Industrie und Handelskammern:Altmaier muss sich mehr Zeit lassen

Der DIHK ist in seiner Existenz bedroht. Der Bundeswirtschaftsminister wollte per Gesetz schnell helfen. Doch so einfach geht das nicht.

Von Thomas Öchsner, München

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat es gut gemeint mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Berliner Dachorganisation der 79 regionalen Industrie- und Handelskammern kämpft seit einigen Monaten ums Überleben. Altmaier wollte dem einflussreichen Spitzenverband helfen und per Gesetz die Existenz des DIHK sicherstellen. Doch daraus wird nichts, jedenfalls nicht so schnell wie geplant. Es gibt Vorbehalte, sogar in der Wirtschaft.

Auslöser für den Vorstoß Altmaiers ist ein Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das hatte einem Windkraftunternehmer aus Münster recht gegeben. Dieser hatte den Austritt seiner IHK aus dem Dachverband verlangt, wenn der DIHK sich mit seinen politischen Äußerungen nicht auf seinen Kompetenzbereich beschränkt. Zuvor hatte das Gericht entschieden: Der DIHK muss sich mit allgemein-politischen Aussagen zurückhalten, wie etwa zum Mindestlohn oder zum außenpolitischen Auftreten der Kanzlerin - ein Maulkorb, der langfristig die Existenz des DIHK gefährden kann: Sechs weitere Unternehmen versuchen gerade per Eilantrag, ihre IHK zu zwingen, aus dem Dachverband auszutreten. Zwar wurden ihre Klagen in erster Instanz vor Gerichten in Kassel, Minden und Köln abgewiesen, aber in Hamburg, Stuttgart und München ist noch nichts entschieden. Und in der zweiten Instanz könnten Richter auch gegen den DIHK urteilen, für den dann wichtige Mitgliedsbeiträge wegfallen würden.

Altmaier will den DIHK deshalb in eine Bundeskammer umwandeln, aus dem eingetragenen Verein eine Körperschaft des öffentlichen Rechts machen und eine Pflichtmitgliedschaft aller Industrie- und Handelskammern in der neuen Bundeskammer einführen. Bislang ist diese freiwillig. Ziel der Initiative: den DIHK als politische Stimme in Berlin und Brüssel zu erhalten und weitere Kündigungen anderer IHKs verhindern. Per Gesetz wird die Bundeskammer dann quasi dem Wirtschaftsministerium unterstellt. Auch will Altmaier sicherstellen, dass bei Meinungsäußerungen der Bundeskammer "Fragen des Arbeitsrechts und der Sozialpolitik grundsätzlich vom Aufgabenbereich erfasst sind".

Ursprünglich war nach Informationen der SZ vorgesehen, dass das Kabinett Mittwoch dieser Woche dem Gesetz zustimmen soll. Doch in einer Anhörung des Wirtschaftsministeriums hatten zuvor ausgerechnet mehrere Wirtschaftsverbände scharfe Kritik an Details der geplanten Änderung des alten IHK-Gesetzes von 1956 geäußert, allen voran die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): "Die klare Aufgabentrennung zwischen sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Beratung und Meinungsbildung als Kernkompetenz der Arbeitgeberverbände und der übrigen Wirtschaftsförderung als Kompetenz unter anderem der Industrie- und Handelskammern würde verwischt", heißt es in der Stellungnahme der BDA.

Familienunternehmer fürchten "Einfallstor für staatliche Kontrolle"

Der Verband "Die Familienunternehmer" holt sogar noch weiter aus: Schon bisher hätten die Kammern "auf viele ihrer Mitglieder in vielen Dingen als zu staatsnah und begrenzt unabhängig" gewirkt. Solle nun eine noch engere Anbindung des Kammerwesens an den Bund erfolgen, fürchten die Familienunternehmer sogar "ein Einfallstor für staatliche Kontrolle" und "eine Lenkungspolitik über staatliche Zuwendungen". Auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen und der Zentralverband des Deutschen Handwerks warnen vor einem schädlichen Eingriff in das Verhältnis von Industrie-und Handelskammern und Arbeitgeberverbänden.

Gut möglich, dass Altmaier nun nacharbeiten muss, zumal es auch beim Koalitionspartner SPD Vorbehalte gegen seinen Plan gibt. Das Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass das Bundeskanzleramt die Tagesordnung der Kabinettssitzungen festlegt, ohne sich zu den Gründen zu äußern, warum der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten wurde. Der Entwurf befinde sich "aktuell in der Ressortabstimmung", teilt eine Sprecherin mit. Jetzt wird also erst mal weiter geredet.

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