Süddeutsche Zeitung

Infineon:Immer Ärger mit Washington

Der Bann der US-Regierung gegen Huawei trifft auch die Chiphersteller. Infineon könnte gerade noch glimpflich davonkommen.

Von Caspar Busse

Mit der amerikanischen Regierung hat das Halbleiterunternehmen Infineon bisher schon so seine Erfahrungen gemacht. Vor zwei Jahren hatte die Administration in Washington die Übernahme des Konkurrenten Wolfspeed untersagt. 850 Millionen Dollar wollte Infineon-Chef Reinhard Ploss in den Kauf der relativ kleinen Firma mit nur etwa 500 Mitarbeitern investieren, die aber hochspezialisierte Chips herstellt. Die USA hatten dann aber nationale Sicherheitsbedenken, weil Wolfspeed-Produkte auch in militärische Anwendungen stecken. Der Deal platzte, ein deutlicher Rückschlag für Infineon.

Nun kommen die Münchner, einer der wenigen großen Chipproduzenten mit Sitz in Europa, wieder unter Druck. Denn die US-Regierung hat einen Bann über den chinesischen Handy-Hersteller Huawei verhängt, wenn auch inzwischen mit einem Aufschub von 90 Tagen. Das Problem: Auch Infineon beliefert Huawei mit Chips.

Von den Deutschen in den USA produzierte Halbleiter können künftig also nicht mehr nach China geliefert werden. Infineon hatte vor einigen Jahren bereits die US-Firma Rectifier übernommen, mitsamt Produktionsstandort in den USA, dort werden unter anderem Bauteile für die Raumfahrt hergestellt. Infineon beliefert nun Huawei von Europa und Asien aus oder mit Produkten aus den Werken in China. Die Politik der US-Regierung ist aber unberechenbar. Ob es darüber hinaus zu weiteren Verschärfungen für Halbleiterhersteller kommt, ist derzeit offen. "Die Lage ist einigermaßen unübersichtlich", heißt es in der Branche. Die Aktien von Chip-Lieferanten gingen bereits nach unten, auch Infineon musste Verluste hinnehmen, die Aktie erholte sich am Dienstag aber wieder, nachdem der Bann wieder gelockert wurde.

Noch stärker als Infineon und die beiden europäischen Konkurrenten ST Micro und NXP (ehemals Philips) dürfte es jedoch die amerikanischen Chiphersteller treffen. Denn die brauchen nach Ablauf der neuen Übergangsfrist eine Erlaubnis der Regierung, wenn sie weiter an Huawei liefern wollen. Von den 70 Milliarden Dollar, die Huawei 2018 für den Kauf von Teilen ausgegeben hat, gingen immerhin etwa elf Milliarden an US-Firmen, darunter an die US-Hersteller Qualcomm, Intel oder Micron. 40 Prozent des weltweiten Chip-Bedarfs entfällt ohnehin auf China, das Land ist für die amerikanischen Firmen der wichtigste Markt. Infineon jedoch macht derzeit "nur" 25 Prozent des Umsatzes in China, was in Relation gering ist. Da die europäischen Anbieter an vielen Standorten produzieren, sind sie auch flexibler und können möglicherweise schneller auf die Veränderungen reagieren.

So auch Infineon: Das Dax-Unternehmen mit mehr als 40 000 Mitarbeitern - 1999 als Ausgliederung aus dem Siemens-Konzern entstanden - hat seine Zentrale zwar in München, stellt aber unter anderem in Dresden, in Villach/Österreich und in Melaka/Malaysia sogenannte Wafer her, also die Siliziumscheiben, aus denen dann die Chips gemacht werden. Weitere Endfertigungen unterhält der Konzern in China (Wuxi), in Malaysia (mit alleine 10 000 Mitarbeitern), in Regensburg oder in den USA. Wichtige Kunden für Infineon-Produkte kommen aus der Mobilfunk- und Energieindustrie, vor allem Hersteller von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen. Weniger als zehn Prozent des Umsatzes macht Infineon dabei mit Handy-Produzenten und Ausrüstern für die Mobilfunk-Infrastruktur, also mit Unternehmen wie Huawei. Früher war das mal deutlich mehr, dann aber hatten die Münchner die Mobilfunksparte an Intel verkauft.

Auch für das autonome Fahren sind Chips notwendig

Fast die Hälfte des Infineon-Umsatzes entfällt sowieso auf die Autoindustrie. Bei der Herstellung von Elektrofahrzeuge werden deutlich mehr Halbleiter verbaut als bei herkömmlichen Fahrzeugen. So stecken etwa in einem Tesla Chips im Wert von rund 700 Dollar, in einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor ist es nur die Hälfte. Auch für das autonome Fahren sind Chips notwendig. Gleichzeitig aber stockt derzeit die Autokonjunktur, auch im wichtigen chinesischen Markt. Infineon konnte den Umsatz in der Sparte zuletzt trotzdem verbessern, im abgelaufenen Quartal um acht Prozent. "Grund für den Anstieg waren eine bessere Nachfrage in den Bereichen elektrische Antriebe und Fahrassistenzsysteme", teilte der Konzern mit.

Alle Turbulenzen spielen sich vor dem Hintergrund einer sich allgemein abkühlenden Chip-Konjunktur ab. Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI) erwartet, dass das weltweite Wachstum des Halbleitermarktes von durchschnittlich knapp neun Prozent pro Jahr auf drei Prozent abnehmen wird. "Der Boom ist erst mal vorbei, wir gehen derzeit nicht von einer kurzfristigen Erholung der Nachfrage aus", sagte zuletzt auch Konzernchef Ploss. Die Prognose für das Wachstum von Infineon war bereits zuvor von elf auf fünf Prozent reduziert worden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4456468
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.05.2019/vit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.