Süddeutsche Zeitung

Indien:Hauptsache, Kohle

Gautam Adani betreibt die umstrittene Charmichael-Mine in Australien, an der auch Siemens beteiligt ist. Kritik prallt an dem Milliardär ab, er inszeniert sich gern als Wohltäter - trotz eines Strafverfahrens.

Von Arne Perras, Singapur

Der Name Adani polarisiert in Australien schon lange, nun tut er das auch in Deutschland. Ob das den indischen Kohle-Baron wirklich unter Druck bringt? Eher nicht. Der Geschäftsmann aus Gujarat ist Gegenwind von Umwelt- und Klimaschützern gewöhnt, auch ist Gautam Adani kein Mensch, der sich so schnell aus der Ruhe bringen lässt - nicht von der Kritik in Deutschland jedenfalls, die sich zunächst gegen den Konzern Siemens richtet, von Adani und dessen Geschäften aber natürlich nicht trennen ist.

Der 58-jährige Inder ist Betreiber der umstrittenen Charmichael-Mine in Australien, ein gewaltiges Vorhaben, in das zu einem kleinen Teil nun auch die Firma Siemens eingestiegen ist. Der Konzern mit Sitz in München liefert die Signaltechnik für den Zug, der die Kohle von der Mine in Queensland bis zum Hafen transportieren soll, nicht weit vom Great Barrier Reef. Neben den Sorgen um das Klima geht es also auch um die Risiken, die das Ausbaggern des Hafens und der Schiffsverkehr für die bereits stark gestresste Welt der Korallen bedeutet, ein Unesco-Welterbe.

Adani kontert den Widerstand seiner Gegner so: "Wir sind nach Australien gegangen mit zwei überwölbenden Zielen: Um einen Beitrag zur Energiesicherheit in Indien zu leisten und um Jobs zu schaffen für die Leute vor Ort." Arbeitsplätze für Australien und Strom für seine Heimat, diese doppelte Legitimation reicht aus Adanis Sicht völlig aus, um das Projekt zu rechtfertigen. Und Zweifel an der Qualität der Kohle, die womöglich zu wenig Geld einspielen könnte, wischt er ohnehin beiseite: "Wenn das Projekt nicht tragfähig wäre, hätten wir es nicht verfolgt", sagte der indische Magnat 2019 in einem Interview mit der Zeitung Economic Times in Delhi. Diese Woche hat die Adani-Gruppe, die 13 Milliarden Dollar umsetzt, nur ein knappes Statement dazu herausgegeben: Der Konzern werde sich nicht einschüchtern lassen und seine Versprechen erfüllen, heißt es. Dazu gehöre auch, "Menschen in Ländern, die sich entwickeln, mit Energie zu versorgen und aus der Armut zu heben."

Das passt zum Bild, das Adani von sich fördert, er achtet darauf, dass seine Investitionen als Beitrag zur Entwicklung der Nation gewürdigt werden. Um sie zu sichern, brauche Indien die Kohle, daran lässt der Milliardär keinen Zweifel. "Erneuerbare Energie ist gut für die Nation", versichert Adani, "aber sie kann unseren Grundlast-Bedarf nicht decken."

Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der indischen Energiepolitik wider, die zwar einerseits, von Premier Modi befördert, sehr stark auf den Ausbau erneuerbarer Energien setzt. Bis 2030 will Indien 40 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen, doch dafür sind Investitionen in Höhe von 330 Milliarden Dollar nötig. Andererseits aber wird Kohle noch für lange Zeit ein wesentlicher Energielieferant bleiben, um den wachsenden Energiehunger auf diesem Subkontinent zu stillen. Derzeit deckt Indien Dreiviertel seiner Stromversorgung aus Kohle, 2030 sollen es immer noch 50 Prozent sein. Grund genug für Adani, Kohle-Geschäfte weiter voranzutreiben. Gleichzeitig aber hat er längst die erneuerbaren Energien entdeckt, er investiert in Solar und Windkraft.

Auf der Webseite der Adani Group, deren Auftritt zuweilen eher an den eines Wohltätigkeitsvereins erinnert, präsentiert sich Adani stets lächelnd. "Growth with Goodness" hat der Konzern als Leitsatz ausgegeben. Wachsen und Gutes tun. Adani, verheiratet und Vater von zwei Kindern, inszeniert sich gerne als Philantrop, der in Schulen für Arme investiert.

Vergangene Woche allerdings ging es in Indien weniger um den Wohltäter Adani als vielmehr um die Frage, ob der Konzern womöglich in betrügerische Manipulationen verwickelt ist. Die oberste Justiz machte den Weg für Untersuchungen der Steuerbehörden frei. Es gilt, Vorwürfe zu prüfen, wonach der Konzern höhere Kohlepreise beim Import angegeben haben soll, um den Strompreis nach oben zu schrauben. Zudem wurde bekannt, dass die indischen Ermittlungsbehörden einen weiteren Fall aus dem Jahr 2010 untersuchen, in den Adani verwickelt ist. Es geht um Vorwürfe, wonach sich der Konzern durch geheime Absprachen unrechtmäßig Kohlelieferungen für einen staatlichen Abnehmer gesichert haben soll. Ein Strafverfahren wurde eingeleitet, Adanis Sprecher erklärte: "Die Firma hat nichts falsch gemacht."

Adanis Familie hat Forbes zufolge ein Vermögen von 15,7 Milliarden Dollar angehäuft, was ihn zum zweitreichsten Mann Indiens macht. Er stammt aus dem westlichen Bundesstaat Gujarat, so wie Premier Narendra Modi, dem er nahesteht. Im Wahlkampf 2014 führte das zu einigem Ärger, weil Modi in Adani-Jets gesehen wurde, die ihn von einer Kundgebung zur nächsten flogen, wobei der Unternehmer später beteuerte, für die Transfers hätten doch Marktpreise gegolten.

Adani entstammt einer Jain-Familie, der Jainismus gilt als eine asketische Religion, die der Gewaltfreiheit verpflichtet ist. Traditionell konzentrierten sich die Jains auf den Handel, im Lauf der Jahrhunderte verstanden sie es immer, sich mit den Mächtigen zu arrangieren. In Indien sind es vor allem reiche Geschäftsleute, die politische Parteien finanzieren, diese Zahlungen sind nicht transparent.

Adani ist im Kreis von acht Geschwistern aufgewachsen, er hat zunächst in Mumbai studiert, brach das College aber ab und stieg ins Diamantengeschäft ein. Später kam der Handel mit Kunststoffen hinzu. Inzwischen gehört Adani ein weit verzweigtes Imperium, das sich im Kern auf Rohstoffgeschäfte stützt, aber auch Finanzdienstleistungen anbietet, mit Immobilien und Lebensmitteln handelt und in Logistik investiert.

In Indien ist Adani außerdem der größte Hafenbetreiber. Selbst im Rüstungssektor ist die Gruppe aktiv, wobei unklar bleibt, wie sich das Geschäftsfeld mit den gewaltfreien Prinzipien des Jainismus verträgt, der die Familie Adani entspringt.

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SZ vom 20.01.2020
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