Süddeutsche Zeitung

Immobilienmarkt mit Tücken:"Wer eine Wohnung oder ein Haus kauft, wird in Deutschland wirklich geschröpft"

Lesezeit: 4 Min.

Von Thomas Öchsner, München

Es war eine Art Eintrittsgeld für die Wohnung: Jahrzehntelang mussten Mieter die Vermittlungsprovision für den Makler zahlen, den der Vermieter beauftragt hatte - normalerweise das 2,38-Fache der Kaltmiete. In Städten wie München konnten so sehr schnell 2000 Euro und mehr zusammenkommen, und nicht wenige Mieter fragten sich dabei: wofür eigentlich?

Seit genau drei Jahren ist damit Schluss: Seit 1. Juni 2015 muss der bezahlen, der den Auftrag erteilt, in der Regel also die Vermieter, die vorher zum Nulltarif neue Mieter bekamen. Nun, drei Jahre später, zeigt sich: "Das Gesetz hat sich bewährt, weil es klar formuliert ist und keine Ausnahmen wie bei der Mietpreisbremse zulässt." So sieht es zumindest Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. Aber inwieweit haben Mieter wirklich profitiert?

Die Bundesregierung rechnete bereits vor einem Jahr vor: Durch das Gesetz sparen Mieter jährlich etwa 500 Millionen Euro - hochgerechnet. Wirklich nachweisen lässt sich eine solche Ersparnis bislang nicht. Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), ist sich aber sicher: "Die Einführung des Bestellerprinzips hat die Mieterhaushalte entlastet." Vorsichtiger ist Sven Keussen, Vorstandsmitglied im Immobilienverband Deutschland Süd und geschäftsführender Gesellschafter in der Firmengruppe Rohrer, die Immobilien in München und Berlin vermittelt.

Mehr Wohnungen gehen unter der Hand weg

Er sagt: "Mieter mögen vielleicht glauben, dass sie durch den Wegfall der Maklercourtage Geld sparen. Tatsächlich wird der Vermieter aber versuchen, von Anfang an die Miete höher anzusetzen, um die Ausgaben für die Provision wieder hereinzubekommen." Dass die Courtage auf die Miete umgelegt oder über überhöhte Abstandszahlungen für die Kücheneinrichtung wieder eingespielt werden soll, kommt allerdings nur für Vermieter infrage, die weiter einen Makler einschalten. Doch weil sie das jetzt Geld kostet, wollen sich nicht mehr so viele wie früher den Service leisten. "Im Großen und Ganzen sind die Vermietungen über Makler zurückgegangen", sagt IW-Experte Voigtländer.

Dies hat zwei Nebeneffekte: Erstens werden mehr Wohnungen unter der Hand vergeben, etwa indem der ausziehende Mieter einen Bekannten als Nachfolger vorschlägt. Solche Wohnungen werden gar nicht erst in den Immobilienportalen öffentlich angeboten. Wer ganz neu in eine Großstadt kommt, hat es dadurch schwerer, eine Mietwohnung zu finden.

Zweitens sind die sogenannten Küchentischmakler verschwunden, die mit einer einfachen Gewerbeerlaubnis versuchten, vom großen Provisionskuchen etwas zu ergattern. "Das Geschäft hat sich professionalisiert. Wer versucht hat, sich nebenbei als Vermietungsmakler etwas dazuzuverdienen, ist jetzt weg vom Markt. Und das ist auch gut so", sagt der Münchner Immobilienwirt Keussen. Außerdem seien für viele Makler Aufträge weggefallen.

"Einige ältere Makler haben dies auch zum Anlass genommen, ihr Geschäft aufzugeben." Dafür sprechen auch die Zahlen des IVD: Der Verband, in dem 4500 Makler organisiert sind, beziffert die Umsatzeinbußen bei der Vermittlung von Mietobjekten mit 20 Prozent. Vor Inkrafttreten des Gesetzes hielten sich laut IVD das Verkaufs- und Vermietungsgeschäft die Waage. Jetzt vermitteln die Mitglieder zu 70 Prozent Kaufimmobilien und zu 30 Prozent Mietobjekte.

Auch das Unterlaufen des Bestellerprinzips scheint kein großes Thema mehr zu sein. Nach Einführung des Gesetzes häuften sich Berichte über Makler, die mit illegalen Tricks weiter ihre Provision einheimsen wollten. Manche forderten "Vertragsausfertigungsgebühren" in Höhe von mehreren Hundert Euro.

Andere ließen künftige Mieter spüren, dass sie die Wohnung nur bekommen, wenn sie im Nachhinein den Makler beauftragen und auch zahlen. Doch selbst Mieterbund-Vertreter Ropertz spricht hier von "Einzelfällen, bei denen Schindluder getrieben wird. So etwas wird sich nie ganz verhindern lassen", sagt er.

Manche Vermieter haben aber auch vom Do-it-yourself-Prinzip bei der Vermietung genug und kehren zu professionellen Maklern zurück, selbst wenn das Geld kostet: "Sie merken, dass es doch recht zeitaufwendig und anstrengend sein kann, aus einer großen Auswahl von Bewerbern den passenden Mieter herauszufinden", berichtet Keussen.

Oft muss eine Familie beim Hauserwerb Zehntausende Euro allein für die Nebenkosten ausgeben

Was das Vermieten von Immobilien angeht, scheint sich also der Markt neu eingependelt zu haben. Wie aber sieht es mit den Provisionen beim Immobilienkauf aus?

Hier gibt es keine bundesweit einheitlichen Regeln. Makler können allerdings bis zu 7,14 Prozent Courtage vom Kaufpreis verlangen - allein vom Käufer, wenn die Provision nicht, wie in manchen Bundesländern üblich, zwischen Käufer und Verkäufer geteilt wird. Trotzdem ist der Immobilienkauf über den Makler hierzulande verglichen mit anderen Ländern extrem kostspielig.

"Wer eine Wohnung oder ein Haus kauft, wird in Deutschland wirklich geschröpft. Oft muss eine Familie schon 30 000, 40 000 Euro oder in Städten wie München womöglich sogar noch deutlich mehr für die Nebenkosten ausgeben, ohne überhaupt einen Euro für den Kauf ihrer Immobilie verwendet zu haben", sagt Voigtländer. Die Grunderwerbsteuer komme dann noch obendrauf.

Die SPD hat deshalb vorgeschlagen, das Bestellerprinzip auf Immobilienverkäufer zu übertragen. Beauftragt der Verkäufer den Makler, müsste er dann auch ganz für dessen Dienstleistung aufkommen. Im neuen Koalitionsvertrag steht davon jedoch nichts. Noch sperrt sich die Union gegen eine solche Regelung.

Was aber wäre, wenn der Verkäufer zahlen muss und mit Maklern über den Preis verhandeln kann? "Das funktioniert gut, andere Länder machen uns das vor", sagt Voigtländer. So bewege sich zum Beispiel in den Niederlanden die Maklercourtage zwischen einem und zwei Prozent. In Dänemark könnten sogar nur 0,5 Prozent des Kaufpreises fällig werden.

Dem IW-Experten leuchtet auch nicht ein, warum die Courtage, die Notargebühren und die Kosten für den Grundbucheintrag in Deutschland von der Höhe des Kaufpreises abhängen. "Durch den höheren Preis erhöht sich ja nicht der Aufwand für den Notar", sagt er. Auch hier sieht er die Niederlande als Vorbild: Dort seien die Kosten für den Notar und den Grundbucheintrag deutlich geringer. Für die Käufer hat dies mehrere Vorteile: Durch die niedrigeren Nebenkosten bleibt mehr Eigenkapital übrig. Das kann helfen, einen günstigeren Hypothekenzins zu vereinbaren. "Wir müssen von den hohen Nebenkosten herunterkommen", sagt Voigtländer. "Dann kann der Erwerb von Wohneigentum auch die Altersvorsorge besser ergänzen."

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Quelle:
SZ vom 04.06.2018
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