Immobilienmarkt:Kampf gegen die Blase

Immobilienmarkt: Höhere Steuern auf Immobilien?

Höhere Steuern auf Immobilien?

(Foto: www.joergensen.com)

Die Bundesregierung hat die Niedrigzinspolitik in Europa stets gutgeheißen. Nun warnen Ökonomen vor Exzessen am Immobilienmarkt. Als Lösung empfehlen sie einen Schritt, der bei vielen Bürgern auf Widerstand stoßen dürfte.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Der Moment, in dem die Euro-Krise ihre hässliche Fratze verlor, lässt sich anders als manch vorangegangene historische Wendung ziemlich exakt bestimmen. Es war am Vormittag des 26. Juli 2012, als Mario Draghi bei einer Konferenz in London jenen berühmten Satz sprach, wonach die Europäische Zentralbank (EZB) "alles, was immer auch nötig ist, tun wird", um den Euro vor dem Untergang zu bewahren.

Es war inmitten aller Irrungen und Wirrungen eine Bestandsgarantie für die Einheitswährung, es war die big bazooka, die man an den Finanzmärkten so vehement gefordert hatte. Auch im fernen Berliner Kanzleramt rieb man sich ob der Ankündigung des Notenbankchefs die Hände, bedeutete sie doch, dass Europas Staatenlenker fortan einen Teil der Arbeit wie auch der Krisenkosten bei ihm abladen konnten.

Dabei könnte Draghis Schwur der Bundesregierung noch zum Verhängnis werden, wie ein Gutachten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zeigt. Auftraggeber der 174-seitigen Expertise, die vor kurzem an den Bundestag verschickt wurde, ist ausgerechnet Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Nach Meinung der Gutachter besteht die Gefahr, dass die ultra-niedrigen Leitzinsen, mit denen die EZB die Krise seit Jahren bekämpft, in einem konjunkturell vergleichsweise blühenden Land wie Deutschland auf Dauer erheblichen Schaden anrichten. So könne die Geldschwemme zu einer exzessiven Kreditvergabe, einer Fehlleitung von Kapital, einer Preisblase am Immobilienmarkt, der Entstehung von "Zombie-Banken", unverhältnismäßig hohen Lohnanstiegen und damit zu einem Fehlurteil über die Wirtschaftskraft insgesamt führen, heißt es in der Expertise. Werde hier nicht gegengesteuert, sei auf mittlere Sicht eine "schwere Rezession" mit entsprechend fatalen Folgen für den Staatshaushalt nicht auszuschließen.

Ökonomen schlagen höhere Besteuerung von Häusern vor

Um der Gefahr einer Immobilienblase zu begegnen, schlagen die Ökonomen unter anderem eine höhere Besteuerung von Häusern und Grundstücken vor - eine Idee, die bei vielen Bürgern auf heftigen Widerstand stoßen dürfte. Derzeit wird die Grundsteuer in Deutschland auf Basis sogenannter Einheitswerte erhoben, die mit den tatsächlichen Verkehrswerten der Immobilien wenig zu tun haben.

Betrachtet man den Hauspreis-Index EPX, haben sich die Preise für Häuser und Wohnungen zwischen 2009 und 2014 in der Tat um mehr als 20 Prozent erhöht, in begehrten Lagen schossen sie noch deutlich stärker nach oben. Die Zahl der Baugenehmigungen stieg wegen der niedrigen Hypothekenzinsen und der Suche vieler Investoren nach einer vermeintlich sicheren Geldanlage im selben Zeitraum sogar um 50 Prozent.

Einer solchen "Flucht in die Sachwerte" sollte die Politik aus Sicht der Kieler Forscher durch eine regelmäßige Anpassung der Einheitswerte an die Preisentwicklung entgegenwirken, was faktisch einer Steuererhöhung gleichkommt.

Dabei räumen die Experten durchaus ein, dass die laufende Ermittlung aller Verkehrswerte nicht nur sehr aufwendig wäre, sondern auch viele Alteigentümer stark belasten würde. Eine Wiederbelebung der Eigenheimzulage, wie sie unter anderem CSU-Politiker immer wieder einmal ins Spiel bringen, lehnt das IfW hingegen kategorisch ab.

Schärfere Auflagen für die Bankbranche

Weitere Schritte zur Vermeidung eines konjunkturellen Einbruchs könnten aus Sicht der Experten eine äußerst restriktive Haushaltspolitik sowie eine "verstärkte Nutzerfinanzierung der Infrastrukturbereitstellung insbesondere im Verkehrsbereich" sein.

Hinter der umständlichen Formel verbirgt sich die Idee, den Bau und die Reparatur von Autobahnen, Straßen und Brücken in größerem Umfang Privatinvestoren zu übertragen, die sich ihre Aufwendungen dann über eine Maut von den Autofahrern zurückholen könnten - und damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Einerseits würde der massive Investitionsstau bei der Straßensanierung beseitigt und der Verfall der Infrastruktur gebremst. Andererseits erhielten Groß- und Kleinsparer die Möglichkeit, ihr Geld "in langfristig potenzialwirksame Verwendungen" zu investieren, sprich: es wachstumsfördernd anzulegen, statt es für überteuerte Wohnungen auszugeben.

Darüber hinaus sprechen sich die Experten für deutlich schärfere Auflagen für die Bankbranche aus, die aus ihrer Sicht "von herausragender Bedeutung für die Abwehr von finanzwirtschaftlichen Übertreibungen" wären. Dazu zählt unter anderem eine Schuldenobergrenze für Geldhäuser sowie eine raschere Einführung der ohnehin geplanten strengeren Eigenkapitalvorschriften.

Darüber hinaus plädieren die Gutachter dafür, dass Banken, die sich mit Hilfe von Unternehmensanleihen finanzieren, diese Papiere nur noch in Form sogenannter bedingter Zwangswandelanleihen (CoCo-Bonds) emittieren dürfen. Sollte die Eigenkapitalquote eines Instituts unter einen bestimmten Grenzwert sinken, würden die Anleihen automatisch in Aktien gewandelt. Aus Fremdkapital würde so Eigenkapital, aus den Besitzern der CoCo-Bonds voll haftende Aktionäre.

Keine schöne Aussicht für die eigentlichen Anteilseigentümer, deren Aktienpakete verwässert würden. Sie erhielten damit einen Anreiz, dem Vorstand ihrer Bank allzu riskante Geschäfte schlicht zu untersagen.

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