In Silber anlegen:Schillernder als Gold

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Der Preis ist seit Jahresanfang um 20 Prozent gestiegen, viel stärker als der für das gelbe Edelmetall. Das lockt viele Sparer. Aber die Markteinsteiger unterschätzen leicht die Gefahren eines solchen Investments.

Von Lukas Zdrzalek, München

Am Stadtrand von München, in Riem, wacht Robert Hartmann über ein Millionen-Geschäft. Hartmann, groß gewachsen, Kurzhaarschnitt, steht vor einer schweren Metalltür. Er wartet darauf, dass der Sicherheitsmann einen Zahlencode in eine Tastatur eintippt, sich das Türschloss öffnet, klick, klack - und er hinein darf in den Tresorraum. Ins Zentrum seines Millionen-Geschäfts.

Hartmann ist Geschäftsführer des Edelmetallhändlers Pro Aurum und zeigt an diesem Freitagabend, was seine Kunden begehren. Vor einem Metallregal bleibt er stehen und zieht eine der vielen Schubladen hervor: 500, 600 Münzen liegen in Reihen nebeneinander. Sie glänzen im kalten Deckenlicht, nicht golden, sondern silbern.

Wenn Anleger an Edelmetalle denken, fällt ihnen zuerst eines mit vier Buchstaben ein: Gold. Nun entdecken Anleger Silber. Hartmann: "Die Nachfrage ist 2016 bislang rund 50 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum". Immer häufiger müssen seine Mitarbeiter hinein in den Tresorraum, um Münzen herauszuholen, manchmal auch ganze Barren, die sie den Käufern zuschicken. Vielen erscheint es verlockend, jetzt in das weißliche Edelmetall zu investieren. Der Silberpreis ist seit Jahresanfang um fast 20 Prozent gestiegen, Gold dagegen nur um gut zehn Prozent. Auf viele Anleger wirkt Silber wie eine Alternative zu Gold - was sich als riskanter Trugschluss entpuppt.

Der Austritt der Briten aus der Europäischen Union im Juni, die Probleme des Euro: Edelmetalle sind vor allem beliebt, wenn die Krisen zahlreicher werden, die Menschen Angst um ihr Geld haben. Sie investieren dann in Edelmetalle, weil sie als sicher und werterhaltend gelten. Allein: Bei Silber stimmt das so nicht.

Gold kann in der Regel steuerfrei erworben werden, bei Silber fallen Mehrwertsteuern an

Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Edelmetallen ist: Im Gegensatz zu Gold kaufen nicht nur Anleger Silber, sondern auch die Industrie, die rund 50 Prozent der Nachfrage ausmacht. Elektro- und Medizintechnik-Firmen etwa verbauen das Metall in ihren Produkten, weil es Strom gut leitet. "Silber ist wegen des Industrieeinflusses unsicherer. Der Preis schwankt stärker", sagt Daniel Briesemann, Rohstoffexperte der Commerzbank. Steigt der Goldpreis etwa um fünf Prozent, kann der Preis für Silber um 15 Prozent zulegen. Dieses Verhältnis gilt in der Regel auch bei fallenden Preisen: Verliert Gold zehn Prozent seines Werts, kann Silber 20 Prozent einbüßen. In seltenen Fällen entwickeln sich der Silber- und der Goldpreis gar in gegensätzliche Richtungen. Der krisengetriebene Goldpreis kann etwa bei einem Konjunkturabschwung um zehn Prozent steigen, weil Investoren ihr Vermögen sicher anlegen wollen. Der Silberpreis kann gleichzeitig um fünf Prozent fallen, weil die Industrienachfrage angesichts der lahmenden Wirtschaft einbricht.

Spekulanten können die ohnehin großen Schwankungen verstärken. "Silber ist dafür anfälliger als Gold", sagt Philip Kalthöfer, Edelmetall-Experte der Berenberg Bank. Der Grund: Der Silber-Markt ist viel kleiner. An der New Yorker Terminbörse etwa beträgt das tägliche Handelsvolumen von Silber umgerechnet fast vier Milliarden Euro, bei Gold sind es rund 17 Milliarden Euro. Ein Investor kann deshalb mit ein und derselben Summe Geld auf dem Silbermarkt größere Schwankungen auslösen als bei Gold. Silber, resümiert Pro-Aurum-Chef Robert Hartmann, "bietet mehr Chancen, ist aber riskanter".

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Silber kostet Anleger von Anfang an Geld. Während Anleger physisches Gold in der Regel steuerfrei kaufen können, fallen bei Silber Mehrwertsteuern an. Für Münzen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union (EU) zahlen Investoren unter dem Strich rund acht Prozent Abgaben. Bei Münzen aus EU-Staaten und Barren fallen gar 19 Prozent Steuern an. Das bedeutet: Kauft ein Anleger für 100 Euro Silber, macht er aufgrund der Abgaben erst mal einen Verlust von bis zu einem Fünftel der Anlagesumme. Der Silberpreis muss nach dem Kauf also um bis zu 20 Prozent zulegen, damit ein Anleger überhaupt das investierte Geld zurückbekommt.

Starke Schwankungen und ein Steuerproblem, lohnt sich die Anlage? Silber-Fans wie Hartmann werben trotzdem für das Metall. Er hält Silber im Vergleich zu Gold für unterbewertet. Eine Feinunze Silber (ca. 31 Gramm) kostet nur rund 15 Euro, eine Unze Gold dagegen etwa 1100 Euro. Gold ist also rund siebzigmal teurer als Silber. "Mit weiteren Krisen und weiter verunsicherten Anlegern gleicht sich dieses Verhältnis an", glaubt Hartmann. "Der Silberpreis wird steigen." Doch ob und wie stark das der Fall sein wird, hängt nicht nur vom Anlegerinteresse ab. Wichtig ist auch, wie viel des Metalls die Industrie künftig nachfragt - was kein Experte seriös prognostizieren kann. Die einen meinen, die Nachfrage steigt, weil etwa Elektronikkonzerne in einer digitalisierten Welt stärker nach Silber verlangen. Andere glauben, das Interesse lasse nach, weil die Industrie das Edelmetall durch billigere Alternativen zu ersetzen versucht. In diesem Fall dürfte der Preis des Rohstoffs sinken. Und die Pro-Aurum-Mitarbeiter werden seltener in den Tresorraum hinein müssen, zu den silbernen Münzen und Barren.

SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg (Foto: SZ-Grafik)

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© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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