Wer viel fliegt, kennt die immer länger werdende Liste von zunächst versteckten Nebenkosten bei der Ticketbuchung. Gepäck aufgeben? Kostet extra. Sitz am Gang, vielleicht etwas mehr Beinfreiheit? Gegen Gebühr. Man wartet nur darauf, dass bald Stehplätze eingeführt werden. Nur wer aufzahlt, darf sitzen.
Das könnte auch ein akutes Problem der Air India lösen: den Mangel an neuen Flugzeugsitzen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass die indische Airline ihrem Ziel, wieder „eine Fluggesellschaft von Weltklasse“ zu werden, nicht näherkommt, weil Ersatzteile für die überalterte Flotte fehlen. Viele Air-India-Maschinen wirken tatsächlich ganz schön abgewohnt, die Bordbildschirme sind trübe, die Nackenstützen speckig. Verspätungen sind außerdem häufig.
Lange Bahnfahrten finden nur Touristen romantisch
Bei Inlandsflügen sind viele Inderinnen und Inder auf die neuere und günstige Fluglinie Indigo umgestiegen, bei der man auch nicht viel schlechter behandelt wird. Indien ist, wie ganz Süd- und Südostasien, ein boomender Flugreisemarkt, alleine schon wegen der 1,4 Milliarden Einwohner und den weiterhin hohen Geburtenraten. Flugscham ist obendrein ein Fremdwort – und mit der überfüllten Bahn dauert es Tage, um das riesige Land zu bereisen. Das finden nur Touristen romantisch.
Da Flugreisen im Gegensatz zu dem, was man noch vor drei Jahren in der Pandemie dachte, auch in Zukunft viel Gewinn für die Betreiber versprechen, lohnen sich Investments. Singapore Airlines, die von November an 25 Prozent von Air India halten werden, stellen alleine 600 Millionen US-Dollar für die Modernisierung der indischen Schwestergesellschaft bereit.
Über die sogenannte Star Alliance sind beide Fluglinien auch mit der Lufthansa verbunden. Wer die Marken dieser Allianz bucht, erhält Meilen, die man auch bei anderen Linien in Upgrades oder mehr Beinfreiheit investieren können soll, statt wieder extra zahlen zu müssen. Allerdings haben manche Buchungswillige den Eindruck, dass das häufig nur bei frühzeitiger Anfrage funktioniert und wenn der zweite Mittwoch im Monat auf einen Vollmond fällt.
Um den Ruf der Air India wiederherzustellen und solvente Fluggäste für Nonstop-Flüge auf wichtigen internationalen Strecken anzulocken, sollten möglichst schnell Flugzeuge mit erstklassigen Premium-Sitzen angeboten werden. Allein in diesem Monat wurden Modernisierungsaufträge in Höhe von 400 Millionen US-Dollar rausgegeben, die Umrüstung von 40 Großraumflugzeugen allerdings auf Anfang 2025 verschoben, da es zu Verzögerungen bei der Lieferung von Business- und First-Class-Sitzen kam. Die Sitzhersteller wiederum erklärten, dass sie mit einem Mangel an Fachkräften und Kapazitäten zu kämpfen haben, so der Air-India-Vorstandsvorsitzende Campbell Wilson am Freitag.
Das Problem haben derzeit alle Airlines, doch für Air India ist es „akuter“, sagt Wilson, weil zum Beispiel die Fluggesellschaften Emirates oder Qatar Airways, mit denen man international konkurriert, über eine viel modernere Flotte verfügen. Das mit den Stehplätzen in Flugzeugen ist übrigens kein Witz. 2012, auf dem Höhepunkt des Billigflugbooms, ging Ryanair der Frage nach, ob das möglich wäre. Der Versuch scheiterte an den Flugsicherungsbehörden.