Süddeutsche Zeitung

Inflation:Deutsche Sparer werden weiter leiden

Es gibt wieder mehr Inflation, aber das freut vor allem die EZB: Sie erreicht ihr Ziel - während das Vermögen der Sparer langsam aber sicher an Wert verliert.

Kommentar von Markus Zydra

Die Preise in Europa steigen wieder. Im September lag die Inflationsrate bei 0,4 Prozent. Das war der höchste Wert seit Oktober 2014. Für den August meldeten die Statistiker noch 0,2 Prozent, in den Monaten zuvor waren die Preise zum Teil sogar noch gesunken. Man muss bei Prognosen dieser Art zwar vorsichtig sein, aber einiges deutet darauf hin, dass die Phase der ultraniedrigen Preise vorbei ist. Schon im kommenden Jahr könnte die Inflationsrate in der Euro-Zone über ein Prozent steigen. Ein Stück Normalität kehrt dann zurück.

Diese Nachricht mag manchem Verbraucher missfallen. Höhere Ölpreise sind allen ein Gräuel, zumal die steigenden Energiekosten auch andere Waren verteuern. Dadurch erhalten die Bürger beim Einkauf künftig weniger für ihr Geld. Das Unverständnis darüber, warum die Währungshüter bei der Europäischen Zentralbank (EZB) in den vergangenen beiden Jahren alles versucht haben, um die Inflation in der Euro-Zone zu steigern, dürfte dann weiter zunehmen. Im privaten Haushaltsbuch sind die Preise dann am stabilsten, wenn sie gar nicht steigen. Sie dürfen sogar gerne sinken.

Doch Konsumenten und Geldpolitiker haben hier unterschiedliche Wahrnehmungen. Für die EZB ist eine Preisstabilität dann gegeben, wenn die Preise im Schnitt um knapp zwei Prozent steigen. Die Zentralbank in Neuseeland hat mit diesem damals revolutionären Zwei-Prozent-Ziel Anfang der Neunzigerjahre erstmals experimentiert.

Auch früher haben Sparer gelitten - sie haben es nur nicht bemerkt

Mittlerweile haben sich alle führenden Notenbanken der Welt dieser Definition von Preisstabilität angeschlossen. Man möchte einen Puffer zur Null-Linie haben. Dort beginnt die Deflation, also dauerhaft sinkende Preise. Die Notenbanker halten dies für gefährlich, weil die Wirtschaft dadurch in die Rezession getrieben würde. Das Argument: Unternehmen nehmen dann weniger Geld für ihre Produkte ein und müssen gleichzeitig die hohen Löhne bezahlen. Das, so die Befürchtung, führe zu Entlassungen und im schlimmsten Fall zu Konkursen.

Die steigenden Preise in Europa helfen der EZB. Sie kommt ihrem Inflationsziel näher. Zudem sind steigende Preise Ausdruck einer sich erholenden Wirtschaft. Die höheren Inflationsraten haben allerdings auch Einfluss auf die Renditen der Sparer. Durch die Nullzinspolitik der EZB liegen die Erträge nominal rekordniedrig. Allerdings unterschlagen die Kritiker dabei sehr gerne, dass die realen Renditen für Sparer, also nach Abzug der Inflation, im historischen Vergleich gar nicht so mickrig sind.

Ein Beispiel: Im Deutschland der Vor-Euro-Zeit mögen die Leitzinsen manchmal bei fünf Prozent gelegen haben. Allerdings konnte die Inflation dann auch 4,5 Prozent betragen. Sparer mussten also auch früher schon mal leiden. Man hat die niedrigen Erträge hinter dem hohen Nominalzins nur nicht so deutlich gesehen.

Doch jetzt droht anderes Ungemach. Die Inflation könnte schneller klettern, als die EZB ihre Leitzinsen erhöht. Vor allem deutsche Sparer wären betroffen. Hierzulande brummt die Wirtschaft, was die Preise stärker erhöht als in anderen Euro-Ländern.

Zudem zahlen die hiesigen Banken den Sparern im europäischen Vergleich ohnehin wenig. Die Bürger müssen sich darauf einstellen, dass die Nullzinsphase zusätzlich von empfindlicher Inflation überlagert wird. Man kann nicht davon ausgehen, dass EZB-Präsident Mario Draghi seine Geldpolitik sehr schnell ändert. Er fürchtet in diesem Fall Turbulenzen an den Börsen. Außerdem will er vermeiden, dass sich die Kreditkosten für klamme Euro-Staaten erhöhen.

Allerdings hat die EZB vor allem Einfluss auf die kurzfristigen Zinsen. Die langfristigen Zinsen orientieren sich in aller Regel an der Inflation. Das heißt: Sparer müssen ihr Geld länger binden - dann gibt es bei steigenden Teuerungsraten höhere Erträge. Eine andere Idee wäre, ein Teil des Geldes in Aktien zu investieren. Natürlich braucht man da starke Nerven, doch langfristig sollten die Börsenkurse steigende Güterpreise kompensieren.

Man kann sich jetzt aufregen über die Konsequenzen von Draghis Geldpolitik. Das bringt aber nichts. Die EZB ist mittlerweile Gefangene ihrer eigenen Maßnahmen. Sie kann ihre Geldschleusen nicht so schnell schließen, wie sie vielleicht möchte. Leitzinserhöhungen dürfte es frühestens 2018 geben. Diese würden wahrscheinlich, ähnlich wie in den USA, in sehr kleinen Schritten umgesetzt.

Doch viel wichtiger ist: Wenn die Preise weiter ansteigen, darf der Ausstieg der EZB aus der lockeren Geldpolitik kein Tabuthema mehr sein. Egal, wie die Finanzmärkte und manche Politiker reagieren. Es ist an der Zeit.

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SZ vom 19.10.2016/vit
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