für den November am Freitag veröffentlichen. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von exakt 2,0 Prozent an und erwartet, im nächsten Jahr dieses Ziel zu erreichen.
Die EZB-Währungshüter hatten mit stärkeren Preissteigerungen im November gerechnet. Da Inflationsdaten im Jahresvergleich berechnet werden, erzeugen die schwankenden Energiepreise einen statistischen Basiseffekt. Allerdings sorgen Lohnzuwächse und steigende Preise im Dienstleistungsbereich für einen anhaltenden Preisschub. Vor allem Nahrungsmittel sind betroffen, während Energiepreise zurückgegangen sind.
Mitte Dezember wird die EZB über weitere Leitzinssenkungen entscheiden. Die Notenbank hat den wichtigsten Leitzins, den Einlagensatz, seit dem Sommer in drei Schritten auf aktuell 3,25 Prozent abgesenkt. Die Debatte, ob zum Jahreswechsel ein weiterer Zinsschritt folgt und wie stark der ausfallen soll, ist im vollen Gange. Der EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat sich zur Stützung der Wirtschaft für weitere Zinssenkungen ausgesprochen. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel plädierte für Umsicht. „Ob im Dezember ein weiterer Zinsschritt folgen wird, entscheiden wir auf Basis der dann vorliegenden Daten“, sagte Nagel. Es gelte weiter vorsichtig zu sein und „die Geldpolitik nur graduell und nicht zu schnell zu lockern“. Es gebe nach wie vor Risiken. So sei nicht auszuschließen, dass das Lohnwachstum langsamer zurückgehe als erwartet. Ähnlich vorsichtig äußerte sich die einflussreiche EZB-Direktorin Isabel Schnabel. EZB-Direktor Piero Cipollone und Portugals Notenbankchef Mário Centeno haben sich hingegen klar für weitere Zinssenkungen ausgesprochen. Die Finanzmärkte erwarten starke Leitzinssenkungen, sie rechnen damit, dass der Einlagensatz im Dezember 2025 bei 1,75 Prozent liegt.
Inzwischen haben angesichts rückläufiger Inflation alle wichtigen Notenbanken die Leitzinsen gesenkt. Allerdings bleiben die negativen Konsequenzen des mehrjährigen Preisschubs bestehen, weil die Lebenshaltungskosten enorm gestiegen sind. Nicht in allen Branchen können höhere Löhne das Minus kompensieren. Der Preisschub der vergangenen Jahre wurde vor allem durch Produktions- und Lieferstopps während der Corona-Pandemie ausgelöst, später verstärkt durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Güter und Rohstoffe waren knapp. Verbraucher mussten für Lebensmittel und Energie deutlich mehr bezahlen. Die Inflation stieg 2022 zeitweise auf mehr als zehn Prozent. In der Folge forderten Gewerkschaften wegen der Inflation hohe Lohnsteigerungen, was nach Ansicht der Währungshüter den Preisdruck aufrechterhielt.