Infineon-Affäre:Vorwürfe um Campeon belasten Schumacher

Der Bau der neuen Konzernzentrale Campeon spielte beim Sturz des früheren Infineon-Chefs Ulrich Schumacher offenbar eine entscheidende Rolle. Nach SZ-Informationen aus dem Aufsichtsrat soll es zu Unregelmäßigkeiten bei dem mehrere hundert Millionen Euro teuren Prestigeprojekt gekommen sein.

Von Markus Balser

Bei einem Treffen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand im März 2004 habe der Infineon-Vorstand nach Angaben des Aufsichtsrats schwere Vorwürfe gegen Ex-Chef Schumacher wegen des Baus des künftigen Infineon-Hauptquartiers in Neubiberg bei München erhoben.

Ulrich Schumacher AP

Ex-Infineon-Chef Schumacher soll seine Entscheidungsbefugnis für Vetternwirtschaft missbraucht haben.

(Foto: Foto: AP)

"Die immens hohen Kosten für das Projekt waren für die Trennung von Herrn Schumacher mit ausschlaggebend", heißt es.

Interne Prüfer hätten die Abrechnungen der beauftragten Architekten und der Betreibergesellschaft Moto unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass der "Abrechnungsspielraum der Architekten mit Duldung Schumachers sehr großzügig genutzt wurde."

Überteuerter Neubau

Das ganze Projekt hätte viel billiger werden können. "Die Honorare haben sich am absoluten Limit bewegt", heißt es. In der Campeon genannten Firmenzentrale wollte Schumacher die verschiedenen Münchner Infineon-Standorte zusammenlegen.

Veranschlagt war für das Projekt mit 150.000 Quadratmetern oberirdischer Geschossfläche ein Planungsvolumen von einer Milliarde Mark, das sind gut 500 Millionen Euro. Bereits die Vorlaufkosten des Projekts summierten sich auf einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag, heißt es.

Das habe klar über dem üblichen Maß gelegen. Nachdem das Projekt anfangs schon 2003 fertiggestellt werden sollte, ist der Bezug nun für Anfang 2006 geplant.

Begünstigtes Architekturbüro

Im Zentrum der Vorwürfe steht das Architekturbüro TEC PMC. Betreiber des Büros sind Sebastian und Moritz Knorr, Söhne des Schumacher-Förderers und Vertrauten Jürgen Knorr, dem ehemaligen Chef der Siemens-Halbleitersparte, aus der 1999 Infineon hervorging.

Den Zuschlag erhielt TEC PMC unter, wie es heißt, "dubiosen" Umständen. Denn eigentlich hatte das Architekturbüro Meier-Scupin & Petzet Ende 2000 bereits einen Direktauftrag für das Projekt bekommen und mit einem 140-köpfigen Team seine Arbeiten vorangetrieben.

Der Entwurf wurde vom Vorstand abgesegnet. In einer Pressemitteilung erklärte der Konzern am 12. Dezember 2000: "Mit der Planung und Realisierung dieses Vorhabens wurden international renommierte Architekten unter der Federführung des Architekturbüros Meier-Scupin & Petzet beauftragt.

Vorwürfe um Campeon belasten Schumacher

Überraschender Alternativentwurf

Im Februar 2001 jedoch forderte Schumacher mit TEC PMC völlig überraschend einen Alternativentwurf von einem Büro an, das bis dahin keinerlei Projekt in vergleichbarer Größe realisiert hatte. "Schumacher hat TEC gegen alle Zweifel durchgedrückt", heißt es in Infineon-Kreisen.

In einer weiteren Mitteilung vom 9. März 2001, nur drei Wochen vor Schumachers Rücktritt, heißt es: "Getreu dem Unternehmensmotto ,Never stop thinking' hat Infineon das Konzept für die geplante Konzernzentrale in Neubiberg optimiert. Die Planung trägt jetzt in noch größerem Maße dem Campus-Gedanken Rechnung." Planung und Realisierung übernehme nun allerdings das Architekturbüro TEC PMC.

Aus dem Umfeld Schumachers war am Donnerstag zu hören, die Verantwortung für Campeon habe nicht bei ihm, sondern bei Finanzvorstand Peter Fischl gelegen. Entsprechend einer Vereinbarung mit Infineon könne Schumacher zu dem Sachverhalt nicht Stellung nehmen.

Vorwürfe zurückgewiesen

Die persönliche Nähe zu Schumacher habe bei der Projektvergabe keine Rolle gespielt, erklärt das Architekturbüro TEC PMC auf SZ-Anfrage am Donnerstag. Den Vorwurf völlig überteuerter Planungen weist TEC zurück.

Man habe sich bei einem ersten Kostenvoranschlag an die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gehalten. In sechsmonatigen Verhandlungen habe Infineon diesen Preis zudem "deutlich gedrückt", teilte das Büro weiter mit.

Bei Infineon und der Betreibergesellschaft Moto sah man das offenbar anders. Unmittelbar nach dem Schumacher-Rücktritt kündigte Moto im April 2004 den Vertrag mit TEC PMC fristlos.

Zerstörtes Vertrauen

"Das für ein solches Projekt notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Dienstleister war nicht mehr gegeben", erklärte Infineon am Donnerstag auf Anfrage. Im Mai 2004 machte TEC PMC die Kündigung zum Gegenstand einer Feststellungsklage, die abgewiesen wurde. Die Kündigung sei diskreditierend, erklärte TEC PMC.

Infineon wird derzeit von einer Schmiergeldaffäre um Ex-Vorstand Andreas von Zitzewitz erschüttert. Infineon-Großaktionär Siemens nahm am Donnerstag den in die Kritik geratenen Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley in Schutz.

Siemens kritisiert zwar Kleys "wenig geschmeidiges Auftreten", stärkt ihm aber den Rücken. "Kley hat unser volles Vertrauen. An seinem Stuhl rüttelt derzeit niemand", heißt es aus dem Konzern. Siemens hatte Kley im August 2002 an die Spitze des Infineon-Aufsichtsrats geholt.

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