Süddeutsche Zeitung

Industrie:BASF will bis zu zehn Milliarden in China investieren

  • Die deutsche Chemieindustrie erkennt eine Marktöffnung in China. Darauf hatten die Unternehmen jahrelang gepocht.
  • BASF investiert daher bis zu zehn Milliarden Euro in ein neues Werk. 2026 sollen erste Anlagen fertig sein.
  • Konzernchef Brudermüller ist begeistert von der Dynamik des Landes.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Circa 39 000 Mitarbeiter. Etwa 2000 Gebäude. Rund 200 Produktionsanlagen. 230 Kilometer Schiene. 2850 Kilometer Rohrleitungen. 106 Kilometer Straße. Das sind die Daten, die der Chemiekonzern BASF zu seinem Standort Ludwigshafen verbreitet. Er sei mit einer Fläche von zehn Quadratkilometern das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt, das nur einer Firma gehört. Der Stammsitz gilt als "die Wiege des Verbundkonzepts", das der Konzern weltweit verfolgt.

Nun will sich die BASF wieder einmal selbst kopieren, wenn auch in weitaus kleinerem Maßstab. Der Konzern prüfe die Errichtung eines Verbundstandorts in der südchinesischen Provinz Guangdong, teilte er am Montagnachmittag mit. Eine "unverbindliche Absichtserklärung" sei im Beisein von Bundeskanzlerin Angela Merkel und des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang in Berlin von BASF-Vorstandschef Martin Brudermüller und Lin Shaochun, dem Vize-Gouverneur der Provinz Guangdong, unterzeichnet worden.

Die Investitionssumme bis zum Abschluss des Projekts "um das Jahr 2030 wird auf insgesamt bis zu zehn Milliarden Dollar geschätzt". Die Fertigstellung erster Anlagen könnte BASF zufolge bis spätestens 2026 erfolgen. Der Baubeginn ist nach Angaben eines Sprechers für 2023 angepeilt. Bis dahin seien noch einige Machbarkeitsstudien nötig. Auch der genaue Standort stehe noch nicht fest. Es wäre die größte Investition, die BASF jemals getätigt hat, und der zweite Verbundstandort in China. Es gibt bereits seit 2005 einen in Nanjing, dort hatte BASF 5,2 Milliarden Dollar investiert. Dabei handelt es sich allerdings noch um ein paritätisches Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Chemiekonzern Sinopec. Den neuen Standort in Guangdong werde BASF alleine betreiben. "Wir profitieren von der Marktöffnung", erläuterte der Sprecher. In der Vergangenheit hatte die deutsche Chemieindustrie immer wieder Reformen in China angemahnt, so einen verbesserten Marktzugang und einen fairen Wettbewerb.

Vorstandschef Brudermüller, 57, ist wie seine Vorgänger ein Anhänger der Verbundstrategie. Sie ist so alt wie der Konzern. BASF produziert weltweit an fast 400 Standorten, bislang sind sechs davon Verbundstandorte. Neben Ludwigshafen und Nanjing gibt es einen in Antwerpen in Belgien, zwei in den USA (Freeport und Geismar), einen in Malaysia (Kuantan) gemeinsam mit Petronas. An solchen Standorten wird die Produktion maximal vernetzt. Ausgangspunkt der langen Wertschöpfungsketten ist ein Steamcracker, so wird das auch in Guangdong sein. Im Cracker wird Rohbenzin in kürzere Kohlenstoffmoleküle wie Ethen und Propen gespalten. Sie sind der Ausgangsstoff für eine Reihe von Produkten: Kunststoffe, Lacke, Lösemittel, Pflanzenschutz oder Vitamine. Im Verbund soll nichts verloren gehen. So entsteht etwa bei bestimmten chemischen Prozessen Energie, die dann bei der Herstellung anderer Stoffe wieder eingesetzt wird. Aus dem "Abfallprodukt" eines Verfahrens wird der Ausgangsstoff für ein neues Produkt und so weiter und so fort. Wege, Leitungen, Gebäude und Daten sollen gemeinsam optimaler genutzt werden.

BASF-Chef mag die Dynamik Chinas

Guangdong wäre der drittgrößte Verbund nach Ludwigshafen und Antwerpen. Im Endausbau sollen dort 2000 Menschen arbeiten und weitere 1000 bei Zulieferern, Wartungsfirmen oder zeitweise in Projekten, so der Sprecher am Montag. China hat BASF zufolge einen Anteil am Weltmarkt für Chemie von rund 40 Prozent. Guandong sei mit mehr als 110 Millionen Einwohner die bevölkerungsreichste Provinz der Volksrepublik. Dort sitzen viele Kunden der BASF, zum Beispiel Hersteller von Autos und Konsumgüter wie Kosmetika und Reinigungsmittel.

Brudermüller hat fast ein Jahrzehnt für die BASF in Hongkong gearbeitet und hautnah erlebt, wie dynamisch sich das Land und die Chemieindustrie entwickeln. Er hat keine Angst. "Aber man muss respektieren, dass die auf Augenhöhe kommen", sagt Brudermüller oft. Wenn es etwas gibt, dass er wohl gerne an "alten Standorten" des Konzerns kopieren würde, dann die Dynamik in China.

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SZ vom 10.07.2018/been
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