Indien: Massenproteste:Randale auf der Straße

Lesezeit: 2 min

Indien im Ausnahmezustand: Landesweit streiken die Bürger gegen eine staatlich verordnete Erhöhung der Benzinpreise. Doch Premier Singh schreckt das nicht, er hält an seinem Sparkurs fest.

Daniela Winderl

An einen geregelten Tagesablauf war am Montag in Indien nicht zu denken. Im ganzen Land protestierten die Menschen gegen Preiserhöhungen bei Diesel und Benzin, die die Regierung von Premierminister Manmohan Singh verordnet hat. Vielerorts blieben Unternehmen, Geschäfte und Schulen geschlossen, der Nahverkehr kam fast vollständig zum Erliegen. Dutzende Zugverbindungen und mehr als hundert Inlandsflüge mussten storniert werden.

Proteste gegen Preiserhöhung: Die Menschen in Indien machen ihrem Ärger Luft. (Foto: dpa)

Besonders betroffen waren die Finanzmetropole Mumbai und die ostindische Millionenstadt Kalkutta sowie weitere von den Oppositionsparteien kontrollierte Gebiete. Diese hatten landesweit zu dem eintägigen Streik aufgerufen. In Neu Delhi blockierten Anhänger der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) und kommunistischer Parteien Straßen. Im westindischen Pune gingen mehrere Busse in Flammen auf. In den nördlichen Bundesstaaten Uttar Pradesh und Bihar wurden mehrere Demonstranten bei Straßenschlachten mit der Polizei verletzt. Ein BJP-Sprecher sagte, man protestiere gegen die Wirtschaftspolitik der regierenden Kongresspartei, die sich "gegen das Volk" richte.

Das Kabinett hatte Ende Juni eine Erhöhung der staatlich kontrollierten Spritpreise um umgerechnet fünf Cent pro Liter beschlossen. Neben Benzin und Diesel gilt die Preiserhöhung auch für Kerosin - und das trifft vor allem Millionen ärmerer Inder hart, die Kerosin zum Kochen verwenden. Die Maßnahmen sind ein weiterer Schritt im Sparkurs von Premier Manmohan Singh, der so Subventionen zurückführen und vor allem den Staatshaushalt sanieren will. Die Opposition wirft der Regierung allerdings nicht nur die neue Spritpreiserhöhung vor, sondern macht sie außerdem für Preissteigerungen bei Lebensmitteln und in anderen Bereichen verantwortlich.

Singh verteidigt seinen Kurs

Indien hat bereits seit Längerem wirtschaftlich zu kämpfen: Nach Angaben des Handelsministeriums lag die Inflation im Mai bei einem Zwei-Jahres-Hoch von 10,2 Prozent. Die Reserve Bank of India (RBI) überraschte den Markt am Freitag mit der Erhöhung ihres Basiszinses. Es ist bereits die dritte in diesem Jahr. Im Sommer vergangenen Jahres litt das Land unter einer Dürre, die sich ebenfalls negativ auf die Lebensmittelpreise auswirkte. In diesem Jahr befürchtet die Regierung aufgrund des anhaltenden und heftigen Monsunregens deutliche Einbußen in der noch immer wirtschaftlich wichtigen Landwirtschaft.

Mit dem Streik will die Opposition auch Druck auf die Regierung ausüben, damit diese über eine Rücknahme der Erhöhungen des Benzinpreises nachdenkt. Premier Singh allerdings schließt das trotz des Streiks bislang aus. Er hält an seinem Kurs fest, die Sozialausgaben zu erhöhen und den Haushalt zu sanieren.

Zudem stellt er die Öffnung des Versicherungs- und Bankensektors in Aussicht, die die Regierungsgegner erneut auf den Plan rufen könnte. Den Oppositionsparteien indes dürfte auch in Hinblick auf die bevorstehenden Kongresswahlen an einer möglichsten breiten Protestfront gelegen sein. Trotz des Aufstandes begrüßten allerdings längst nicht alle Bürger den Streik, dessen Kosten sich Schätzungen zufolge auf rund 640 Millionen Dollar belaufen dürften.

© SZ vom 06.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: