Verbraucherpreise:Wer die Inflation besonders spürt

Einkauf im Supermarkt

Die größten Preistreiber sind Lebensmittel und Energie. Kommt es in diesen beiden Bereichen zu Preiserhöhungen, spüren das Haushalte mit niedrigeren Einkommen besonders stark.

(Foto: Florian Peljak)

Für manche Bürger ist die Belastung im August stark gestiegen, während andere wenig betroffen sind. Wenn die Regierung nicht handelt, könnte die soziale Spaltung zunehmen.

Von Alexander Hagelüken

Wenn in wenigen Tagen die Inflationsdaten für September bekannt werden, dürfte eines unverändert bleiben: Dass die Inflation hoch ist. Wahrscheinlich nahm sie sogar zu, weil Ende August sowohl der Tankrabatt als auch das Neun-Euro-Ticket ausgelaufen sind. Benzin und Bahnfahren wurden damit deutlich teurer. Die Verbraucherpreise treffen die Deutschen nach wie vor. Und wie neue Berechnungen zeigen, treffen sie manche nach wie vor ganz besonders.

So spüren Familien mit niedrigem Einkommen die stärkste Belastung. Für ihre üblichen Ausgaben mussten sie im August 8,8 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor, rechnet das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) vor. Das war deutlich mehr als die offizielle Inflationsrate, also der Verbraucherpreisindex über alle Haushalte, der im August im Vergleich zum Vorjahresmonat bei 7,9 Prozent lag. Bei dieser Gruppe, die Paarfamilien mit zwei Kindern und einem Einkommen von netto 2000 bis 2600 Euro im Monat abbildet, ist die Kasse ohnehin knapp. Wenn sie auch noch übermäßig von Preissteigerungen betroffen sind, macht es für sie das Leben besonders schwer.

Der Inflationsmonitor des IMK-Instituts zeigt erneut, dass es in Deutschland ziemliche Unterschiede gibt. So wenden auch Alleinerziehende mit niedrigem Einkommen mehr für ihre üblichen Ausgaben auf, als es die offizielle Teuerungsrate vermuten lässt. Auch Paare mit oder ohne Kinder und mittleren Einkommen treffen die Preissteigerungen überdurchschnittlich.

Ganz anders ist es für jene, die am meisten verdienen. Gut verdienende Singles, die über mehr als 5000 Euro netto monatlich verfügen, spüren nur eine individuelle Teuerungsrate von 6,7 Prozent. Das ist deutlich weniger als die allgemeine Inflation und in der ganzen Gesellschaft der weitaus niedrigste Wert.

Der Unterschied in der individuellen Belastung hat sich im August noch vergrößert

Woher kommen die Unterschiede? "Die größten Preistreiber sind Energie und Lebensmittel", sagt IMK-Wissenschaftlerin Silke Tober. "Und diese machen bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil aus als bei Wohlhabenden." Restaurantbesuche oder andere Freizeitausgaben dagegen spielen bei Geringverdienern eine kleinere Rolle.

Die unterschiedlichen Konsummuster führen dazu, dass auch Familien mit hohem Einkommen weniger von den Preissteigerungen betroffen sind als solche mit wenig Verdienst. Ihre individuelle Belastung entspricht der allgemeinen Inflation. Das heißt auch, dass sie die hohen Preise stärker bemerken als Singles, die viel verdienen.

8,8 Prozent individuelle Inflation bei Familien mit niedrigem Verdienst gegenüber 6,7 Prozent für gut verdienende Singles: Der Abstand zwischen den beiden Extremen hat sich im August vergrößert. Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut hat auch ermittelt, für wen die individuelle Teuerung im August besonders zugenommen hat: für Singles mit geringem Verdienst. Dass im September das konkurrenzlos billige Neun-Euro-Ticket ausgelaufen ist, dürfte ihre Belastung noch gesteigert haben.

Die Bundesregierung hat ein drittes Entlastungspaket beschlossen, das den Bürgern angesichts des Preisschocks helfen soll. Es soll insgesamt sogar größer ausfallen als die beiden ersten Pakete. Doch wie sehr hilft es denen in Deutschland, die es am nötigsten haben? IMK-Direktor Sebastian Dullien sagt: "Für den Herbst sind neue Preisschübe absehbar, insbesondere beim Gas." Bisher wurden noch nicht alle Preissteigerungen von Energie an die Kunden weitergegeben. Dazu kommt ab Oktober die Gasumlage, die Haushalte trotz der Senkung der Mehrwertsteuer zusätzlich belastet. "Die Verbraucherpreise für Erdgas könnten allein durch die Kombination beider Maßnahmen um gut 15 Prozent steigen", so Dullien.

Diese Entwicklung könnte die soziale Kluft verstärken, weil Menschen mit wenig Geld überproportional viel für Energie ausgeben und deren Verteuerung besonders spüren. Die von der Bundesregierung angekündigten Maßnahmen gehen für Dullien "weitgehend in die richtige Richtung". Um die soziale Spreizung bei der Inflation zu bremsen, müsse die Regierung aber konsequent Energiepreisbremsen einführen. Damit meint Dullien die angekündigte Preisbremse für Strom und den anvisierten Gaspreisdeckel: "Wie sich die Inflation unter sozialen Aspekten entwickelt, hängt stark davon ab, ob die Regierung diese beiden Instrumente wirksam ausgestaltet."

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