Uni Immo Wohnen ZBIWas geschädigte Anleger offener Immobilienfonds jetzt beachten müssen

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Von Immobilienboom profitieren, das versprachen entsprechende Fonds.
Von Immobilienboom profitieren, das versprachen entsprechende Fonds. (Foto: Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de/imago images/photothek)

Offene Immobilienfonds galten lange als sichere Geldanlage – doch nun gibt es Zweifel. Ein Gerichtsurteil könnte Folgen für Anleger haben: Gibt es Schadensersatzansprüche?

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Kontinuierliche Rendite, Sicherheit und Inflationsschutz – mit diesen Versprechen haben Volksbanken offene Immobilienfonds lange als attraktive Alternative zu Festgeldkonten oder Bundesanleihen angepriesen. Wer selbst kein Eigenheim besitzt, sollte so dennoch von steigenden Mieten und Immobilienpreisen profitieren.

Im Sommer war es dann plötzlich vorbei mit Rendite und Sicherheit, zumindest für den auf Wohnimmobilien spezialisierten Immobilienfonds Uni Immo Wohnen ZBI, der seine Anteile plötzlich um 17 Prozent oder 800 Millionen Euro abwerten musste. Laut der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment, zu der ZBI gehört, waren daran „exogene Einflussfaktoren“ schuld: die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Inflation und die gestiegenen Zinsen. Der Markt für Wohnimmobilien sei dadurch „in eine Schockstarre gefallen“. Dass es so kommen könnte? Konnte man ja nicht ahnen. Und überhaupt, die vorherigen Bewertungen der Immobilien seien „nicht falsch“ gewesen – schließlich seien diese quartalsweise eingeschätzt worden. Auch die niedrige Risikoklasse, in der die Volksbanken den Fonds verkauft hatten, sei korrekt ermittelt worden. „Daher gibt es nach unserer Ansicht keine rechtliche Grundlage für Entschädigungsforderungen.“

Mittlerweile sieht die Lage anders aus: Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied Ende Februar, dass die Risikoeinstufung des Fonds eben nicht den Vorgaben entsprach – eine Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte Erfolg. Die Richter befanden in ihrem Urteil, dass die in den Informationsblättern angegebene niedrige Risikoklasse irreführend war und Anlegern Verlustrisiken verschleierte. Eine Entscheidung, die nicht nur Folgen für die Branche, sondern auch für die betroffenen Anleger haben könnte. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil dürfte zwar noch Zeit vergehen, da Union Investment in Berufung gehen will. Sollte das Urteil aber im Sinne der Verbraucherzentrale bestätigt werden, müsste Union Investment die Einstufung des Fonds auf Kategorie sechs herabsetzen, was für „sehr hohes Risiko“ steht.

Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale könnte sich daraus für Anleger ein Schadenersatzanspruch ergeben. Zumindest, wenn sie glaubhaft darlegen können, dass sie den Fonds nicht gekauft hätten, wenn die Risikokennzahl von sechs angegeben gewesen wäre. Auch die auf Anlegerklagen spezialisierte Kanzlei Tilp sieht in dem Urteil eine Grundlage vor allem für all jene geschädigten Investoren, die nach dem 1. Januar 2023 in den Fonds eingestiegen sind. Seither gelte die europäische „PRIIP-Verordnung“, die die Risikoklassifizierung von Anlageprodukten reguliert. Anleger, die vor diesem Datum investiert hätten, könnten sich zwar nicht direkt auf die falsche Einstufung berufen, hätten jedoch ebenfalls Anspruch auf eine korrekte Aufklärung gehabt. Das Urteil könne daher auch für diese Anleger hilfreich sein, um Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung geltend zu machen, sagt Rechtsanwalt Marc Dreher von der Kanzlei Tilp. Das könne man auch jetzt schon prüfen: Auf ein rechtskräftiges Urteil zu warten, berge das Risiko, dass Ansprüche verjähren. Darüber hinaus könnten Anleger auch gegen die beratenden Banken vorgehen, zumindest wenn sie eine fehlerhafte Beratung nachweisen können, was allerdings oft nicht einfach sei.

Kauft ein aggressiver Finanzinvestor Wohnungen von ZBI?

Das Urteil könnte aber auch Konsequenzen für die gesamte Branche haben. Offene Immobilienfonds verwalteten zuletzt rund 130 Milliarden Euro. Allein im vergangenen Jahr zogen Anleger netto knapp sechs Milliarden Euro ab. Und auch im Januar flossen netto weitere 499 Millionen Euro ab, was laut den Analysten von Barkow Consulting ungewöhnlich viel ist: Normalerweise hätten offene Immobilienfonds im Januar Zuflüsse zu verzeichnen. Obwohl sich die Immobilienpreise zuletzt leicht erholt haben, könnte das Urteil jetzt weitere Investoren veranlassen, ihre Fondsanteile zu kündigen. Dadurch allerdings könnte sich erst zeigen, ob einige Fonds ihre Immobilien überbewertet haben, so wiederum die Tilp-Anwälte.

Die meisten offenen Fonds sind in Büros investiert. Getrieben vom Trend zum Home-Office, gestiegenen Zinsen und der schwachen Konjunktur, war zuletzt gerade der Büromarkt unter Druck. Der ZBI-Fonds hingegen ist mit seinem Fokus auf Wohnimmobilien ein Exot. Der Fonds war wohl einfach zu schnell gewachsen und hatte beim Immobilienkauf kein glückliches Händchen.

Auch bei den Immobilien finanzierenden Banken steigt jedenfalls die Nervosität: Der Streit um die Risikoeinstufung berge Gefahren für die gesamte Anlageklasse, sagte Cornelius Riese, Chef der genossenschaftlichen DZ Bank und Aufsichtsratschef von Union Investment. „Wir reden über die Zukunft der Immobilienfonds in Deutschland – nicht mehr und nicht weniger“, sagte Riese vor einigen Tagen auf der Bilanzpressekonferenz der DZ Bank. Offene Immobilienfonds würden eine zentrale Rolle für den deutschen Immobilienmarkt spielen. Neben privaten Käufern, dem Staat und Wohnungsbaugenossenschaften brauche es diese Investoren. „Wenn Hedgefonds Wohnungen kaufen, haben wir schnell ganz andere Diskussionen.“

Bemerkenswert ist allerdings, dass der ZBI selbst gerade im großen Stil Wohnungen verkauft hat und dahinter laut dem Fachmedium Greenstreet offenbar ausgerechnet der US-Fonds Elliott steckt – einer der weltweit aggressivsten Finanzinvestoren.  Laut Pressemitteilung ging das Portfolio mit „8000 Wohn- und Gewerbeeinheiten“ zwar an die eher unbekannte I-Wohnen Gruppe, die von der In-West Partners GmbH geführt werde.  Doch Greenstreet berichtet, dass letztlich Elliott dahinterstünde, was seltsamerweise in der Pressemitteilung unerwähnt bleibt. Elliott äußerte sich auf SZ-Anfrage nicht dazu. ZBI erklärte, dass die in der Mitteilung genannte Käufergesellschaft korrekt angegeben worden sei und alles Weitere einer Verschwiegenheitsvereinbarung unterliege. In-West Partners reagierte nicht auf eine Anfrage. Die DZ Bank äußerte sich nicht.

Das Ganze bleibt also rätselhaft. Dabei standen einige der verkauften ZBI-Immobilien bereits im medialen Fokus, als der Eigentümer noch ein deutscher genossenschaftlicher Fonds war. So musste sich sogar die Kölner Kommunalpolitik mit dem schlechten Zustand einiger ZBI-Wohnungen im Stadtteil Chorweiler befassen. Die Bewohner dieser Objekte werden sich nun wohl fragen, wer eigentlich ihr neuer Vermieter ist.

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