IndustrieEuropa bläst zur Gegenoffensive

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Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bruno Le Maire schlagen unter anderem vor, das strikte EU-Beihilferecht zu lockern.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bruno Le Maire schlagen unter anderem vor, das strikte EU-Beihilferecht zu lockern. (Foto: Eric Piermont/AFP)

Firmen in der EU leiden unter hohen Energiepreisen und staatlich gepäppelten US-Konkurrenten. Nun holen die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs zum Gegenschlag aus.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Hohe Strom- und Gaspreise in Europa, hohe Subventionen und Steuernachlässe in den USA: Nicht wenige EU-Politiker fürchten angesichts dieser Ausgangslage für das Jahr 2023, dass immer mehr hiesige Industriebetriebe in Existenznot geraten oder aber auf den Gedanken kommen könnten, Teile ihrer Produktion nach Nordamerika oder Asien zu verlagern.

Um diese Gefahr abzuwenden, haben Deutschland und Frankreich am Montag einen Maßnahmenkatalog präsentiert, mit dem sie den klimagerechten Umbau der europäischen Wirtschaft beschleunigen, ein Abwandern hiesiger Betriebe verhindern und das sogenannte Inflationssenkungsgesetz (IRA) der USA kontern wollen.

Unter anderem schlagen die Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bruno Le Maire vor, das strikte EU-Beihilferecht zu lockern, staatliche Aufträge in Europa stärker auf heimische Firmen zuzuschneiden und mit Washington über Ausnahmen von den IRA-Bestimmungen zu verhandeln. Ziel sei es, die "industrielle Basis in Europa, insbesondere strategisch bedeutsame grüne Industrien" zu sichern, heißt es in einer Erklärung der beiden Ressortchefs, mit der sie die seit Wochen laufenden Bemühungen um eine gemeinsame Strategie aller 27 EU-Staaten vorantreiben wollen.

Die Frage, wie Europa auf die dramatische Verschlechterung der Standortbedingungen reagieren und zugleich die Wende hin zu einer CO₂-neutralen Wirtschaft schaffen soll, hatte sich in den vergangenen Monaten zum drängendsten industriepolitischen EU-Problem entwickelt. So ist etwa das Inflationssenkungsgesetz zwar das größte Klimaschutzpaket, das die USA je aufgelegt haben. Viele Vergünstigungen werden aber nur in voller Höhe gewährt, wenn die Produkte weitgehend in den Vereinigten Staaten hergestellt werden.

Habeck und Le Maire fordern nun, der EU dieselben Ausnahmeregelungen zu gewähren, die Washington etwa den Nachbarstaaten Mexiko und Kanada zugesteht. Europäische E-Autobauer zum Beispiel wären dann voll subventionsberechtigt, auch wenn sie ein Modell nicht in den USA endmontieren.

Umgekehrt wollen die beiden Minister aber auch eigene europäische Privilegien für hier ansässige Unternehmen schaffen: So sollen die EU-Regierungen die Kriterien für die Vergabe von Staatsaufträgen so ausgestalten dürfen, dass de facto nur europäische Firmen sie erfüllen können. Denkbar wären in diesem Zusammenhang beispielsweise scharfe Recycling-Vorschriften oder CO₂-Obergrenzen für die Produktion der bestellten Güter, die außereuropäische Firmen wegen der langen Lieferwege nicht einhalten können.

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Habeck und Le Maire schlagen zudem vor, Steuererleichterungen zu gewähren, bisher nicht genutzte EU-Mittel für die Finanzierung klimagerechter Subventionen verfügbar zu machen, Genehmigungsverfahren deutlich zu beschleunigen und Abnahmegarantien etwa für Windräder auszusprechen. Zudem soll die EU die Vergabe bestimmter Staatshilfen für Firmen anders als bisher durchwinken, wenn konkurrierende Betriebe in anderen Teilen der Welt ähnliche Subventionen erhalten. Ein französisches Herzensanliegen allerdings fehlt in dem Papier, was Habeck die Überzeugungsarbeit beim Koalitionspartner FDP sehr erleichtern wird: Von neuen gemeinsamen EU-Schulden ist in dem Vorschlag nicht die Rede.

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