Süddeutsche Zeitung

Chiphersteller:Infineon wagt den größten Zukauf der Firmengeschichte

  • Der Münchner Chiphersteller gibt neun Milliarden Euro für Cypress Semiconductors aus dem Silicon Valley aus.
  • Infineon wird damit zu den zehn größten Halbleiter-Konzernen der Welt gehören, als einzige Firma aus Europa.
  • An der Börse fällt die Aktie deutlich, die US-Behörden müssen noch zustimmen.

Von Caspar Busse

Reinhard Ploss, 63, hatte es eilig an diesem Montagvormittag. Erst präsentierte er das Neun-Milliarden-Euro-Geschäft den Analysten und den Journalisten - und dann musste der Vorstandsvorsitzende von Infineon schnell zum Flughafen, um noch die Maschine nach San Francisco zu erwischen. Denn noch am selben Tag wollte er auch noch zu einem Treffen mit den Mitarbeitern des US-Chipherstellers Cypress, um persönlich für Vertrauen zu werben.

Es ist einer dieser Mega-Deals, die es in der weltweiten Halbleiterbranche im Abstand von einigen Monaten zuletzt immer wieder gab. Doch das Überraschende ist, dass diesmal Infineon zugreift. Denn die Münchner waren bislang sehr zurückhaltend, wenn es um die ganz großen Geschäfte ging. Jetzt aber kauft Infineon die US-Firma Cypress Semiconductors und will dafür rund neun Milliarden Euro bezahlen, die größte Übernahme der Firmengeschichte. "Heute ist ein bedeutender Tag für Infineon", sagte Ploss. Die Übernahme sei ein "entscheidender Schritt". Cypress sei eine "ideale Ergänzung" zum bestehenden Angebot von Infineon. "Wir haben sehr wenig Marktüberlappung", betonte Ploss. So stellt die Firma aus dem kalifornischen San José vor allem elektronische Bauteile für vernetzte Geräte und Maschinen her, die untereinander kommunizieren. Und das, sagte Ploss, sei die Zukunft und verspreche viel Wachstum.

"Es ist ein stolzer Preis, keine Frage", räumt der Firmenchef offen ein

Vor allem aber wird der Infineon-Umsatz damit auf etwa zehn Milliarden Euro wachsen. Damit stehen die Deutschen künftig auf Platz acht in den Top Ten der weltgrößten Halbleiter-Hersteller - noch dazu als einziges Unternehmen mit Sitz in Europa. Infineon ist damit endlich wieder in der ersten Reihe, das ist wichtig in einer Branche, in der es vor allem auch auf Größe ankommt und in der die Wettbewerber durch immer neue Übernahmen immer weiter wachsen. Weltweit führend sind derzeit Samsung und Intel, es folgen mit Abstand einige US-Anbieter, zu denen Infineon den Abstand beim Umsatz nun aber deutlich verringern kann.

Aber es gibt auch Skepsis: Die Infineon-Aktie verlor am Montag nach der Nachricht um zeitweise 7,5 Prozent an Wert. Neun Milliarden Euro - das ist für den Dax-Konzern, der selbst nur auf 7,6 Milliarden Euro Jahresumsatz bei einem Gewinn von 1,1 Milliarden Euro kommt, eine enorme Zahl. Manchen erscheint die Summe zu hoch. "Es ist ein stolzer Preis, keine Frage", räumte Ploss ein. Aber die Summe sei "akzeptabel". Es werde etwa das 4,5-Fache des Cypress-Umsatzes gezahlt, bei anderen Übernahmen der Chipbranche sei es auch schon mal das Sechsfache gewesen. Zudem habe es auch andere Konkurrenten gegeben. "Wir waren nicht die einzigen", stellte Ploss klar.

Gleichzeitig steht die Weltkonjunktur derzeit vor einer Phase der Unsicherheit, und das bekommt traditionell die Chipbranche als eine der ersten zu spüren. Schon jetzt geht die Nachfrage beispielsweise aus der wichtigen Autoindustrie zurück, auch der große Boom bei Smartphones ist vorbei. Infineon musste seine Wachstumsprognose zuletzt bereits reduzieren. All das sei bei der Kaufpreisfindung schon berücksichtigt, heißt es bei den Münchnern. Finanziert werde das Geschäft zu einem Drittel mit neuem Eigenkapital, der Rest bestehe aus Bankkrediten und eigenen Barmitteln.

Und dann gibt es da noch eine weitere Unsicherheit: Werden die amerikanischen Behörden die Übernahme genehmigen? Infineon hat da bereits sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Vor zwei Jahren hatte die US-Administration in Washington die Übernahme des Konkurrenten Wolfspeed untersagt. 850 Millionen Dollar wollten die Deutschen in den Kauf der relativ kleinen Firma mit nur etwa 500 Mitarbeitern investieren, die aber hochspezialisierte Chips herstellt. Die USA hatten nationale Sicherheitsbedenken, weil Wolfspeed-Produkte auch in militärischen Anwendungen stecken. Der Deal platzte.

Trumps Handelsbann gegenüber China trifft nun auch Infineon

Diesmal sei die Sache anders, versicherte Ploss: "Wir haben ein gutes bis sehr gutes Gefühl." Zudem sei man mit den amerikanischen Behörden "in gutem Dialog", es bestehe bereits ein intensiver Austausch. Offenbar gehen die Münchner davon aus, dass die Produkte von Cypress als nicht so sicherheits-sensibel eingestuft werden. Gleichzeitig droht aber noch Gefahr von einer anderen Seite. Präsident Donald Trump hatte einen Bann über den chinesischen Handy-Hersteller Huawei verhängt, wenn auch inzwischen mit einem Aufschub von 90 Tagen. Amerikanische Chiphersteller dürfen also nicht nach China liefern, auch Infineon muss nun China von anderen Standorten außerhalb der USA bedienen. Ploss betonte, dass er die Handelskonflikte mit Sorge sehe und dies auch bei "der Bewertung des Deals in Betracht gezogen" worden sei. Nicht-amerikanische Lieferanten wie Infineon seien da aber im Vorteil. 2015 wurde bereits für drei Milliarden Dollar die US-Firma International Rectifier gekauft, die dann nahezu problemlos integriert wurde.

Infineon war vor 20 Jahren aus dem Siemens-Konzern entstanden und hat seitdem eine turbulente Zeit hinter sich, unter anderem ging die Speicherchip-Tochter Qimonda in Insolvenz. Unter der Führung von Ploss, der seit 2012 Vorstandsvorsitzender ist, stabilisierte sich das Geschäft. Der Konzern stellt Halbleiter vor allem für die Autoindustrie und die Energiebranche sowie für Hausgeräte aller Art her, auch Telekommunikationsunternehmen wie Huawei oder Apple werden beliefert. Mit Cypress könne Infineon zu einem "Komplett-Lieferanten" werden und am Boom bei vernetzten Maschinen teilhaben. Ein größerer Jobabbau sei nicht geplant, eher würden neue Mitarbeiter eingestellt. Cypress beschäftigt 5800 Menschen, Infineon mehr als 40 000.

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SZ vom 04.06.2019/vwu
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