Süddeutsche Zeitung

Biontech:Die fetten Jahre sind vorbei

Lesezeit: 2 min

Das Mainzer Unternehmen Biontech rechnet in diesem Jahr mit deutlich geringeren Umsätzen mit Covid-19-Impfstoffen. Der Vertrag mit der EU-Kommission wird gerade neu verhandelt.

Von Elisabeth Dostert

Impfstoffe gegen das Coronavirus haben dem Hersteller Biontech 2022 einen Nettogewinn in Milliardenhöhe beschert. Er fiel allerdings geringer aus als im Vorjahr. Die fetten Jahre scheinen jedenfalls erst einmal vorbei. Die Umsätze mit Covid-19-Impfstoffen fallen. In der Pipeline stecken zwar neue Medikamente gegen Krebs und Infektionskrankheiten wie Influenza oder Malaria, aber marktreif ist davon noch keines. Für 2023 rechnet Biontech mit Erlösen aus Covid-19-Impfstoffen von geschätzt fünf Milliarden Euro, das wäre ganz grob noch ein Drittel der Umsätze im Jahr 2022.

Der Aktienkurs an der New Yorker Börse brach am Montag zeitweise ein. Von den alten Rekorden ist Biontech weit entfernt. Den Höchststand markierte das Papier am 9. August 2021 mit 441,38 Dollar. Am Freitag vergangener Woche beendete die Aktie den Handel in New York mit 128,20 Dollar.

Wie das Mainzer Unternehmen am Montag mitteilte, sank der Umsatz 2022 auf geschätzt 17,3 Milliarden Euro nach knapp 19 Milliarden Euro im Vorjahr, der Nettogewinn ging von 10,3 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 9,4 Milliarden Euro zurück. Die Erlöse stammen fast ausschließlich aus Covid-19-Vakzinen und liegen mit 17,1 Milliarden Euro nahe der Anfang November präzisierten Prognose von 16 bis 17 Milliarden Euro. 2022 haben Biontech und sein US-Partner Pfizer den Angaben zufolge rund zwei Milliarden Dosen abgerechnet.

Finanzvorstand Jens Holstein erwartet, dass der Markt für Covid-19-Impfstoffe 2023 in eine kommerzielle Phase eintritt, erst in den USA, später auch in anderen Regionen. Die Preise würden je nach Markt sehr unterschiedlich sein. Bislang wurden die Lieferungen über Vorverträge mit öffentlichen Institutionen geschlossen. Der Liefervertrag mit der EU-Kommission werde derzeit neu verhandelt, sagte Holstein in einer Telefonkonferenz für Analysten. Zur Diskussion stehe, die Lieferung über mehrere Jahre zu strecken oder das Volumen zu kürzen. Zu den Preisen wollte sich Holstein nicht äußern, man stecke mitten in den Verhandlungen. Der Covid-19-Markt sei weiter sehr dynamisch. Während der Bedarf für Grundimmunisierung und Auffrischung nachlassen werde, gebe es einen Bedarf an neuen, an Varianten angepasste Vakzine. Die Nachfrage werde sich saisonal entwickeln, Umsätze würden sich voraussichtlich deutlichen in die zweite Jahreshälfte verschieben, erläuterte der Finanzvorstand.

Biontech und Pfizer sehen sich als Marktführer bei Covid-Impfstoffen weltweit. Die Impfkampagne in Deutschland läuft seit mehr als 820 Tagen. Nach Angaben von Robert-Koch-Institut und Bundesgesundheitsministerium wurden in Deutschland bislang mehr als 192 Millionen Impfdosen verabreicht. Bis Ende vergangener Woche wurden rund 224 Millionen Dosen ausgeliefert, das Gros kam mit knapp 165 Millionen Dosen von Biontech und seinem US-Partner Pfizer.

Das Geld aus dem Geschäft mit Covid-Impfstoffen wolle Biontech in Forschung und Entwicklung, die Zusammenarbeit mit anderen Firmen und Übernahmen stecken, erläuterte Finanzvorstand Holstein. "Unser mittelfristiges Ziel ist es, die Zulassung mehrerer Onkologieprodukte in Indikationen mit hohem medizinischen Bedarf anzustreben", kündigte Mitgründer und Vorstandschef Uğur Şahin an. Die bislang größte Übernahme der Firmengeschichte läuft seit Anfang des Jahres. Biontech will das auf künstliche Intelligenz spezialisierte britische Start-up Insta Deep für gut 400 Millionen Euro übernehmen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5776574
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.