Die Hoffnung war da bis zuletzt, doch „die Erholung in unseren Zielmärkten schreitet nur langsam voran“, musste Infineon-Chef Jochen Hanebeck bei der Vorstellung der jüngsten Geschäftszahlen einräumen. Sprich: Die Wirtschaft und damit auch Infineons Kunden sind nicht so in die Gänge gekommen, wie das Unternehmen und sicherlich auch die Politik sich das gewünscht hätten. Die Konsequenz: Die Nachfrage schwächelt, die Lager sind voll. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Hanebeck nun bloß noch 15 Milliarden Euro Umsatz.
Zweimal bereits hatte Infineon seine Ziele nach unten korrigieren müssen, doch sind die Münchner damit nicht allein. Die Liste der Unternehmen, die in jüngerer Zeit Mitarbeiter entlassen müssen, liest sich wie ein Who’s who der Tech-Branche. Googles Mutterkonzern Alphabet trennte sich in mehreren Wellen von insgesamt mehr als 12 000 Beschäftigten, beim Internethändler Amazon waren es sogar 27 000 Mitarbeiter, die gehen mussten.
Viele Technologie-Unternehmen bauen gerade Stellen ab
Die Facebook-Mutter Meta entlässt fast ein Viertel der gesamten Belegschaft, 21 000 Mitarbeiter sind betroffen von der ersten großen Entlassungswelle bei Meta/Facebook seit der Gründung 2004. Microsoft muss 13 000 Stellen abbauen, bei SAP, Deutschlands wichtigstem IT-Konzern, sollen dieses Jahr insgesamt 10 000 Stellen gestrichen werden. Hart erwischt es auch Intel, 15 000 Stellen sollen wegfallen, das ist jeder sechste Arbeitsplatz.
Die Gründe sind nicht überall gleich. Bei Amazon etwa schlug vor allem das Ende der Corona-Pandemie zu Buche. Während der Pandemie hatten mehr Menschen online bestellt, das ist inzwischen wieder zurückgegangen. Bei Infineon zeigte sich, dass die Chipkrise – unter anderem auch ein Nebeneffekt der Pandemie – inzwischen vorüber ist. Es gibt wieder genug Halbleiter, die Kunden orderten deshalb auch kurzfristiger als während der Zeit der Knappheit, heißt es bei Infineon.
Den Münchnern macht auch der Umsatzrückgang bei E-Autos in Deutschland zu schaffen. Für diese liefert Infineon wichtige Bauteile, genauso wie andere europäische Hersteller, etwa NXP oder ST Micro. Sie alle leiden unter dem schwachen Absatz von E-Autos. Infineon-Chef Hanebeck sieht jedoch Anzeichen dafür, dass die Talsohle erreicht ist, „der größte Teil der Korrektur liegt hinter uns“, sagte er. 2024 hält er für „ein Übergangsjahr“.
Dass es bei Infineon zu Stellenstreichungen kommen werde, war schon länger bekannt, nicht aber der Umfang. In Regensburg soll eine mittlere dreistellige Zahl an Jobs wegfallen. Sie sind Teil der nun genannten Gesamtzahl von 1400 Stellen, die ganz wegfallen, und weiteren 1400 Stellen, die in Länder mit niedrigerem Lohnniveau verlagert werden sollen.
Keine Standortschließung
Der Abbau in der bayerischen Stadt betrifft vor allem einen Fertigungsbereich. Insgesamt bleibe Regensburg ein zentraler Standort, versprach Hanebeck. Man richte ihn stärker auf Innovation aus. Damit sei er „für viele Jahre gesichert“. Zum Standort Dresden sagte der Infineon-Chef, dass dort weiter Jobs aufgebaut würden. Die Verlagerung von 1400 Jobs betrifft laut Hanebeck alle „Hochlohnländer“ von Nordamerika bis Asien.
Ob die Chipbranche so schnell zur Ruhe kommen wird, ist allerdings die Frage. Sogar beim Senkrechtstarter Nvidia, der mit seinen KI-Beschleuniger-Chips einen unerhörten Höhenflug an der Börse hingelegt hat, ziehen Wolken am Horizont auf. Zum einen gibt es wohl technische Probleme mit der angekündigten neuen Version der KI-Chips, die nicht rechtzeitig fertig wird. Zum anderen ermittelt das US-Justizministerium nach Klagen von Wettbewerbern gegen Nvidia. Es geht um Vorwürfe, der Konzern habe seine marktbeherrschende Stellung bei KI-Chips in unerlaubter Weise ausgenutzt, berichtet das US-Nachrichtenportal The Information unter Berufung auf regierungsnahe Kreise. Woran sich zeigt: Je schwieriger die Lage, desto härter die Bandagen, mit denen gekämpft wird.