Industrie in Deutschland:"Die ganze Dramatik der Corona-Pandemie tritt jetzt zutage"

Industrie in Deutschland: Deutschlands Industrie kämpft mit der Corona-Krise.

Deutschlands Industrie kämpft mit der Corona-Krise.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Vor allem weil die Autohersteller die Arbeit in den Fabriken einstellten, ist die Industrieproduktion eingebrochen. Doch Ökonomen haben auch eine gute Nachricht.

Geschlossene Fabriken, unterbrochene Lieferketten, fehlende Nachfrage: Nach und nach zeigt sich in den Daten, wie heftig die Corona-Krise die Wirtschaft trifft. Die deutschen Unternehmen haben im April ihre Produktion so stark gedrosselt wie noch nie. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 17,9 Prozent weniger her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Dies sei der stärkste Rückgang seit Beginn der Zeitreihe 1991. Das Minus fiel damit doppelt so stark aus wie im März, vor allem wegen der Autoindustrie. Ihr Ausstoß brach um 74,6 Prozent ein.

"Der konjunkturelle Tiefpunkt ist damit erreicht", kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium. "Mit der schrittweisen Lockerungen der Schutzmaßnahmen und der Wiederaufnahme der Produktion in der Automobilindustrie setzt nun die wirtschaftliche Erholung ein."

Der exportabhängigen Industrie brachen die Aufträge im April in Rekordtempo weg: Sie fielen um 25,8 Prozent niedriger aus als im März. Die Industriebetriebe erwarten daher für die kommenden drei Monate einen weiteren Rückgang ihrer Produktion, der allerdings nicht mehr so stark ausfallen dürfte. Das zeigt auch eine Umfrage des Ifo-Instituts: Das Barometer der Produktionserwartungen stieg im Mai auf minus 20,4 von minus 51,0 Punkten im April. Das sei zwar der größte Anstieg seit der Wiedervereinigung. "Aber das bedeutet nur, dass der Sturzflug nun flacher wird", sagte Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe.

Von Februar auf März 2020 hatte sich die Produktion überarbeiteten Zahlen zufolge um 8,9 Prozent verringert. "Die ganze Dramatik der Corona-Pandemie tritt jetzt zutage. Das künstliche Koma der deutschen Volkswirtschaft macht sich nun massiv negativ in den Wirtschaftsdaten für den April bemerkbar", kommentierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel. "Klar ist aber auch, dass, wenn die deutsche Wirtschaft wieder anfährt, das Zahlenwerk entsprechend positiv ausfällt." Auch Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen ist überzeugt, dass die Produktion bereits im Mai "wieder merklich zugelegt" hat.

Die Erholung werde "deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als der Absturz", befürchten Ökonomen

Auf dem Bau gab es nur ein Minus von 4,1 Prozent. Insgesamt sei die Industrieproduktion in Deutschland so niedrig wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr, sagte Konjunkturexperte Nils Jannsen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Erholung werde "deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als der Absturz". Jannsen prognostizierte: "Zudem wird das Investitionsklima weltweit wohl noch auf absehbare Zeit rau bleiben, da die Unsicherheit über die zukünftigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin hoch ist und die Eigenkapitalbasis vieler Unternehmen durch die jüngsten Absatzeinbrüche deutlich geschwächt wurde." Dies werde der auf die Herstellung von Investitionsgütern spezialisierten deutschen Wirtschaft wohl noch für geraume Zeit zu schaffen machen.

Wie geht es weiter? Die Experten erwarten, dass das Wirtschaftsleistung im laufenden zweiten Quartal so stark einbrechen wird wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik - selbst wenn die Produktion im Mai womöglich schon wieder merklich zugelegt haben könnte, wie es Solveen von der Commerzbank prognostiziert. "Dies würde aber kaum etwas daran ändern, dass das reale Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal mit einer zweistelligen Rate sinken wird", sagte Solveen. Das schätzt Gitzel von der VP Bank ähnlich ein. "Das deutsche Bruttoinlandsprodukt wird im zweiten Quartal vermutlich um mehr als zehn Prozent schrumpfen", betonte er. Für Friedenszeiten sei das ein zuvor noch nie gemessener Wert.

Von Januar bis März war die Wirtschaft noch um vergleichsweise milde 2,2 Prozent geschrumpft, weil die Geschäfte im Januar und Februar noch nicht so stark einbrachen. Aber auch das war der zweitstärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung. Nur während der Finanzkrise Anfang 2009 war der Rückgang mit 4,7 Prozent noch stärker.

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