Für viele Deutsche ist die Bundesbank eine Autorität. Einst machte sie die Deutsche Mark stark, um die Sparer vor Inflation zu bewahren, nun versucht sie dasselbe beim Euro. Den Bundesbankern vertrauen viele Bürger mehr als den Politikern. Als die Regierung Kohl an den Frankfurter Goldschatz wollte, da brach ein Proteststurm aus. Wenn die Bundesbank nun vor überteuerten Wohnungen in deutschen Städten warnt, schreckt das viele Menschen auf. Droht jetzt nach der Finanz- und Eurokrise auch noch eine Immobilienblase?
Was eine solche Blase bedeutet, haben deutsche Zeitungsleser in den vergangenen Jahren gelernt. Erst Amerika, dann Großbritannien und Spanien. Wenn die Blase platzt, fallen die Preise so stark, dass Millionen Immobilienkäufer in Schulden versinken und ihren Besitz an die Bank verlieren. Unter der Last von Krediten, die keiner zurückzahlt, fallen Geldhäuser um. Die Wirtschaft leidet, Millionen verlieren ihren Job. Steht das nun in Deutschland bevor?
Bei aller Sorge heißt die gute Nachricht: So schnell pumpt sich in der Bundesrepublik keine Blase auf, weil die Situation anders ist. In Amerika oder Spanien wettete die halbe Nation auf immer höhere Hauspreise, während es hierzulande bisher eher in großen Städten immer teurer wird. Deutsche Banken vergeben bisher auch nicht so leichtfertig Kredite an Käufer, die kaum eigenes Geld haben. Und: Bei uns kommt wenigstens eine Debatte auf, ob gerade eine Blase entsteht - Amerikaner und Spanier spekulierten sich unbeschwert in den Abgrund.
Arme werden an den Rand geschoben
Noch keine Blase also, aber hohe Preise in den Städten. Und das ist für sich schon eine gravierende Sache. Wenn Wohnungen in Hamburg und Frankfurt, München und Köln wirklich bis zu 20 Prozent zu teuer gekauft werden, wie die Bundesbanker sagen, verlieren viele Eigentümer irgendwann viel Geld. Selbst passabel verdienende Akademiker können sich in den Ballungsräumen oft kein Eigenheim mehr leisten, ohne auf ihre Eltern angewiesen zu sein. Hohe Preise fachen die Mieten an, die Armen werden von dieser Entwicklung an den Rand geschoben - was eine neue Erfahrung für ein Land ist, das anders als Frankreich oder Großbritannien kaum echte, große Problemviertel kennt.
Der Anstieg der Preise hat mehrere Gründe. Billige Kredite, niedrige Zinsen für Bankguthaben, Skepsis gegenüber Aktien und die Angst vor einem Euro-Crash treiben viele Deutsche in Immobilien - wobei sie oft mit Käufern aus dem Ausland konkurrieren. Die Ursachen wurzeln aber auch tiefer, in einer falschen Politik. Mitte der Neunzigerjahre entstanden in Deutschland 600 000 Wohnungen pro Jahr, heute sind es noch ein Drittel so viele. Ein Grund dafür ist, dass sich der Staat im Liberalisierungsrausch aus der Wohnungspolitik verabschiedete. Kommunen verkauften ihren Immobilienbesitz, wiesen zu wenig Bauland aus und stoppten die Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Markt statt Staat: Was damals chic war, kommt die Städter heute teuer. Egal ob Mieter oder Käufer.
Der Staat muss eine neue Rolle für sich finden
In Amerika und Spanien entstanden Immobilienblasen, weil der Staat nicht ins wilde Marktgeschehen eingriff. In Deutschland droht darüber hinaus die Bildung von Armenvierteln, wenn der Staat das Wohnen weiter als Markt wie jeden anderen betrachtet. Die Antwort auf die Probleme ist, eine neue Rolle für den Staat zu finden.
Zentral wäre zum einen, das Entstehen einer Blase zu verhindern. Die entscheidende Frage dabei ist, ob der Preisrausch von einzelnen Großstädten auf größere Teile des Landes übergreift - spätestens dann muss man handeln. Zum Beispiel kann die Bundesbank den Banken vorschreiben, für Immobilienkredite mehr eigenes Kapital bereitzulegen, das dämpft die Lust am Verleihen. Die Bundesregierung muss zudem die Festzins-Modelle der deutschen Banken gegen Brüsseler Pläne verteidigen. Spanische Hauskäufer scheiterten auch daran, dass sich ihr variabler Immobilienkredit plötzlich mit den Marktzinsen verteuerte.
Was die Großstädte betrifft, bedarf es einer eigenen Strategie. Die Politik sollte es nicht allein dem Markt überlassen, wer von ihren Bürgern in der Stadt wohnen darf. Alle Prognosen, dass immer mehr Menschen aufs Land ziehen, haben sich als falsch herausgestellt. Die Ballungsräume sind gefragt. Darauf müssen Politiker eingehen, denen ihre Bürger etwas bedeuten. Konkret wäre es wichtig, dass alle Kommunen mehr Bauland ausweisen, sofern sie es können. Sozial Schwache sind darauf angewiesen, dass der Staat einen gewissen Bestand an billigem Wohnraum sichert. Und für die anderen Bürger verhindert eine Mietpreisbremse, dass ihr Zuhause zu teuer wird.