Süddeutsche Zeitung

Infineon-Chef Peter Bauer:Es geht auch ohne die Russen

Abgeschrieben und jetzt wieder da: Infineon-Chef Bauer über die Auferstehung des Chipherstellers, das Interesse aus Russland und die Lehren aus der Führungskrise.

Caspar Busse und Martin Hesse

Schon seit längerem haben russische Investoren deutsche Technologieunternehmen im Visier. Gerade erst hat Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder Interesse signalisiert. Diskutiert wurde zuletzt offenbar besonders eine Beteiligung an Infineon, dem einzigen international bedeutenden Halbleiterunternehmen mit Sitz in Deutschland.

Doch die Münchner zeigen dem russischen Interessenten Sistema - der Mischkonzern mit 70.000 Mitarbeitern kann sich angeblich eine Beteiligung von bis zu 30 Prozent vorstellen - die kalte Schulter. "Es gibt keinerlei Gespräche zwischen Infineon und Sistema über eine Beteiligung", sagte Infineon-Vorstandschef Peter Bauer, 50, der Süddeutschen Zeitung.

Infineon sei ein globales Unternehmen, das die Wachstumschancen in aufstrebenden Märkten in den kommenden Jahren nutzen wolle, sagte er. Doch offenbar sieht er Russland nicht als wichtigsten Markt an. "Asien bietet für uns in den nächsten Jahren das größte Wachstumspotenzial", meinte Bauer. Zudem seien geschäftliche Kooperationen in der Halbleiterbranche ohne kapitalmäßige Verflechtung üblich, so handhabe Infineon es beispielsweise auch in China.

Beziehungen nicht gefährden

Das russische Konglomerat Sistema hatte in den vergangenen Jahren immer wieder um Infineon gebuhlt und angeblich zuletzt auch bei Kanzlerin Merkel die Chancen für einen Einstieg ausgelotet. Bauer sagte dazu: "Jeder kann unsere Aktien über die Börse erwerben, jeder außerhalb der Europäischen Union 25 Prozent minus eine Aktie."

Bei Infineon kann die Bundesregierung wegen deren Sicherheits-Sparte mitreden. In dem Bereich fertigen die Münchner unter anderem Chips für den Einsatz in Reisepässen und Personalausweisen. Wegen der sensiblen Kryptotechnologie müsste die Bundesregierung einen Einstieg von mehr als 25 Prozent durch einen ausländischen Investor genehmigen. Zudem ist Infineon auch ein wichtiger Zulieferer für die deutsche Autowirtschaft und hat enge Geschäftsbeziehungen in die USA. In beiden Fällen würde eine substantielle Beteiligung der Russen kritisch gesehen.

Noch Anfang vergangenen Jahres war Infineon auf der Suche nach einem Investor, doch inzwischen wurde eine Kapitalerhöhung erfolgreich platziert. Das Geschäft hat überraschend deutlich angezogen. Ende Juli wird Infineon über die abgelaufenen drei Monate berichten. Gerade hat Konkurrent Intel den besten Quartalsbericht der Geschichte veröffentlicht. Das Chipgeschäft, das extrem zyklisch ist, läuft derzeit also gut.

Bauer widerspricht dabei Befürchtungen, nun komme es wieder zu einem schnellen Abschwung. "Ich denke, der Aufschwung hält an", sagte der Infineon-Chef, der seit Juni 2008 Vorstandssprecher ist. Wenn es keinen weiteren globalen Schock gebe, werde auch das Halbleitergeschäft weiter zulegen. Bauer: "Wir erwarten, den Umsatz im nächsten Geschäftsjahr 2010/11 im hohen einstelligen Bereich zu steigern."

Bauer rechnet damit, dass Infineon in allen Sparten weiter wächst. Stärker als der Markt werde sich das Geschäft mit Halbleitern für Autos und die Industrieelektronik entwickeln. Nicht ganz so stark dürfte es dagegen bei Sicherheits- und Mobilfunkchips laufen. Derzeit sind die Kapazitäten bei Infineon voll ausgelastet.

Infineon investiere daher und baue die Kapazität weiter aus, auch im Werk Dresden. Am Ende des laufenden Geschäftsjahres werde sie um 20 Prozent höher liegen. Zudem komme dem Konzern der starke Dollar entgegen. "Im vierten Quartal werden wir noch stärker von der Abschwächung des Euro profitieren", meinte Bauer.

Infineon war im Winter 2008/2009 in eine existenzielle Krise geraten; an der Börse war der Konzern zeitweise nur noch 500 Millionen Euro wert, derzeit sind es wieder 5,7 Milliarden Euro. Nach der Insolvenz der defizitären Speicherchip-Tochter Qimonda gelang Infineon die Wende. Der Konzern beschaffte sich frisches Kapital und erzielt seit Ende 2009 wieder Gewinne.

Viel Geld gibt es nur ganz oben

"Wir haben ein wichtiges Etappenziel klar erreicht. Nun gilt es, die Profitabilität noch weiter zu steigern", kündigte der Konzernchef an. Ziel sei es, über Konjunkturzyklen hinweg durchschnittlich 15 Prozent Umsatzrendite zu erzielen. Insgesamt machte Infineon 2009 mit 25.000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von mehr als drei Milliarden Euro.

Auch der Aktienkurs des Dax-Unternehmens, der zuletzt deutlich gestiegen ist, sei immer noch nicht dort, wo er hingehöre. Bauer sagt dazu: "Es gibt noch immer einen gewissen Misstrauensabschlag bei Infineon, und das verstehe ich aus der Historie heraus ja auch. Wir sind ja erst seit relativ kurzer Zeit nachhaltig profitabel."

Bauer betonte: "Unser Ziel ist, in allen Geschäftsbereichen mindestens zu den drei Besten zu gehören, das haben wir erreicht." In den einzelnen Segmenten der Chipbranche verdienten normalerweise lediglich die beiden Marktführer ordentlich Geld, der dritte schon weniger und die anderen kaum noch. Um die Mobilfunksparte - in dem Bereich gilt Infineon weltweit als Nummer drei - hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Spekulationen gegeben.

Infineon hatte im Geschäft mit Halbleitern für den Mobilfunk lange rote Zahlen geschrieben und besonders unter der Pleite des Handy-Herstellers BenQ Mobile gelitten, dem früheren Handy-Geschäft des ehemaligen Mutterkonzerns Siemens. Dadurch war ein Großteil des Umsatzes weggefallen. Mittlerweile macht die Sparte wieder Gewinn, der Konzern ist mit fünf Herstellern im Geschäft, unter anderem auch mit Apple. Die Investmentbank JP Morgan prüfe nach Angaben aus Finanzkreisen einen Verkauf des Bereichs. Als möglicher Interessent gilt unter anderem Intel. Aber auch ein Joint Venture oder ein Börsengang gelten als Optionen. Bauer wollte zu den Spekulationen keine Stellung nehmen.

Kritik äußerte Bauer an den Querelen um den Aufsichtsrat. Im Februar gab es eine Kampfabstimmung um die Besetzung des Gremiums. Der frühere Siemens-Vorstand Klaus Wucherer wurde schließlich neuer Chefaufseher, will aber nur ein Jahr bleiben. Bauer sagte: "Es gab in der Vergangenheit wohl nicht immer einen kontinuierlichen Dialog zwischen Aufsichtsrat und Aktionären. Das hat sich inzwischen deutlich gebessert."

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SZ vom 16.07.2010/stl/mel
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