Immobilienmarkt:Ein Fest nach dem anderen

World Wealth Report 2016

Der Richtkranz für den Henninger-Turm vor der Frankfurter Skyline. Eine Überhitzung des Immobilienmarktes sehen Experten noch nicht. Die Nachfrage steigt derzeit stärker als das Angebot. Dies sorgt vor allem in Großstädten für hohe Wohnungs- und Häuserpreise.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Dank niedriger Zinsen kann sich die Baubranche über volle Auftragsbücher freuen. Doch vor allem in den Ballungszentren wird Wohneigentum noch teurer.

Von Norbert Hofmann

In der deutschen Baubranche ist die Stimmung so gut wie lange nicht mehr. Im Süden der Republik etwa bewerteten die Betriebe im Konjunkturbarometer der Landesvereinigung Bauwirtschaft Bayern (LVB) ihre Geschäftslage so positiv wie noch nie seit dem Jahr 2005. Selbst für das jetzt laufende Winterhalbjahr erwartet mehr als die Hälfte der Firmen nicht die sonst übliche Saisonflaute. Auch bundesweit ist die Branche zuversichtlich. "2016 war gemessen an der Umsatzentwicklung ein gutes Jahr und die Wirtschaftsaussichten lassen erwarten, dass 2017 mindestens genauso gut sein wird", sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB).

Vor allem der Wohnungsbau wird dabei weiter eine treibende Kraft sein. Immer mehr Menschen investieren in die eigenen vier Wände oder renovieren vorhandenes Wohneigentum. Zu dieser Bereitschaft tragen nicht nur höhere Löhne und sichere Arbeitsplätze bei, sondern auch das Zinsumfeld. "Die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist hoch, weil Sparen bei dem derzeitigen Zinsniveau wenig attraktiv ist und weil die Finanzierungskonditionen für Hypothekendarlehen günstig sind", sagt Stefan Kipar, Volkswirt Deutschland bei der BayernLB. Auch Großanleger drängen auf der Suche nach Rendite in den Wohnimmobilienmarkt.

Es wächst die Sorge, dass an manchen Standorten Wertverluste drohen

Ausgehend vom jetzigen Zinsniveau rechnet Kipar mit einer weiter steigenden Nachfrage, die auch höhere Preise nach sich ziehen dürfte. Mit einer Änderung dieses Trends ist angesichts der Ankündigungen der Europäischen Zentralbank (EZB) so schnell nicht zu rechnen. Selbst wenn die Zinsen im Zuge des leichten Anstiegs in den USA auch in Deutschland wieder einmal auf zwei oder drei Prozent anziehen sollten, werden sich viele potenzielle Hausbauer ein solches im historischen Vergleich immer noch günstiges Zinsniveau sichern wollen.

Angesichts wieder steigender Verbraucherpreise könnte die Attraktivität der Immobilie als stabiler Sachwert sogar noch zunehmen. Das Ifo-Institut etwa prognostizierte im Dezember für 2017 eine Inflationsrate von 1,5 Prozent. "Wenn die Zinsen niedrig bleiben und die Inflation auf dieses Niveau steigt, sinkt der Realzins auf Sparanlagen", sagt Ifo-Experte Ludwig Dorffmeister. Dies könne dazu führen, dass die Nachfrage nach Immobilien zusätzlichen Schub erhält.

Allerdings wächst die Sorge, dass sich an manchen Standorten ein übertriebener Preisanstieg aufbaut und den Käufern und Bauherren von heute in späteren Jahren Wertverluste drohen. Nur allzu gut ist das Platzen der Immobilienblase in den USA und anderen europäischen Märkten in Erinnerung. Bundesbank-Vorstandsmitglied Andreas Dombret warnte kürzlich, dass zumindest das Risiko einer Blase in einigen Teilmärkten zunimmt. Die Preise für deutsche Wohnimmobilien bewegen sich seit sieben Jahren im Aufwärtstrend. Im Deutschland-Mittel sind nach Berechnungen des IVD-Bundesverbands der Immobilienwirtschaft 2016 die Preise für Neubauwohnungen um gut sechs Prozent gestiegen. In den 14 deutschen Metropolen mit mehr als 500 000 Einwohnern wurden diese Wohnungen um mehr als sieben Prozent teurer. In großen Ballungsräumen wie Berlin oder München stehen je nach Lage oft sogar noch größere Zuwächse zu Buche. Dennoch sehen Experten noch keine Gefahr einer Überhitzung. "Auch wenn das Preisniveau insbesondere in den Metropolen schon sehr hoch ist, gibt es in Deutschland bislang kaum Anzeichen für eine Blase", sagt BayernLB-Volkswirt Kipar.

Die Firmen rechnen mit Spielraum für weitere Preiserhöhungen

So bewegen sich wichtige Indikatoren wie das Verhältnis von Immobilienpreisen zu den Einkommen und zu den Mieten noch im langfristigen Durchschnitt. Gleichzeitig wächst die Nachfrage stärker als das Angebot. Zwar ist die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um etwa 30 Prozent gestiegen. Und 2017 dürften nach Schätzungen der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) erstmals seit 2001 bundesweit wieder mehr als 300 000 Wohnungen fertiggestellt werden. Ein Zeichen für einen Angebotsüberhang ist das aber noch lange nicht. "Der Wohnungsmarkt in Deutschland profitiert derzeit nicht nur von der intensivierten Suche nach geeigneten Anlagemöglichkeiten, sondern auch von der stark gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum", sagt Ifo-Experte Dorffmeister. Er verweist unter anderem auf den anhaltenden Zuzug aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Polen und Bulgarien. Seit der Finanzkrise habe die Anziehungskraft Deutschlands - auch im Zuge der Flüchtlingswanderung - erheblich zugenommen. Dorffmeister beobachtet weder eine leichtfertige Kreditvergabe der Banken noch spekulative Tendenzen, die eine Blasenbildung befördern würden. So sind die meisten Investoren derzeit vor allem auf Wertsicherung bedacht und geben sich mit relativ moderaten Renditen zufrieden.

Angesichts des Preisanstiegs der vergangenen Jahre wird es für viele Haushalte vor allem in den Ballungsräumen zunehmend schwieriger, Wohneigentum zu erwerben. Hinzu kommt, dass die Baukosten steigen und Fachkräfte nicht mehr so einfach verfügbar sind. So melden Kammern immer längere Wartezeiten bei Handwerkern. Im Ifo-Konjunkturtest vom Dezember lagen die Umfragewerte zu Geschäftslage und den Perspektiven für die kommenden sechs Monate im Bauhauptgewerbe auf Rekordniveau. Die Erwartungen an den Personalbedarf sind demnach so hoch wie noch nie seit 1991.

Gleichzeitig rechnen die Firmen mit Spielraum für weitere Preiserhöhungen. Die führten in der Vergangenheit nicht zu großen Gewinnsprüngen. "Die Margen der Bauunternehmen liegen im Durchschnitt bei unter zwei Prozent", sagt ZDB-Hauptgeschäftsführer Pakleppa. In den vergangenen beiden Jahren war der Preisanstieg vor allem von den höheren Arbeitskosten geprägt. Teuer wird Bauen durch regulatorische Vorgaben im technischen Bereich und mit Blick auf die einzuhaltenden Umweltstandards. Das beginnt beim Brand- und Schallschutz und reicht bis zu energetischen Anforderungen. Gleichzeitig sind vielerorts Maklergebühren und Grunderwerbsteuer gestiegen. "Insgesamt liegen die Nebenkosten damit im zweistelligen Prozentbereich", sagt Pakleppa.

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