Indus:Für immer

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"Wir investieren, bis dass der Tod uns scheidet", beschreibt Jürgen Abromeit seine Geschäftsstrategie. (Foto: Chung Sung-Jun/Getty Images)

Indus-Chef Jürgen Abromeit kauft sich bei mittelständischen Firmen ein. Er sucht nicht den schnellen Gewinn. Seine Investition ist auf Dauer angelegt.

Von Elisabeth Dostert

Nummer 45 konnte Indus Ende Januar vermelden. Da beteiligte sich die börsennotierte Mittelstands-Holding aus Bergisch-Gladbach mit 76 Prozent an der auf Mess- und Regeltechnik spezialisierten Firma m+p GmbH aus Hannover: 63 Mitarbeiter, rund zwölf Millionen Euro Umsatz. Eine Firma so ganz nach dem Geschmack von Indus-Vorstandschef Jürgen Abromeit, 56. m+p ist einer dieser deutschen Mittelständler: klein, fein, irgendwie provinziell, aber weltweit unterwegs. Der Spezialist liefert beispielsweise Messgeräte und Software für Schwingungstests in der Auto- und Flugzeugindustrie. Die Firma wurde 1980 von Oskar Mahrenholtz und einigen seiner Mitarbeiter am Institut für Mechanik der Universität Hannover gegründet. Die Gründer bleiben vorerst an der Firma beteiligt.

Johannes Schmidt, Technik-Vorstand von Indus, kannte m+p seit Langem. Häufig spürt Abromeit selbst interessante Unternehmen auf. Er ist ein Reisender im deutschen Mittelstand. Er sucht die "Hidden Champions". Wo Abromeit hinfährt, gibt es meistens keinen Flughafen. Er hat einen Chauffeur, der fährt ihn in Großstädte und Provinznester.

Das Sammelsurium aus verschiedenen Branchen ist gewollt

An 45 Gesellschaften ist Indus derzeit beteiligt, es ist eine wilde Mischung. Dazu gehören ein Hersteller von Haustürfüllungen wie Obuk aus Oelde und Autozulieferer wie Kieback, die Firma aus Osnabrück baut Prototypenteile und Kleinserien. Im Indus-Portfolio stecken Maschinen- und Anlagenbauer wie TSN aus Berlin, die Firma baut Türme und Masten. Sie hat 1926 den Berliner Funkturm gebaut, eines der Wahrzeichens der Hauptstadt. Auch die Bamberger Firma OFA gehört zum Indus-Sortiment. Den Hersteller von Stützstrümpfen und Bandagen hat Indus mal von einer Beteiligungsfirma gekauft. Aber das war eine Ausnahme. Auf das Konto von Abromeit geht die Beteiligung an Raguse 2015, die Firma aus Ascheberg-Herbern stellt die blauen Tücher und Kittel her, die jeder aus dem Operationssaal kennt und ist nach eigenen Angaben der einzige deutsche Hersteller von Organbeuteln für Transplantationen. Das Sammelsurium ist Strategie. "Wir wollen kein Klumpenrisiko", sagt Abromeit.

Er gehört dem Vorstand von Indus seit 2008 an, seit 2012 ist er Vorsitzender. Er ist gelernter Banker, war bei der Dresdner und Commerzbank für Großkunden und Mittelständler zuständig. "Schon damals dachte ich, ich würde lieber auf der anderen Seite sitzen." 1998 holte ihn Jürgen Großmann zum Stahlwerk Georgsmarienhütte, das er wenige Jahre zuvor zum symbolischen Preis von zwei Mark von den Klöckner-Werken gekauft hatte. Als Großmann 2007 Vorstandschef beim Energiekonzern RWE wurde, suchte sich auch Abromeit eine neue Aufgabe. Er fand sie bei Indus.

Im vergangenen Jahr setzte Indus 1,44 Milliarden Euro um, das operative Ergebnis lag bei 145 Millionen Euro, die Marge war zweistellig, so will das Abromeit.

Größter Einzelaktionär ist die Versicherungskammer Bayern mit knapp 20 Prozent, gut sechs Prozent gehören fünf Investoren um Aufsichtsrat Hans-Joachim Selzer, einige von ihnen erhielten als Kaufpreis für ihre Firma neben Geld auch Aktien von Indus erhielten. Das macht Indus immer noch. Das genehmigte Kapital dafür hätte Abromeit, aber er geht "behutsam" damit um. "Wir wünschen uns Eigentümer, die sehr, sehr stark am Mittelstand hängen und wie wir ticken, langfristig und nachhaltig investieren."

Ganz kann es sich Abromeit aber nicht aussuchen, wer die Aktie kauft, schließlich ist Indus börsennotiert. Zu den Aktionären zählen auch angelsächsische Investoren wie Blackrock. Indus präsentiert sich sogar auf Investorenkonferenzen in London und New York. Den deutschen Mittelstand müsse er niemandem mehr erklären. "Der Mittelstand ist sexy", sagt Abromeit. Erklärungsbedürftiger ist das Beteiligungsmodell von Indus, das Sammelsurium. Denn Synergien im operativen Geschäft gibt es zwischen den Gesellschaften kaum. Aber Indus erleichtert ihnen den Zugang zu Kapital, hilft bei Übernahmen und ist Sparringspartner.

Indus ist nicht der einzige Investor, der im Mittelstand unterwegs ist. Abromeit scheut die Konkurrenz nicht, mag den Vergleich aber nicht, weil "alle ein wenig anders sind". Es gibt andere Private-EquityFirmen wie etwa die Deutsche Beteiligungs AG (DBAG), die auch im Mittelstand investieren, aber die seien anders positioniert. "Wir investieren, bis dass der Tod uns scheidet. Wir haben keinen Exit in der Strategie", sagt Abromeit. Bei anderen gehört er zum Geschäftsmodell. Sie wollen ihren Schnitt beim Exit machen. "Wir verdienen an den jährlichen Ausschüttungen", so Abromeit. Dennoch kommt es vor, dass sich auch Indus mal trennt. "Aber bei der Eheschließung haben wir nicht schon die Scheidung im Kopf."

2016 hat Indus acht Unternehmen erworben, eine Tochter und sieben Enkel. Töchter nennt Abromeit direkte Beteiligungen von Indus, als "Enkel" werden Beteiligungen der Tochterunternehmen geführt. Abromeit hat ein paar Prinzipien, aus seinem Munde klingen sie allerdings schon wie Gesetze. Indus will stets mindestens 75 Prozent an einer Firma erwerben. Für das andere Viertel sichert er sich vertraglich nicht nur das Vorkaufsrecht, sondern auch eine Call-Option. "Ich möchte das Recht haben zu sagen, her damit, wenn der frühere Inhaber das Unternehmen verlässt." In den Verträgen mit Indus sei alles geregelt. "Wir lassen keinen Millimeter Platz für spätere Auseinandersetzungen. Dazu haben wir keine Zeit und keine Lust."

Indus sucht Firmen zwischen 20 und 100 Millionen Euro Umsatz. Die operative Marge muss mindestens zweistellig sein. Keine Sanierungsfälle, keine Start-ups. Klingt wie ein zackiger Kurs.

Der Wettbewerb um gute Unternehmen ist knallhart

Von der Identifikation als Übernahmeziel bis zum Kauf dürfen ihm zufolge nicht mehr als drei Monate vergehen, "ansonsten taugt's nicht". Er und seine Vorstandskollegen schauen sich die potenziellen Kandidaten vor Ort an. "Wenn ich Feuer und Flamme bin, schaut es sich der Technik-vorstand an, danach der Finanzer", erzählt Abromeit. "Aber was man in Zahlen liest, ist Vergangenheit", sagt Abromeit: "Wir versuchen, die Zukunft zu beurteilen. Ist die Firma mit seiner Technologie auch in der Lage, noch in zehn Jahren am Markt zu bestehen." Ein Einstieg erfolge nur, wenn alle Vorstände zustimmen. Abromeit kann warten, wenn es sein muss. Er und seine Kollegen kennen Hunderte von Mittelständlern. Wenn einer jetzt nicht will, dann vielleicht später, wenn die Zeit und der Verkäufer reif sind.

Der Wettbewerb um gute Unternehmen sei knallhart. Es gibt Bieterverfahren, Auktionen. "Die treiben nur die Preise in die Höhe und am Ende kaufen sie viel zu teuer", sagt Abromeit. Da macht er erst gar nicht mit. Deshalb pflegt er sein Netz, er will der einzige Interessent sein. Eine Handvoll Unternehmen will er jedes Jahr kaufen. Etwa 100 Firmen sieht sich der Vorstand im Jahr an. Mit der jetzigen Mannschaft könne Indus 55 bis 60 Töchter managen. In diesem Jahr steuere die Gruppe auf 1,5 Milliarden Euro Umsatz zu mit einer zweistelligen operativen Marge. Bis 2020, bis dahin läuft sein beim Amtsantritt 2012 veröffentlichtes Strategiebuch, könnten es zwei Milliarden Euro sein. Nummer 46, es ist eine Tochter, sicherte sich Abromeit vergangene Woche. Da erwarb Indus 80 Prozent am Werkzeugmaschinenhersteller Peiseler aus Remscheid: rund 24 Millionen Euro Umsatz, 170 Mitarbeiter. Da draußen gibt es noch jede Menge Unternehmen.

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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