Immobilienkauf in Deutschland:Mit weniger Geld ins eigene Haus

Neubausiedlung

Eine Neubausiedlung in Gelsenkirchen: In Deutschland besitzen nur 45 Prozent der Haushalte eine Immobilie

(Foto: dpa)

Trotz niedriger Bauzinsen bleibt Deutschland ein Mieterland. Das hat fatale Folgen für Altersvorsorge und soziale Gleichheit. Staat und Wirtschaft könnten das aber ändern.

Von Benedikt Müller

Wenn Forscher vergleichen, wie reich die Menschen in Europa sind, dann wundern sich viele: Im wirtschaftlich so stabilen Deutschland hat eine durchschnittliche Familie ein viel niedrigeres Vermögen als in Krisenstaaten wie Spanien oder Zypern. Das rechnet etwa die Zentralbank regelmäßig aus. Ein Grund: In Deutschland besitzen nur 45 Prozent der Haushalte eine Immobilie. Schon in der Nachkriegszeit wurden viele Mehrfamilienhäuser gebaut - und heute ziehen viele Menschen in die Großstädte, wo es vor allem Mietwohnungen gibt. In keinem EU-Land ist der Anteil der Eigentümer so niedrig wie in Deutschland.

Obwohl die Bauzinsen in den vergangenen Jahren auf ein Rekordtief gesunken sind, hat sich das nicht geändert, berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Nur ältere Menschen und besonders reiche Haushalte konnten ihre Wohneigentumsquote seit dem Jahr 2011 steigern", sagt Michael Voigtländer, IW-Immobilienexperte. Dabei wäre es in Zeiten niedriger Zinsen und unsicherer Renten eine gute Vorsorge, im Alter mietfrei im abbezahlten Haus zu wohnen. "Doch viele Haushalte finden keinen Zugang zum Wohnungsmarkt, weil ihnen die finanziellen Mittel fehlen", sagt Voigtländer: Banken verlangen, dass ein Käufer etwa 20 Prozent des Preises als Eigenkapital mitbringt; hinzu kommen Gebühren und Steuern. Je mehr die Immobilienpreise steigen, desto höher werde diese Hürde. "Viele Haushalte glauben schon nicht mehr, dass sie Wohneigentum bilden können."

Im aktuellen Immobilienboom verschärft dieses Problem die Ungleichheit: In den Ballungsgebieten gewinnen Häuser an Wert, während Mieter immer mehr Geld ausgeben müssen. Deshalb tüfteln auch die großen Parteien jetzt an Ideen, wie sie die Eigentumsquote steigern könnten.

Grunderwerbsteuer

Dabei ist das Problem zum Teil hausgemacht: Bis auf Bayern und Sachsen haben alle Bundesländer die Grunderwerbsteuer erhöht, auf bis zu 6,5 Prozent des Kaufpreises. Die Länder verbuchen Rekordeinnahmen mit dieser Steuer. Doch sie verteuern den Immobilienkauf um mehrere Tausend Euro, weil Käufer die Steuer nicht mit ihrem Baukredit finanzieren können.

Auf Bundesebene fordern nun Unionspolitiker einen Freibetrag für Familien, die FDP einen Freibetrag für alle Erstkäufer. Doch dann müsste die öffentliche Hand auf Milliardeneinnahmen verzichten. "Es ist nicht abzusehen, dass die Grunderwerbsteuer sinken wird", sagt Dietrich Sammer, Fachanwalt für Miet- und Wohneigentumsrecht. "Die Länder sind auf diese Einnahmen angewiesen."

IW-Ökonom Voigtländer schlägt nun vor, Immobilienkäufer sollten die Grunderwerbsteuer über zehn Jahre gestreckt zahlen können, beispielsweise jeden Monat eine kleine Rate. "Vielerorts ist es günstiger, im Eigentum zu leben, als zu mieten", sagt Voigtländer. Diesen Spielraum könnten Käufer nutzen, um die Grunderwerbsteuer nach und nach zu zahlen. Allerdings bräuchte der Staat dann ein Zugriffsrecht auf die Immobilie. Denn wenn ein Käufer sein Haus schnell wieder verkauft, müsste die Steuer trotzdem eingezogen werden. Doch: Auch mit einer gestreckten Steuer bliebe der Kapitalbedarf der Käufer hoch.

Staatliche Garantien

Wenn es ein Staat sehr ernst mit der Eigentumsförderung meint, kann er Garantien für Baukredite übernehmen - oder Nachrangdarlehen an Immobilienkäufer aus der Mittelschicht vergeben. Die Banken müssten dann nicht mehr 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital verlangen, so das Kalkül von Ökonom Voigtländer, die Hürde wäre gesenkt. Doch spätestens seit der Finanzkrise sind solche Garantien in Verruf geraten: In den USA vergaben halbstaatliche Finanzierer massenhaft Kredite an Immobilienkäufer mit geringem Einkommen - bis die Blase platzte.

"Es kann nicht darum gehen, allen Haushalten die Wohneigentumsbildung zu ermöglichen, wie dies einmal in den USA geplant war", gibt Voigtländer zu. "Denn der Staat würde einen Teil des Ausfallrisikos übernehmen." Doch dieses Risiko würde minimiert, wenn der Staat darauf bestünde, dass Käufer sich die Zinsen lange festschreiben lassen und ihren Kredit von Anfang an fleißig tilgen.

Fachanwalt Sammer wendet ein, die Banken verlangten schon zu Recht gewisse Sicherheiten. Schließlich bräuchten Hausbesitzer stets Geldreserven, etwa für Reparaturen. "Staatliche Garantien könnten Menschen in eine Überschuldung locken."

Miet-Kauf-Modelle

Doch vielleicht braucht es den Staat gar nicht, um Lösungen zu finden: Banken und Investoren suchen zurzeit nach Möglichkeiten, Geld rentabel anzulegen, und investieren verstärkt in Immobilien. Ökonom Voigtländer regt Miet-Kauf-Modelle an: Ähnlich wie beim Auto-Leasing mietet die Familie eine Immobilie, die sie nach ein paar Jahren kaufen kann. Dazu zahlt sie gleichzeitig in einen Sparvertrag ein. Der Kunde kann also schon in seine Immobilie einziehen, "und bis er genug Geld angespart hat, springt beispielsweise eine Bank ein", sagt Voigtländer.

Bislang sind solche Miet-Kauf-Verträge selten: Die Doppelbelastung aus Mieten und Sparen ist vielen zu hoch. Doch Voigtländer bewirbt das Modell auch für Unternehmen, die ihren Beschäftigten auf diese Weise Wohnungen vermieten könnten - und gleichzeitig eine Geldanlage hätten.

Staatliche Zuschüsse

Die große Koalition in Berlin diskutiert indes staatliche Zuschüsse: Die Union schlägt ein Baukindergeld vor, das Familien monatlich bekämen. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) befürwortet eine einmalige Zahlung an Familien, die in Ballungsgebieten oder Regionen eine Immobilie kaufen, aus denen Menschen wegziehen. "Ich würde mir wünschen, dass wir noch eine Einigung vor der Bundestagswahl hinbekommen", sagt sie. Doch offenbar wollen die Koalitionäre das Thema lieber in den Wahlkampf mitnehmen.

500 Millionen Euro im Jahr würde der Staat für die Förderung zur Verfügung stellen. Umso wichtiger wäre es, sagt Fachanwalt Sammer, dass die Zuschüsse zweckgebunden sind. "Käufer müssten nachweisen, dass sie das Geld wirklich für den Kauf einer Immobilie gebraucht haben." Die effektivste Förderung wäre allerdings, Angebot und Nachfrage auf den Wohnungsmärkten besser auszugleichen: "Die eigentliche Lösung des Problems ist, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen."

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