Immobilienmarkt in New York:Boxkämpfe ohne Handschuhe

Immobilienmarkt in New York: In New York eine Wohnung zu suchen, bedeutet, sich mit tricksenden Maklern herumzuschlagen.

In New York eine Wohnung zu suchen, bedeutet, sich mit tricksenden Maklern herumzuschlagen.

(Foto: AP)
  • Der Immobilienmarkt in New York ist hart - für Mieter, aber auch für Makler.
  • In der Metropole kann beinahe jeder Makler werden. Gleichzeitig gibt es so viele von ihnen, dass Konkurrenz und Trickserei extreme Ausmaße annehmen, das Gehalt aber mager sein kann.

Von Kathrin Werner, New York

Wer in New York eine Wohnung gesucht hat, kann eine Geschichte erzählen. Von dem Makler, der in der Anzeige den Mietpreis um 500 Dollar niedriger angab, als er später im Mietvertrag stand. Von den glanzvollen Anzeigen über lichtdurchflutete Jugendstilwohnungen, die seit 120 Jahren nicht mehr renoviert worden sind. Von dem Makler, der so nach Schweiß stank, dass sich in der Einzimmerwohnung kaum mehr atmen ließ. Von den Bruchbuden, die der Makler vorführt, weil das annoncierte Traumapartment ausgerechnet vor wenigen Minuten vermietet wurde - nachdem man für die Besichtigung mit der U-Bahn durch die halbe Stadt gefahren ist. Von Maklern, die eine Wohnung fest zusagen, und dann nie wieder ans Telefon gehen. Und so weiter.

Der New Yorker Wohnungsmarkt ist ein Gruselkabinett, die Makler sind die Hauptdarsteller. Sie lassen deutsche Verhältnisse selbst in umkämpften Metropolen wie München wie Gruppenkuscheln wirken. "Manchmal kann das Immobiliengeschäft schmutzig werden", sagt Ryan Serhant in einem Fernsehinterview. Serhant ist ein pomadisierter 30-Jähriger, der Dank der Show "Million Dollar Listing" New Yorks berühmtester Makler wurde. "Es ist wie Boxkämpfe ohne Handschuhe, nur dass keine Ringrichter an der Seite stehen."

Ein Standardtrick, verrät er, sind gefälschte Anzeigen. Die Makler würden irgendwelche Fotos aus dem Internet für ihre Annoncen verwenden oder Bilder von längst vergebenen Wohnungen oder Häusern. Wenn die Interessenten dann die Immobilie sehen wollen, geben sie vor, dass die Angepriesene gerade vergeben wurde und bieten stattdessen eine ganz andere an. Man müsse einfach ein Hai sein in New Yorks Immobilienmarkt, sagt Serhant. Und er fügt noch hinzu: "Das größte ethische Problem, dass ich sehe, ist Unehrlichkeit."

Jeder kann Makler werden

Die Tricksereien der Branche haben damit zu tun, dass es vergleichsweise einfach ist, Makler in New York zu werden. Man muss 18 Jahre alt sein, braucht keinen Schulabschluss, muss für etwa 160 Dollar einen 75-stündigen Online-Kurs belegen und dann einen Test bestehen - schon vergibt New York eine Lizenz. Immobilienfirmen engagieren fast jeden, der sich bei ihnen bewirbt, schließlich zahlen sie kein Gehalt. Die Firmen bekommen aber meist die eine Hälfte, die Makler die andere Hälfte der Provision, das ist für sie alles. Für viele junge New Yorker ist die Aussicht auf einen Anteil der üblichen Courtage in Höhe von einer Monatsmiete oder 15 Prozent der Jahresmiete allerdings besser als Arbeitslosigkeit.

Derzeit arbeiten in New York mehr als 27 000 Makler. Alle hoffen, dass sie bei einem der nur etwa 12 000 Käufe und Verkäufe im Jahr mitverdienen können, sagt Serhant. Sie bringen das meiste Geld. Auf dem New Yorker Immobilien-Blog www.brickunderground.com beschreibt eine ehemalige Maklerin das Geschäft: Sie arbeitete von neun Uhr bis 18 Uhr, trotzdem konnte sie in mehreren Wochen nur eine Wohnung vermieten - für eine Provision von 750 Dollar. Entsprechend verzweifelt sind viele Makler.

Es gibt einen richtigen Code für Lügen in Wohnungsanzeigen: "Gemütlich" bedeutet winzig. "Hell" heißt nicht zwangsläufig, dass Sonnenlicht ins Fenster fällt sondern oft nur, dass es integrierte Neon-Deckenlampen gibt. "Loft" bedeutet nicht, dass es eine geräumige Wohnung in einem alten Lagerhaus ist, sondern nur, dass sie unter dem Dach liegt - auch wenn ihre Decken niedrig sind und sie im sechsten Stock ohne Fahrstuhl liegt. "Nur ein kleiner Fußweg von der U-Bahn" - das können auch gern zwei Kilometer Entfernung sein. Wenn eine Wohnung klingt, als sei sie zu schön, um wahr zu sein, ist sie meist nicht wahr, sagt John Kobs von der Wohnungsanzeige-Website Apartment List. "Der einzige Ort, an dem es eine luxuriöse Penthouse-Wohnung in der Upper East Side für 1500 Dollar im Monat gibt, ist in deinen Träumen."

Seriösen Maklern wird das Image zu Last

Auch bei den Maklergebühren gibt es eine Menge Tricks. Fast immer haben mehrere Makler die gleiche Wohnung im Angebot. Immobilienmanagement-Firmen stellen ihre Angebote oft online und alle Makler haben Zugang. Sie geben aber gern vor, die Wohnung exklusiv zu vermitteln, um eine höhere Provision zu ergattern. Dabei könnte sich der Mieter auch direkt an die Wohnungsfirma wenden und gar keine Courtage zahlen.

Manche Makler verpflichten ihre Interessenten auch dazu, eine zusätzliche sogenannte Bewerbungsgebühr in bar zu zahlen, bevor sie eine Wohnung sehen, zum Beispiel für Kreditwürdigkeits-Prüfungen - egal ob es zum Vertragsabschluss kommt. Dazu haben sie kein Recht, aber das wissen viele Mieter überhaupt nicht. Ein häufiger Trick ist auch, dass Makler doppelt Courtage kassieren - vom Vermieter, der seine Wohnungen provisionsfrei anbieten will - und vom Mieter, der davon nie erfährt. New Yorks Verbraucherschutz-Behörde hat schon vor diesen Betrügereien mit Maklergebühren gewarnt, man kann ihr Fehlverhalten melden. Geändert hat das noch nicht viel.

Für die vielen ehrlichen Makler, die natürlich in New York genauso existieren wie überall, ist das schlechte Image ihrer Branche eine Last. Sie versuchen, durch eine besonders große Charme-Offensive die Miet- oder Kaufinteressenten von sich zu überzeugen - oft unterstützt von Menschen wie Dawn Doherty, die sich auf Coaching für Makler spezialisiert hat.

Große Immobilienfirmen wie Douglas Elliman haben zudem ihre eigenen Trainer. Doherty gibt Verhaltenstipps, wie Makler ihre Interessenten bei Laune halten können trotz frustrierender Erfahrungen auf dem New Yorker Mietmarkt, zum Beispiel indem sie die richtigen Fragen stellen. "Und ich sage den Maklern, dass sie das Handy weglegen sollen, wenn sie mit Klienten unterwegs sind."

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