Industrieversicherung:Neustart erforderlich

Durch die zunehmende Digitalisierung ist die Jahrhunderte alte Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Versicherung unter erheblichem Druck.

Von Herbert Fromme

Ohne Versicherung würde die Industrie nicht funktionieren. Kaum eine Bank würde Geld für einen großen Neubau leihen, wenn der Bauherr sich nicht gegen Feuer versichern würde. Neue Verfahren, große finanzielle Risiken aus Betriebsunterbrechungen, Warentransporte per Luft oder See - alles das ist versichert und funktioniert deshalb gut.

Allerdings: Die Jahrhunderte alte Partnerschaft zwischen Wirtschaft und Versicherung steht zurzeit unter erheblichem Druck. Die Industrie hat sich in erstaunlichem Tempo digitalisiert. Die Versicherungswirtschaft hinkt hinterher. Die Folge: Die Versicherer können Daten der Industrie nur mit Mühe verarbeiten, weiterhin werden Excel-Sheets verschickt, immer noch müssen Zahlenkolonnen mehrmals per Hand neu eingegeben werden.

Wie sehr das Problem die Versicherer quält, zeigt die jüngste Entscheidung des Ergo-Konzerns. Die Munich Re-Tochter will mit den Autoherstellern ins Geschäft kommen, der Markt gilt als lukrativ und zukunftsträchtig. Allerdings haben die Hersteller dem Versicherer klar gemacht, dass dies mit der veralteten IT schwierig ist. Ergo musste deshalb Millionen Euro investieren, um eine Speziallösung nur für diesen Geschäftsbereich bauen zu lassen - eine Insellösung mitten in der ältlichen Ergo-Software.

Versicherer sind Dienstleister. Sie müssen sich neuen Bedürfnissen der Kunden anpassen. Deshalb haben sie dringenden Handlungsbedarf. Das gilt nicht nur für die Digitalisierung der Versicherungsbranche selbst, sondern auch für die Art der Risiken, die sie absichern. Wer als Versicherer heute keine Cyberrisiken der Industrie abdeckt, hat über kurz oder lang ein Problem mit seinen Kunden.

Die Industrie hat recht, wenn sie guten Service verlangt. Allerdings dürfen die Risikomanager der großen Konzerne auch nicht vergessen, dass sie in den vergangenen Jahren den Versicherungsschutz sehr, sehr billig bekommen haben. Zugegeben, das ist nicht ihre Schuld - schließlich haben sich die Anbieter gegenseitig unterboten. Wer einerseits besten Service fordert, aber andererseits Preissteigerungen heftig kritisiert, ist unglaubwürdig. Langfristig nutzt der Industrie nur eine Versicherungswirtschaft, die funktioniert und im Schadenfall auch zahlen kann - und nicht von ein oder zwei Katastrophen finanziell in die Knie gezwungen wird.

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