Immobilienmarkt im Jahr 2017:Wohnen müssen alle

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Angesichts steigender Preise will die Politik Familien helfen und Mieter entlasten - streitet aber noch, wie. Wohnraum wird so zum Wahlkampfthema 2017.

Von Benedikt Müller

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst waren Wohnungen das wichtigste Wahlkampfthema: Was soll das Land gegen steigende Mieten und Kaufpreise unternehmen? Wie können mehr günstige Wohnungen entstehen?

Jetzt regiert Rot-rot-grün in Berlin - und greift stärker in den Markt ein. Die neue Regierung will die Mietpreisbremse ausweiten und verhindern, dass Mietwohnungen in Eigentums- oder Ferienapartments umgewandelt werden. Landeseigene Gesellschaften sollen nun mehr Wohnungen bauen, mit festen Höchstmieten. Viel weiter links geht es auf der Skala der Wohnungspolitik kaum. Entsprechend warnt die Immobilienwirtschaft bereits vor "investorenfeindlicher" Politik.

Berlin liefert einen Vorgeschmack darauf, dass Immobilien auch im Bund zum Wahlkampfthema werden dürften. Als Angela Merkel ankündigte, erneut als Kanzlerkandidatin anzutreten, nannte sie als künftiges Ziel der CDU, Familien beim Immobilienkauf zu unterstützen. Auch die SPD hegt solche Pläne - und will das Mietrecht verschärfen, etwa die Mietpreisbremse. Doch scheitert das bislang am Widerstand der Union. "Ich bin sicher, dass im Koalitionsgezänk stecken gebliebene Reformansätze Thema im Wahlkampf 2017 werden", sagt Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes.

Vieles deutet darauf hin, dass Mieten und Kaufpreise in den Ballungsgebieten weiter steigen werden. Noch zeichnet sich keine Wende bei den Bauzinsen ab. Gleichzeitig zieht es junge Menschen nach wie vor in die Großstädte. Berlin etwa gewinnt jedes Jahr 40 000 Einwohner, doch nur etwa 10 000 Wohnungen werden fertig. Zudem warten anerkannte Asylbewerber darauf, endlich aus den Sammelunterkünften in normale Wohnungen ziehen zu können.

"Die Wohnungssituation in den Ballungsräumen wird sich weiter anspannen", prophezeit der Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen.

Was macht die Politik? Sicher ist, dass der Bund im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellt. Das ist dreimal so viel wie vor zwei Jahren. Und die Länder wollen das Geld wirklich für den Bau nutzen, statt anderweitig auszugeben, wie es in Jahren zuvor völlig üblich war.

Wer Kinder hat, soll Geld fürs Eigenheim bekommen. Ohne Rückzahlung

Zugleich rücken Familien in den Mittelpunkt der Wohnungspolitik. So schlägt Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) vor, bis zu 20 000 Euro Zuschuss an Familien zu geben, die Immobilien in einer besonders nachgefragten Region kaufen. Die Förderung soll von der Kinderzahl abhängen und nur Familien mit einem Einkommen unter 70 000 Euro zukommen.

Auch die Union will Familien den Immobilienkauf erleichtern, "denn das ist immer noch die beste Altersvorsorge", sagt Jan-Marco Luczak, CDU-Obmann für Recht und Verbraucherschutz. Allerdings befürwortet sie eher ein Baukindergeld, das Familien jährlich erhalten sollen. Noch gibt es keine Einigung. "Es herrscht aber offenbar Konsens unter den Regierungsparteien, dass der Staat kinderreichen Immobilienkäufern in den Ballungsräumen Geld schenken sollte, das nicht zurückgezahlt werden muss", sagt Dietrich Sammer, Anwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht.

Damit reagiert die Politik darauf, dass Deutschland trotz niedrigster Zinsen ein Land der Mieter bleibt. Weniger als die Hälfte der Menschen lebt im Eigentum; dies gilt als Hauptgrund, warum das Durchschnittsvermögen hierzulande viel niedriger ist als im europäischen Mittel. Dem Pestel-Institut in Hannover zufolge ist der Anteil der 25- bis 45-Jährigen, die im Eigentum leben, in den vergangenen Jahren gar gesunken. Denn viele Banken verlangen, dass Immobilienkäufer 20 Prozent des Preises als Eigenkapital mitbringen. Zudem müssen Grunderwerbsteuer, Notar- und Maklergebühren aus dem Ersparten bezahlt werden. Je höher die Preise steigen, desto höher wird diese Hürde.

Ob Zuschüsse den Familien helfen würden, ist allerdings umstritten. In jenen nachgefragten Regionen, in denen etwa Hendricks Förderung greifen würde, kosten Eigenheime für Familien gut und gerne 500 000 Euro. Alleine die Grunderwerbsteuer beläuft sich also auf 17 500 bis 32 500 Euro, je nach Bundesland. "Wenn Familien nun bis zu 20 000 Euro Zuschuss vom Staat bekämen, wäre das wie: linke Tasche, rechte Tasche", sagt Anwalt Sammer. "In den Ballungsräumen würde eine solche Förderung nur Familien helfen, die ohnehin genug Geld angespart haben."

Deshalb schlägt etwa CDU-Politiker Luczak vor, Familien bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag zu gewähren, der mit der Zahl der Kinder steigen könnte. Allerdings sind die Länder auf Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer angewiesen. Noch ist kein Kompromiss abzusehen.

Spannend bleibt 2017 auch, ob die Regierung die Mietpreisbremse noch reformieren wird. In etwa 300 Städten gilt, dass die Miete bei einem Mieterwechsel höchstens zehn Prozent über das ortsübliche Niveau steigen darf. Doch berufen sich bislang kaum Mieter vor Gericht auf die Preisbremse. Sie gilt zum Beispiel nicht, wenn der Vermieter bereits beim Vormieter die Grenze überschritten hatte. Allerdings kennen die meisten Mieter die Vormiete nicht. Seit Monaten fordert die SPD, Vermieter sollten die Vormiete künftig offenlegen müssen, wie sie etwa auch einen Energieausweis vorzeigen müssen. Zudem will Justizminister Heiko Maas Mieterhöhungen nach Modernisierungen begrenzen und die Mietspiegel reformieren.

Die Union lehnt die Vorschläge ab. "Die Mietpreisbremse funktioniert in der Praxis - das haben mehrere Gerichtsurteile gezeigt", sagt CDU-Politiker Luczak. Langfristig seien neue Wohnungen das beste Mittel gegen steigende Mieten. "Wir dürfen den Wohnungsbau nicht durch mehr Regulierung abwürgen", sagt Luczak.

Sollte sich die Koalition bis zum Sommer nicht einigen, könnte die SPD ihre Forderung einer schärferen Mietpreisbremse in den Bundestagswahlkampf mitnehmen. Allerdings kritisiert der Mieterbund, so ginge der Wohnungspolitik wertvolle Zeit verloren. "Ich warne die Politik davor, jetzt schon in den Wahlkampfmodus zu schalten", sagt Rips vom Mieterbund. "Die Probleme auf den Wohnungsmärkten müssen so schnell wie möglich angepackt und gelöst werden." Da sind sich Mieterbund und Wohnungswirtschaft ausnahmsweise einig. Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes sagt: "Es sind Lösungen gefragt, wenn ich nur an den Wohnungsbau denke."

In der Sache scheint es aber aufwärts zu gehen: Von Januar bis Oktober 2016 wurden bundesweit 23 Prozent mehr neue Wohnungen genehmigt als im Vorjahr, berichtet das Statistische Bundesamt. Damit bleibt das Zusammenspiel aus niedrigen Zinsen, hoher Zuwanderung und Umzügen ein Wachstumsfaktor für die Volkswirtschaft: Jedenfalls blickt keine Branche in Deutschland so optimistisch ins neue Jahr wie die Bauwirtschaft.

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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