Immobilien:Angst baut kein Zuhause

Immobilien: Deutschland, Land der Mieter: Nur die Hälfte wohnt im selbst genutzten Eigentum.

Deutschland, Land der Mieter: Nur die Hälfte wohnt im selbst genutzten Eigentum.

(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Viele Menschen mieten Häuser und Wohnungen, weil sie hohe Kaufpreise und Zinsen fürchten. Dabei ist Geld allein nicht entscheidend fürs eigene Heim, sondern auch die Perspektive.

Kommentar von Stephan Radomsky

Kaufen oder nicht? Jetzt gleich oder doch besser später? Klein in der Stadt oder mit Platz draußen auf dem Land? Die Entscheidung für oder gegen die eigene Immobilie war noch nie einfach. Seit ein paar Monaten allerdings erscheint die Sache klar, leider: Eigenes Heim, das kann nicht sein. Die Kaufpreise sind immer noch auf Rekordniveau, die Zinsen haben aber zugleich enorm angezogen, und selber bauen ist auch extrem teuer geworden. Das kann doch niemand mehr bezahlen.

Stimmt schon. In und um Städten wie München, Berlin oder Hamburg, Köln, Düsseldorf oder Frankfurt scheint die Lage ziemlich aussichtslos zu sein - zumindest für alle ohne reiche Vorfahren oder sehr erfolgreiche Karrieren. Vielleicht werden die Kaufpreise in den kommenden Monaten sogar etwas fallen, unter dem Strich aber glaubt kaum ein Beobachter, dass es für Käufer wirklich billiger wird. Zu stark sind die Zinsen in den vergangenen Monaten gestiegen. Also stellen sich viele in der sogenannten Mitte der Gesellschaft darauf ein, lebenslang Miete zu zahlen. Dabei ist der Anteil der Menschen im selbst genutzten Wohneigentum schon heute nirgends in der EU so niedrig wie in Deutschland: Das halbe Land lebt zur Miete.

Heute kaufen, irgendwann wieder verkaufen - warum eigentlich nicht?

Die einzige Alternative scheint da oft zu sein, Schulden zu vererben. Bei den Preisen und Zinsen können immer weniger ein Haus in einem Berufsleben bezahlen. Das aber ist eine Vorstellung, die viele schreckt. Sie passt nicht zu dem, was Eltern und Großeltern meist vorgelebt haben: Am Ende sollte man mehr haben als nur Miese. Wenn das nicht geht, darf man eben nichts kaufen, so sehen das noch immer viele. Dabei schadet diese merkwürdig deutsche Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität mehr, als sie nutzt.

Natürlich ist es richtig, mit Krediten vorsichtig zu sein. Aber wer sagt, dass ein Haus oder eine Wohnung ein Projekt fürs ganze Leben sein muss? Die Nachfrage nach Wohnraum ist groß - und sie wird es vor allem in den Ballungsräumen voraussichtlich bleiben. Warum also nicht heute die Vier-Zimmer-Wohnung kaufen und in ein paar Jahren wieder abgeben? Natürlich, es ist viel teurer geworden, eine Immobilie zu finanzieren. Wer das Haus, die Wohnung aber als Station im Leben begreift und nicht als seinen Sinn, rechnet anders: Der bedient eben 20 Jahre lang den Kredit statt den Vermieter und verkauft dann wieder. Wahrscheinlich hat die Immobilie inzwischen noch an Wert gewonnen, idealerweise springt dann sogar mehr heraus, als Kauf und Kredit zusammen gekostet haben. Dann hat man nicht nur 20 Jahre lang gewohnt, sondern sein Geld auch noch gewinnbringend angelegt.

So zu denken kann nicht nur finanziell reizvoll sein, sondern auch sozial und ökologisch. Denn nach 20, 30 Jahren sind viele Immobilien sowieso zu groß, ihre alternden Bewohner hadern mit den vielen Zimmern und dem großen Garten, zugleich finden die Jungen keine angemessene Bleibe für sich und ihre Familien. Also zieht ein Teil von ihnen noch weiter raus aufs Land, baut dort wieder neu und pendelt dann regelmäßig in die Stadt zur Arbeit. Während also viele Häuser und Wohnungen in Wahrheit halb leer sind, entsteht ein Neubaugebiet nach dem anderen, werden immer neue Flächen versiegelt, rollen immer mehr Autos über immer breitere Straßen in die Zentren. Und der andere Teil der Jüngeren, der in den Städten oder wenigstens in der Nähe bleibt, zahlt aus Angst vor den Schulden immer mehr Miete. Statt sich also selbst schon mal Eigentum und Vermögen aufzubauen - und sei es nur ein kleines -, wartet man im besten Fall aufs Erbe der Eltern und Großeltern in ihren großen Häusern. Und ärgert sich, dass nur die anderen verdienen an den ständig steigenden Mieten.

Wenn es aber sinnlos ist, die Wohnträume der Eltern und Großeltern immer weiter nachzubauen, und wenn es hoffnungslos ist, aus Angst ein Leben lang immer höhere Mieten zu zahlen - was dann? Dann müssen sich Mentalität und Politik ändern: Mehr Menschen müssen rein ins eigene Heim, mehr aber auch wieder raus. Nicht mehr der eine Neubau auf der grünen Wiese darf das Ideal fürs Leben sein, sondern die richtige Wohnung für jede Phase. Und was nicht mehr passt, wird eben verkauft. Andere sind da viel weiter, Italiener oder Spanier zum Beispiel, auch Finnen und Niederländer. Die Deutschen könnten sich da sicher einiges abschauen.

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