Chipindustrie:Russen buhlen bei Merkel um Infineon

Seit Jahren bemüht sich der russische Mischkonzern Sistema vergeblich um einen Einstieg bei Infineon. Nun aktivieren die Russen politische Kanäle.

Die russische Regierung ist an einer Beteiligung des Moskauer Mischkonzerns Sistema an dem deutschen Chip-Konzern Infineon interessiert. Berliner Regierungskreise bestätigen, dass Moskauer Politiker schon vor einiger Zeit in Berlin nachgefragt hätten, ob sich der Bund eine Kapitalbeteiligung von Sistema bei Infineon vorstellen könne. Die Antwort der Regierung sei gewesen, sie könne eine Kapitalbeteiligung nicht unterstützen, weil dies Sache der Infineon-Aktionäre und des Managements sei.

Russland angeblich weiter an Infineon interessiert

Im Visier des Kremls: Das Logo des Chipherstellers Infineon, aufgenommen vor der Konzernzentrale in Neubiberg bei München.

(Foto: ag.ddp)

Die Bundesregierung könne sich aber vorstellen, dass beide Unternehmen auf technologischem Gebiet zusammenarbeiten und ein gemeinsames Unternehmen in Russland gründen.

Zugang zu westlichem Know-How

Infineon stellt elektronische Bauelemente für die Autoindustrie, aber auch für die Telekommunikation sowie für Pässe und Ausweise her. Die Aktien des Unternehmens, das mit 25000 Mitarbeitern drei Milliarden Euro umsetzt, liegen zu mehr als 80 Prozent im Streubesitz. Sistema ist ein Mischkonzern, der sich mit Telekommunikation, Informationstechnologie, Bank- und Versicherungsgeschäften, Immobilien, Einzelhandel und Medien beschäftigt.

Am Montag hatte die Financial Times Deutschland berichtet, Sistema wolle sich mit 29 Prozent an dem Münchner Unternehmen beteiligen. Staatspräsident Dimitri Medwedew und Premierminister Wladimir Putin hätten in Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) insistiert, dass Sistema eine Beteiligung an Infineon erhält.

Die Regierung in Moskau versucht schon lange, Zugang zu westlichem Know-How in der Hochtechnologie zu gewinnen. Im vergangenen Jahr hoffte die Moskauer Regierung, den angeschlagenen Autohersteller Opel unter ihren Einfluss zu bekommen. Mit Hilfe der Technologie der General-Motors-Tochter sollte die rückständige russische Autoindustrie modernisiert werden. Damals unterstützte Merkel die Pläne, die General-Motors-Tochter an ein Konsortium aus dem kanadischen Autozulieferer Magna und der russischen Sberbank zu geben. Der Deal war aber nicht zustande gekommen, weil der in die Insolvenz gerutschte US-Konzern General Motors einen Rückzieher machte. Man befürchte den unkontrollierten Abfluss von Technologie nach Russland, war die Begründung der Amerikaner dafür, die Abmachung mit Magna und Moskau doch nicht zu treffen und Opel als 100-Prozent-Tochter weiterzuführen.

Der Kreml hat auch wiederholt versucht, eine Beteiligung von Sistema an Infineon einzufädeln. Das Unternehmen Infineon, das einst zu Siemens gehörte, ist durch ein Tal der Tränen gegangen. Der Aktienkurs des Konzerns ist seit der Einführung an der Börse im Jahr 2001 auf ein Zehntel seines ursprünglichen Wertes zurückgefallen. Ende des vergangenen Jahres hatte der Sistema-Präsident Leonid Melamed in einem Interview mit der russischen Zeitung Komersant erklärt, seine Firma führe Verhandlungen über einen Einstieg bei Infineon.

Das Management von Infineon vermittelt allerdings den Eindruck, an einem Einstieg von Sistema nicht interessiert zu sein. "Wir wollen die nicht", heißt es bei Infineon. Ein Sprecher des Unternehmens sagt: "Wir führen keine Gespräche mit Sistema."Der maßgebliche Einstieg eines russischen Investors bei Infineon wäre ohne Einverständnis der Bundesregierung nicht zu bewerkstelligen. Das Unternehmen produziert sicherheitsrelevante Hochtechnologie, die militärisch genutzt werden könnte. Deshalb wäre bei einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent die Genehmigung durch die Bundesregierung notwendig. Das schreibt das Außenwirtschaftsgesetz vor.

Bei einer Beteiligung von unter 25 Prozent wäre aber auf der anderen Seite der Einfluss des Aktionärs auf die Geschäftspolitik des Münchner Chipherstellers nicht groß genug, um einen Technologietransfer nach Russland durchsetzen zu können.

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